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In einer anderen Welt (German Edition)

In einer anderen Welt (German Edition)

Titel: In einer anderen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Walton
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habe ich The Best of Galaxy Volume IV bekommen, mit einer Zelazny-Story drin.
    Am Abend sind wir dann ins Tal hochgefahren, um Opa zu besuchen. Er wurde aus dem Krankenhaus entlassen und ist jetzt in einem Pflegeheim namens Fedw Hir . Alle anderen dort sind plemplem, oder jedenfalls so gut wie. Ein Mann hockt nur rum und murmelt dauernd »Blubba, blubba, blubba«, und ein anderer stößt immer wieder laute Schreie aus. Das ist der grässlichste, deprimierendste Ort, an dem ich je war, all die alten Männer mit den eingefallenen Wangen und dem stumpfen Blick, wie sie da in ihren Betten sitzen und so aussehen, als befänden sie sich im Vorzimmer des Todes. Opa geht es von allen dort noch am besten. Er ist einseitig gelähmt, aber seine andere Seite ist so kräftig wie immer, und er kann sprechen. Er ist bei Verstand, auch wenn seine Haut eine merkwürdige Farbe hat. Sein Haar war schon grau, seit ich zurückdenken kann, aber jetzt ist es weiß, und an einer Stelle hat es die Farbe von geronnener Milch.
    Sprechen kann er, aber zu sagen hatte er nicht viel. Er hofft, dass er bald nach Hause darf, doch Tantchen Teg hat da so ihre Zweifel, obwohl sie hofft, dass er über Weihnachten einen Tag zu ihr kommen kann. Sie möchte, dass ich auch komme, aber ich habe ihr gesagt, nur wenn ich meiner Mutter nicht begegne. Ich weiß nicht, ob das machbar ist. Opa hat sich wahnsinnig gefreut, mich zu sehen, und er wollte alles wissen, was ich erlebt habe, und das war natürlich schwierig. Den Namen Daniel darf ich ihm gegenüber gar nicht erwähnen, niemand darf das, seit Daniel meine Mutter im Stich gelassen hat. Also kann ich auch nichts von ihm erzählen. Aber von der Schule habe ich erzählt, ohne zu verraten, wie furchtbar es dort ist und dass mich alle hassen. Ich habe ihm von meinen Noten erzählt und von der Bibliothek. Er wollte wissen, ob es mit meinem Bein besser geht, und ich habe ja gesagt.
    Was gelogen war. Inzwischen ist mir jedoch klar, wie unwichtig das ist. Na schön, es tut weh, aber ich kann herumlaufen. Während er dort festsitzt, auch wenn sie, wie Tantchen Teg sagt, ein wenig Krankengymnastik mit ihm machen.
    Als wir hinausgingen, wünschte Tantchen Teg, die oft hier ist, einigen der Männer eine gute Nacht. Entweder sie reagierten gar nicht, oder sie brüllten und stammelten. Ich musste an Sam denken, der ungefähr im gleichen Alter ist wie diese Männer, und an sein nettes warmes Zimmer, die Bücherstapel und den Samowar. Er war ein Mensch, und diese Männer waren nur noch Abfall, Überreste von Menschen. »Wir müssen Opa da rausholen«, sagte ich.
    »Ja, aber so einfach ist das nicht. Alleine kommt er nicht mehr zurecht. Ich könnte mich an den Wochenenden um ihn kümmern, aber er braucht jemanden, der ihn pflegt. Das ist sehr teuer. Sie hoffen, dass sie ihn im Frühling entlassen können.«
    »Ich könnte bei ihm wohnen und ihm helfen«, erwiderte ich, und für einen Moment gab ich mich der Hoffnung hin, das wäre möglich.
    »Du musst in die Schule gehen. Und außerdem bist du nicht stark genug – wenn er geht, muss er sich mit seinem ganzen Gewicht aufstützen.«
    Sie hat recht. Ich würde zusammenbrechen, mein Bein würde nachgeben, und wir lägen beide auf dem Boden.
    Ich sollte ihm schreiben. Immerhin das kann ich tun – nette, fröhliche Briefe. Tantchen Teg kann sie ihm vorlesen, dann haben sie etwas, worüber sie reden können, wenn sie ihn besucht. Wir müssen ihn da rausholen. Es ist grauenvoll. Und ich dachte, in der Schule wäre es schlimm.

Dienstag, 30. Oktober 1979
    Heute bin ich mit dem rot-weißen Bus das Tal hochgefahren, eine interessante Strecke. Sie folgt der alten Landstraße bis ganz hinauf, den schmalen Gassen zwischen den Reihenhäusern, durch Pontypridd, und die ganze Zeit konnte ich die grässlichen Kohle- und Schlackehalden sehen und die hässlichen, dicht an dicht stehenden Gebäude, und über allem die Hügel. In Aberdare bin ich ausgestiegen und den Kar zu den Ruinen raufgelaufen, die wir »Osgiliath« getauft haben. Was sie mal wirklich waren, weiß ich nicht. An den Bäumen hingen fast keine Blätter mehr, dafür war der Boden mit nassem Laub bedeckt. Zum Glück regnete es nicht, denn als ich dorthin kam, musste ich mich dringend hinsetzen. Ich hatte vergessen, wie weit es war. Zwar hatte ich schon noch gewusst, dass es einen knappen Kilometer von der nächsten Bushaltestelle entfernt war, aber für mich ist das inzwischen eine lange Strecke.
    Ich suchte nicht direkt nach

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