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In einer Familie

In einer Familie

Titel: In einer Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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    Wirtschaft zu unterbrechen. Es mußte ihr am Ende
    der größte Gefallen damit gethan sein, wenn sie, der
    Sorgen einer eigenen Küche überhoben, samt ihrem
    Manne die Mahlzeiten gemeinsam mit den Eltern
    einnahm. Zuweilen schielte der alte Herr indes mit
    einem etwas ängstlichen Blick, der um Zustimmung
    bat, zu seiner Tochter hinüber. Diese saß fast ganz
    schweigsam und in sich selbst versunken da. So ver-
    kehrt auch dieses Mal die Deutung war, die ihr Gatte
    ihrer Haltung gegeben, so litt doch auch sie unter
    der Nachwirkung jener Scene. Sie bereute es bitter,
    ihrer Abneigung gegen die Frau ihres Vaters, die sie
    nun, in ihrer aufrichtigen Selbstverurteilung, ganz
    und gar aus kleinlichen Beweggründen herleitete,
    nicht besser die Zügel angelegt zu haben. Dazu war
    ihr das Bewußtsein, sich ihrem Gatten in einer so
    schwachen, ganz von dieser Leidenschaft beherrsch-
    ten Minute gezeigt zu haben, unendlich beschä-
    mend. So nickte sie, aus ihren unzufriedenen Grübe-
    leien, nur zuweilen eine nachlässige Antwort dem
    Vater zu, der nicht aufhörte, sich um ihren Beifal für
    seine Pläne zu bemühen.
    »Du findest doch nicht, daß durch diese Ordnung
    der Dinge Deinen Rechten als Hausfrau zu sehr Ab-
    bruch gethan ist?« fragte er, ihre Unaufmerksamkeit
    bemerkend.
    Anna zeigte ein etwas mühsames Lächeln.
    »Ich? Nein. – Natürlich muß sich jeder von uns
    Ausnahmen von der Regel vorbehalten.«
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    Wellkamp sah den alten Herrn eine kleine Gri-
    masse unterdrücken.
    »Ich werde meine Fürbitte für Sie einlegen,« sagte
    er.
    Der Major hatte immer den Wunsch seiner Toch-
    ter geteilt, sie möchte von der Berührung mit den
    falschen Verhältnissen seines eigenen Ehelebens be-
    freit werden. Aber der Wunsch des Vaters wurde
    beiseite geschoben von der Selbstsucht des alten
    Mannes, der vor einem gänzlichen und immerwäh-
    renden Alleinsein mit der Frau, die ihm sein böses
    Gewissen verkörperte, zurückschreckte. Die Aus-
    sicht darauf war ihm unheimlicher als je geworden
    mit der eigentümlichen Wendung, die sein Verhältnis
    zu seiner Gattin und die Stimmung zwischen ihnen
    beiden in den Wochen der Abwesenheit der jungen
    Leute genommen.
    An jenem Nachmittage war Dora von dem Fen-
    ster, aus welchem sie dem Wagen nachgeblickt,
    darin ihr Gatte seine beiden Kinder an den Bahnhof
    geleitete, zögernd und in Gedanken versunken zu-
    rückgetreten. Sie hatte sich in ihrem gewohnten
    Winkel niedergelassen, um sich in langen Stunden
    nicht wieder zu erheben. Die Lampe, welche der
    Diener auf das Tischchen setzen wollte, worauf ihre
    blasse Hand, wie versteinert, ruhte, hatte sie zu-
    rückgewiesen und war im Dunkel, in das nur der
    Schnee von draußen einen unbestimmten Schimmer
    warf, den Rest des Abends sitzen geblieben, um zu
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    träumen, unendlich und ohne das Vermögen, aufzu-
    hören.
    Sie hatte damals zum erstenmal eine in ihrer Klar-
    heit erschreckende Vision des Kommenden, wie es
    sich nach dem, was in der letzten Zeit mit ihr und
    durch sie vor sich gegangen, vorbereitete. Die ganze
    durchgreifende Veränderung, die ihr Leben und al-
    les, was seinen Inhalt ausmachte, erfahren, lag in
    plötzlicher Beleuchtung vor ihr, als sie sich den
    Mann, mit dem al das Fremde, Aufrührerische in ih-
    ren Kreis eingedrungen, vorstellte, wie er mit einer
    Andern, mit ihrer Feindin, in die weite, freie Welt
    hinausfuhr, um mit jener zusammen zu genießen,
    ohne Reue zu genießen. Sie haßte bei diesem Gedan-
    ken ihn nicht weniger als die Frau. Er hatte ihr,
    durch sein bloßes Erscheinen, Leid zugefügt, und
    ohne es zu teilen, ging er nun davon, um vielmehr
    ein Glück zu finden, wie sie es niemals kennen ler-
    nen konnte.
    Seit ihrer ersten Begegnung mit Erich Wellkamp
    hatte sich in die verdrossene Resignation, in der sie
    in der Ehe mit dem schnell alternden Gatten dahin-
    lebte, ein Lichtschein von neuen unvernünftigen,
    unwiderstehlichen Wünschen, wie der eines Irr-
    lichts, geschlichen. War es nicht natürlich, daß sie es
    unternahm, sich an dem Störer ihrer Ruhe zu rä-
    chen? Es verstand sich ebenso, daß dieses Verlangen
    immer heftiger wurde, je mehr sie die Stärke des
    Rückhaltes erkannte, den der Gegner an der gehaß-
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    ten Andern besaß. Thatsächlich waren so die Plän-
    keleien, in der sie der Unterwerfung des Mannes
    vorarbeitete, von einer zur andern immer heftiger
    geworden. Sie hatte das gefährliche Spiel gewagt,
    ohne je aufzuhören, vor sich selbst

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