In einer Familie
sondern sie
selbst war es, die alle Hindernisse aus dem Wege
räumte. Einmal fort aus dem erstickenden Kreise,
konnten aus der Ferne die Beziehungen leicht voll-
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ständig abgebrochen werden. Selbst wenn man sich
später einmal wiedersehen müßte – die Zeit und das
Vergessen würden dazwischen kommen. So konnte
er dieser geliebten, gütigen Frau den Schmerz seines
Geständnisses ersparen.
Er sagte sich dies mit aufrichtiger Zärtlichkeit, in-
dem er nach seiner gewöhnlichen Art die Sophismen
seines Verstandes mit der Ehrlichkeit seines Gefühls
für ihn selbst unentwirrbar verkettete.
Noch einen Kuß auf ihre Hand drückend, sprach
er einfach: »Ich danke Dir«, während er innerlich
aufatmete:
»So kann dennoch Alles gut werden.«
230
VIII
Er irrte, und seine Hoffnung, es werde nun alles gut
werden, war in dem Sinne wie er sie hegte, nicht er-
füllbar. Wie mochte er glauben, seine so sehr gelok-
kerten Beziehungen zu seiner Gattin ohne weiteres
an dem Punkte wieder anknüpfen zu können, wo sie
sich befanden, ehe sie durch das Erscheinen Doras
geändert und verwirrt wurden. Dies mußte schon
dadurch vereitelt werden, daß Anna, sobald sie ihre
Intimität zu erneuern versuchen würden, in ihm
nicht mehr den erkennen würde, der damals zuerst
seine Hand in ihre bräutliche gelegt. Es war unver-
meidlich, daß sie aus den mit ihm vorgegangenen
Veränderungen auf geheime Erfahrungen schließen
würde, die ihn ihr innerlich noch unendlich weiter
entfremdet als im äußeren Verkehr. Denn wir durch-
leben kein Ereignis, begehen keine Handlung, ja ma-
chen kaum eine banale Bekanntschaft, ohne von ihr
in irgend einer Hinsicht gebildet zu werden. Wir
werden wir selbst erst durch das, was mit uns ge-
schieht oder was wir thun, und unser Selbst befindet
sich in fortwährendem Wechsel. Unsere geringste
That wird sofort ein Stück von uns und unserm Le-
ben, durch sich selbst und durch das, was sie hinter-
läßt; durch ihre Folgen und Einflüsse: wie hätte eine
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Reihe so bedeutender Handlungen und Erlebnisse,
wie die in Wel kamps Leben durch sein Verhältnis zu
Dora hervorgerufenen, jemals ihre Bestimmung ver-
fehlen können. Man geht nicht durch das Feuer einer
Leidenschaft, ohne in irgend einem Sinne von ihm
ungeschmiedet zu werden.
Sei es aber auch, daß Anna durch eine, vielleicht
nicht unedle, Eigentümlichkeit ihres Charakters und
ihrer innern Lebensweise daran verhindert worden
wäre, Ahnung und Einsicht in das ihr Verheimlichte
zu erlangen, so wäre jenes Beginnen darum nicht
weniger umsonst gewesen. Er selbst hätte sich gegen
al sein Bemühen immer an einem Glücke gehindert,
das auf einem Grunde von Täuschungen und Schuld
hätte ruhen müssen. Das Vertrauen und die Liebko-
sungen seiner reinen Gattin hätte er niemals ohne
Bangen und Widerstreben zugleich ertragen, da er
sie nicht verdiente, und da sie nicht dem galten, der
er war. Um sie froh genießen zu können, hätte er die
beschränkte und glückliche Brutalität der Männer
haben müssen, die, in zeitweiligem Überdruß, ihre
Frau zu betrugen, zu ihr zurückgekehrt, schon zu-
frieden sind, wenn sie ihrer Ahnungslosigkeit ver-
sichert sind. Dagegen hätte seine gern sich aus-
dehnende und mitteilende Natur eben an ihrer
Ahnungslosigkeit Anstoß genommen, und er wäre
niemals über seinen Wunsch hinweggekommen,
nicht so von seiner Gattin geliebt zu werden, wie sie
ihn sich vorstel te, sondern so, wie er war, mit seinen
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Fehlern und mit seiner Vergangenheit. So wäre eine
dauernde Zufriedenheit gerade durch das Feinere
und darum auch Bessere in seiner Natur ausge-
schlossen worden. Sind es nicht in solcher Weise
häufig eben unsere Tugenden, welche die Folgen un-
serer Fehler erst recht grausam machen?
Wenn daher die entschiedene Abrechung über al-
les Geschehene, die er so gern vermieden gesehen
hätte, auf alle Fälle bevorstand, so wäre sie doch si-
cherlich durch eine sofortige Entfernung um unbe-
stimmte Zeit verzögert worden. Da indes teils der
noch recht rauhen Witterung wegen, teils aus Rück-
sicht auf den Major, der sich nur schwer an den Ge-
danken einer Trennung von seiner Tochter gewöh-
nen würde, ihre Abreise von Anna auf vier Wochen
hinausgeschoben worden, so blieb es wahr, daß der
enge Kreis, der sich nach wie vor um ihn, seine Mit-
schuldige und die von ihnen Hintergangenen schloß,
seine treibende, beschleunigende Wirkung auf
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