In einer Familie
ge-
meinschaftlichen Bekannten Erwähnung that, um
den sich beide seit Jahr und Tag nicht gekümmert.
Rein äußerlich schien es so, als sei das Verhältnis der
Gatten von Grund aus umgestaltet, und als sei alles
durch die Art dieses Verhältnisses etwa Vorbereitete
unmöglich geworden, so ruhig-familiär war die Re-
deweise der Frau und so höflich besorgt diejenige
des Mannes, der allerdings seinerseits derartige Un-
terredungen niemals herbeiführte und nach ihrer
Beendigung ein Unbehagen wie nach einer unnütz
verlorenen Stunde zu überwinden hatte.
Bei einer dieser Gelegenheiten hatte Dora ihm,
im Anschluß an ihr Musikgespräch, nahegelegt, sie
gelegentlich in die Oper zu führen. Auch dieser so
außergewöhnliche Wunsch vermochte, neben ihrem
auch sonst veränderten Betragen, Herrn v. Grubeck
wohl zu überraschen, ohne ihn aber in Verwunde-
rung zu setzen. Einerseits war ihm selbst, seit er die
gewohnte Gesellschaft der Tochter entbehrte, das
Haus verödet und sein eigenes Leben zuweilen un-
heimlich still erschienen; und im Zusammenhang
damit kam ihm leicht der Gedanke, daß Dora, deren
unerträgliches Verhältnis zu Anna ja auch ihn fort-
während bedrückt, jetzt, da sie ihn von dem Ein-
flüsse der Rivalin frei sah, eine Annäherung an ihn
suchte. Die männliche Eitelkeit, die auch in einem
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Verhältnis wie diesem nicht gänzlich außer Wirkung
gesetzt war, machte ihm den Gedanken einleuch-
tend genug. Andererseits war er von jeher gewohnt
gewesen, alle auffallenden Äußerungen der Frau auf
ihre nervös-launische und, dessen war er zu seinem
Unglück gewiß, unbefriedigte Natur zurückzufüh-
ren. Ohne ausdrücklich über den neuen Wunsch
Doras nachzudenken, kam er ihm nach. Die paar
klassischen, ihm aus seiner Jugend in der Erinne-
rung gebliebenen Opern, in die er sie führte, blie-
ben nun zwar auf sie ohne Eindruck. Indes hatte
gleich der erste Abend, den sie so außer Hause zu-
gebracht, einen für sie selbst überraschenden Erfolg.
Sie war als eine der Gesellschaft bisher fast unbe-
kannte und ungewöhnliche Erscheinung in ihrer
Loge viel beachtet worden. Sie hatte Gelegenheit,
wieder die ihr ehemals so geläufige Augen- und Fä-
chersprache zu reden und, wie dies in großer Ge-
sellschaft der Fall ist, ohne besonderes Interesse an
der einzelnen Person, das große Publikum auf sich
wirken zu fühlen, ebenso wie sie den Eindruck ver-
spürte, den sie selbst auf den Saal machte. So war sie
nach Jahren einmal wieder zu dem ungestörten
Selbstgenuß gekommen, dessen Frauen ihres Schla-
ges sich nicht ungestraft dauernd berauben. Sie be-
griff nicht, wie sie dies so lange Zeit fast vollständig
hatte thun können. Mit dem ersten Ausfluge, den
sie gewagt, und den sie nun häufig zu wiederholen
beschloß, war viel von dem innern Fieber ver-
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schwunden, das nur in der fortwährenden Einsam-
keit des Hauses eine so beängstigende Höhe hatte
erreichen können.
Nun aber schien alles so gut geregelt, daß sie
selbst an dem Tage, als die jungen Eheleute ihre
Rückkehr für den Abend anzeigten, eine fast heitere
Ruhe bewahrte. Als sie Wellkamp endlich gegen-
übertrat, hatte sie wirklich die Genugthuung, ganz
ungezwungen die Haltung zu finden, die sie beab-
sichtigt. Noch mehr hatte es sie befriedigt, die Wir-
kung davon auf den jungen Mann wahrzunehmen;
wie er anfangs erstaunt war, um sich dann schnell
und mit einer sichtlichen Beruhigung, in das verän-
derte Verhältnis zu finden, und wie es durch seine
fernere Unterhaltung wie ein endgiltiges Aufatmen
ging. Dies alles zu fühlen, hatte ihr eine süß-melan-
cholische, aber so sichere und zufriedene Stimmung
gegeben. Warum mußte diese so schnell und so
schrecklich gestört werden? Sie hatte in ihren hasti-
gen, ganz von dem unwiderstehlichen Trieb zur
Handlung bestimmten Berechnungen, welche sich
ausschließlich mit dem Manne beschäftigten, die
Frau überhaupt fehlen lassen. Dies war es, was jetzt
das Verhängnis beschleunigte. In al den Wochen, in
denen ihre fixe Idee ihr immer von neuem die Vision
eines ersten Wiedersehens mit Wellkamp gezeigt,
hatte sie sich Annas kaum ein- oder zweimal in un-
bedeutender Weise erinnert. So mächtig war die Vor-
eingenommenheit, welche sie der neuen Situation
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entgegenbrachte, daß sie auch noch in jener halben
Stunde vor dem Kamin, während sie jede unmerk-
lichste Äußerung von Wellkamps Stimmung er-
haschte, für die
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