In einer Familie
immer wieder
das Motiv zu betonen, den Haß gegen ihre beiden
Feinde. Ach, sie hatte selbst heute noch versucht, ihr
Gefühl auf diese Weise zu täuschen, bevor nun ihre
Kraft erschöpft war und das Bewußtsein der Wahr-
heit sie überwältigte. Jetzt, da sie ihn, ohne ihm
kaum je in kurzen Stimmungsmomenten überlegen
gewesen zu sein, aus ihrem Machtbereich hatte ent-
lassen müssen, war die Stimme nicht länger nieder-
zuhalten gewesen, welche wahnsinnig laut und mit
jeder Minute heftiger in ihr rief: »Ich muß, ich muß
ihn demütigen, aber nicht der bloßen Rache wegen,
sondern um ihn zu besitzen.«
Sie begriff sich selbst nicht, wenn sie daran dachte,
daß für sie der Verkehr mit Männern immer nur
darin bestanden, die Stelle auszufinden, wo der Geg-
ner zu treffen war, und sobald die Wunde beige-
bracht war, sich zurückzuziehen. Niemals hatte sich
in das berechnende, grausame Spiel, das für sie die
Beziehungen der Geschlechter bedeutet, ein tieferes
Empfinden als das der geschlechtlichen Eitelkeit ein-
geschlichen. Was hatte sich inzwischen verändert?
Waren es die langen, einsamen Träumereien der letz-
ten Jahre gewesen, in denen sie sich mit der oft in
Wonneschauer ausartenden Selbstquälerei, welche
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Naturen ihrer Art eignet, ein Eheleben ausgemalt,
wie vielleicht andere Frauen es führten? Es war zu
denken, daß sie, die als Mädchen einen nervösen Wi-
derwillen gegen die körperlichen Beziehungen der
Geschlechter besessen, und die ihn in der Ehe mit
einem Manne, der sein Recht auf solche hätte gel-
tend machen wollen, nicht abgelegt hätte, daß sie in
der ständigen Gesellschaft des alternden und zu je-
der Intimität unlustigen Gatten einen paradoxen
Widerspruch gegen diese ihre Natur kennen lernte.
Es war, durch die Angst vor dem Kommenden nur
noch willkürlicher gemacht, ein rasendes Glücksver-
langen, was das Blut so fieberhaft durch den noch
immer mädchenhaft zarten Körper der Frau trieb,
die bewegungslos, wie in der Erwartung ihres
Schicksals, dasaß.
Tagelang war es die gleiche furchtbare Stimme des
Blutes, welche von ihr heischte, diese vielleicht letzte
Möglichkeit zu ergreifen, das Zärtlichkeitsbedürfnis
zu befriedigen, das, spät genug, nun auch sie zum
wahren Weibe gemacht. Inzwischen aber war auch
die Angst vor dem Unbekannten, dem sie entgegen-
ging, gewachsen und überfiel sie mit der Macht aller
ihrer Einwände. Die religiöse Glut, welche als
schwacher Funke immer seit ihren Kindertagen in
ihr fortgeglüht, flammte plötzlich zwischen ihrem
Wunsch und seinem Ziele auf. Vielleicht war sie
darum nun noch mächtiger, daß sie nicht aus dem
wahren, schlichten Glauben stammte, sondern ein
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mystischer Rausch war, verbunden mit der Furcht
vor Gestalten des Aberglaubens, an die sie in ihrer
Heimat glauben gelernt. Zudem aber stellte sich,
ebenfalls fast ohne Überlegung und mit der Macht
eines Instinktes, die Furcht vor den Folgen ein, die
vorauszusehen waren, falls sie ihrem Verlangen
folgte. War sie doch von jeher eine der Haupttriebfe-
dern in ihrem Leben gewesen, die Furcht, Aufsehen
zu erregen, beobachtet und besprochen zu werden.
Ihre nervöse Natur, die sie schon so früh gewöhnt
hatte, sich in sich selbst zurückzuziehen, um den
Wirkungen ihres eigenen Temperamentes zu entflie-
hen, ward nun, inmitten ihrer streitenden Begierden,
von der Aussicht eines vollständigen Skandales dop-
pelt verstört. Die beängstigend genaue Vorstellung
von der Ungeheuerlichkeit des Vorauszusehenden
brachte in ihr eine fieberhafte Hast hervor, keinen
Augenblick mehr unentschieden zu bleiben. Sie
glaubte wahnsinnig werden zu müssen, wenn es ihr
nicht augenblicklich gelänge, einen bestimmten Ent-
schluß zu fassen. Daß sie dazu die Macht besäße, daß
es ihr, und sollte sie darüber zu Grunde gehen, ge-
lingen müsse, ihm, dem Feinde, ihre Wunde zu ver-
bergen und den Ausgang des Zusammentreffens mit
ihm ganz nach ihrem Belieben zu lenken, daran
zweifelte sie selbst in ihrer jetzigen Verfassung nicht.
Sie war zu sehr jedem Manne gegenüber an das Ge-
fühl der Überlegenheit gewöhnt worden. Vielleicht
zweifelte sie gerade jetzt weniger als je daran: sie be-
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fand sich in einer Ekstase der Furcht, in der die un-
wahrscheinlichsten Rettungsmittel herbeigezogen
werden und durch die Kraft des Glaubens, den man
ihnen entgegenbringt, sich zuweilen sogar bewähren
können. Die Frau des Mannes, zu dem
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