In einer Familie
belauschte, nach
dem Sessel, in dem sie zu ruhen pflegte, den Namen
der Geliebten hinüberzuflüstern:
»Dora …«
Als das wilder werdende Spiel seiner Phantasie
ihn wieder einmal so sich selbst vergessen ließ, sank
er vor jenem Sessel nieder und preßte seinen Kopf in
die Kissen, in denen er den Duft ihres Kleides, ihres
Haares spürte. Dabei hatte er beängstigend deutlich
ihre Antwort im Ohr, er hörte ihre geheimnisvolle
Stimme »Erich!« rufen, und es klang wie ein Schick-
salsruf. Als er in vollständiger Verwirrung lauschte,
ob es nicht Wirklichkeit sei, vernahm er seinen Na-
men von einer andern Stimme ausgesprochen, und er
hatte kaum noch Zeit, aufzuspringen, gehabt, als
Anna bereits die Portière zurückgeschlagen hatte.
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»Nun!?« rief er ihr sofort entgegen, und seine
Stimme war, um seine Überraschung zu verbergen,
unwillkürlich überlaut und heftig geworden. »Man
bleibt nicht einen Augenblick allein. Ich habe Kopf-
schmerzen.«
»Dann sol test Du Dich nicht dem einnehmenden
Parfüm aussetzen, das hier im Zimmer liegt. – Ich
habe Dich von Papa zu fragen, ob Du uns statt seiner
heute Abend in den ›Tannhäuser‹ begleiten willst.
Das heißt, ich bleibe für meinen Teil auch gern zu
Hause. Du weißt, ich bin nicht für Wagner.«
»Laß Dich nicht abhalten«, sagte er rauh und
während der Ärger in ihm aufstieg, welcher ihn jetzt
öfter bei der Berührung mit Anna erfaßte, die er in-
nerlich bereits als Hindernis für seine Wünsche an-
zusehen gewöhnt war.
»Also Du sagst zu?« fragte sie, während sie den
Blick, der ein stilles Erstaunen bei seiner Heftigkeit
ausdrückte, auf ihn geheftet hielt.
Natürlich reizte ihn ihre Ruhe noch mehr.
»Jedenfalls. Man hockt hier ohnehin zu viel bei-
einander. Das macht languid auf die Dauer.«
»Du langweilst Dich, lieber Junge«, sagte sie be-
gütigend. »Ich glaube, Du solltest Dir eine Beschäf-
tigung wählen.«
Sie sah den Grund seiner häufiger auftretenden
Launen einzig in seiner Beschäftigungslosigkeit, wo-
bei es wahrscheinlich war, daß sie im letzten Grunde
Recht behielt. Ihm konnte ihre einmal fixierte Auf-
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fassung, die ihre Aufmerksamkeit ablenkte, für seine
augenblicklichen Zwecke nur vorteilhaft sein. Doch
ward er jetzt bloß erbittert durch dasjenige, was er
als »Schulmeisterei« an ihr empfand.
Er wandte sich mit einer so deutlich beleidigen-
den Bewegung ab, daß sie es bemerken mußte.
Anna war besonnen genug, ihn ohne weitere Ent-
gegnung zu verlassen. Sie sah solche kleinen
Szenen, die in letzter Zeit nicht selten waren, ruhig
an. Es würde ihr morgen ein leichtes sein, dachte
sie, alles wieder zu ordnen, wenn er nicht von selbst
käme. Er ergab sich leicht genug, wenn ihm Zeit ge-
lassen wurde; auch schien er wirklich etwas gelang-
weilt, und die Oper würde ihn anregen, sie kannte
seine Empfänglichkeit für Musik. Indessen pflegte
sie auch ihre eigene Würde in solchem Falle in ih-
rem Verhalten abzumessen. Nach dem Vorgefalle-
nen mit Wellkamp in die Oper zu gehen, erschien
ihr nicht thunlich. So überbrachte sie Herrn v. Gru-
beck ihre eigene Entschuldigung und die Zusage ih-
res Gatten.
Der Hauptgrund, weshalb Anna dem Besuch des
»Tannhäuser« von vornherein abgeneigt gewesen,
lag darin, daß er von Frau v. Grubeck angeregt und
ihr zu Gefallen beschlossen war. Dora hatte die
Kleinlichkeit in Bezug auf ihre eigene Person, wel-
che die junge Frau niemals verleugnen konnte, rich-
tig berechnet, als sie die Verantwortlichkeit des
ersten Schrittes, vor welchem der Mann zurück-
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scheute, auf sich nahm. Sie konnte, während sie ihn
that, das Gefühl triumphierender Rache durchko-
sten bei dem Gedanken an die Frau, die für den Be-
sitz des Mannes von ihr so beleidigend wenig fürch-
tete. Doch war dies Gefühl nicht die eigentliche
Triebfeder ihres Entschlusses gewesen, noch war ihr
dieser leicht geworden. Sie hatte all diese Zeit umso-
mehr gelitten, als sie die Erfüllung ihres Schicksals
nunmehr völlig in der Hand des Mannes glauben
mußte. Je länger sie ihn unentschlossen sah, desto
fieberhafter ward der Zustand, der sie zugleich zu ei-
ner erschöpfenden Aufmerksamkeit gegen ihren
Gatten verdammte. Denn mit welcher Heftigkeit
nach der Entbehrung ihres ganzen Lebens der Trotz
gegen al es, Personen und Verhältnisse, die sie umga-
ben, in ihr zum Ausbruch gelangt war, blieb sie doch
immer unfähig, sich ihrer Leidenschaft
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