In einer Familie
besser
bethört«, sagte er sich mit Bitterkeit. Nach jedem
Stücke sah er sie dankbar ihrem Gatten zulächeln,
der ihr, da die beiden Andern schwiegen, als der,
welcher aufgefordert, wohl einige Artigkeiten sagen
mußte: jetzt war das alles für ihn berechnet, dachte
Wellkamp. Das letzte war jenes »Lied der Gha-
wâze,« in dessen Vortrag er diesmal, vielleicht nur
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von seiner eigenen Stimmung hinzugefügt, noch
mehr Ausdruck zu finden meinte, als damals. Auf-
blickend gewahrte er wieder wie damals über ihr
mattblondes Haar die Lichtreflexe spielen, die er so
oft mit seinen Lippen verfolgt hatte, und auf ihren
Wangen sah er dieselbe leichte, wie angehauchte
Röte liegen wie einst, als sie ihm, nur ihm al ein ihre
Liebe sang.
»Komödiantin!«
Er fuhr erschreckt zusammen, in Zweifel, ob das
Wort etwa gehört sei. Aber es war ihm nur wie ein
Seufzer entfahren. Er war sehr blaß geworden und es
schwindelte ihm, so daß er sich ohne Weigerung von
Anna, die seinen Arm fest in dem ihren hielt, hinaus-
geleiten ließ. Es war nur Dora da, um zu bemerken,
wie Herr v. Grubeck den Beiden mit einem Aus-
druck nachsah, in welchem Bitterkeit und Mitleid
mit einer tiefen, peinigenden Ratlosigkeit gemischt
erschienen.
Die Nacht brachte Wellkamp unter dem inneren
Aufruhr zu, den diese für sein Gefühl abscheuliche,
frevelhafte Scene hervorgerufen. Durch lange Stun-
den fand er immer nur den einen, verzweifelt wie-
derholten Ausruf, den er in den Kissen erstickte: »Es
ist unerträglich! Es ist unerträglich!« Was? und
warum? hätte er entweder nicht zu sagen gewußt
oder er mochte es sich nicht gestehen. Und eben we-
gen ihrer Unvernünftigkeit war er gegen die Forde-
rungen seines Instinkts um so ohnmächtiger. Was
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ihm einst als großes und unvergängliches Glück er-
schienen und was in jedem Falle eine starke Leiden-
schaft gewesen, nun mit so dumpfer Ruhe ersticken,
von Heuchelei und Gleichgiltigkeit langsam, lang-
sam zugedeckt werden zu sehen, war ihm in Wahr-
heit das Unerträglichste. Und in langen Stunden be-
festigte sich seine Sehnsucht nach einem heftigen
Ausbruch aller Feindseligkeit und Eifersucht, nach
einer großer Abrechnung.
Als er am Morgen, noch immer mit starr gegen die
Decke gerichteten Augen auf dem Rücken liegend,
die Thür leise öffnen hörte, wandte er sich unwill-
kürlich und schnell ab, um sich schlafend zu stellen.
Kaum wußte er Anna wieder aus dem Gemache ent-
fernt, als er sich im Bette emporwarf, angestrengt
horchend, ob seine Gattin mit ihrem Vater das Haus
verlasse. Nun hörte er ihre Schritte, die sich abwärts
entfernten, und war auch schon aufgesprungen, sich
eilig in seine Kleider zu werfen. Zwei Minuten später
stand er in ihrem kleinen Gemache seiner bisherigen
Geliebten gegenüber.
Dora war selbst kaum eingetreten, sie war im Be-
griffe, fröstelnd sich vor dem Kamin zurechtzurük-
ken. Als sie ihn in einer Verfassung, welche die
Kämpfe der vergangenen Nacht bezeugte, bleich,
der Blick starr, Haar und Kleider in Unordnung, auf
sich zu stürzen sah, hatte sie jenen in hochmütigem
Triumph abweisenden Blick der Frau, die ihre innere
Erregung bei der Rückkehr eines treulosen Gelieb-
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ten verbergen will. Von einem spöttischen Lächeln
halb verdeckt, war dennoch eine kleine leidenschaft-
liche Bewegung ihrer Lippen bemerkbar, als hielte
sie den Ausruf zurück: »Du liebst mich noch!«
Nein, er liebte sie nicht mehr, er dachte in diesem
Augenblick an nichts weniger als daran, daß er sie je-
mals geliebt. Ihr Empfang hatte, indem er ihm noch
einmal ihre heuchlerische Ableugnung al er ihrer ge-
meinsamen Beziehungen zu bekunden schien, seine
Wut erhöht. Er empfand nichts mehr, als das Be-
dürfnis, sie, bevor er sie verließe, zu erniedrigen, wie
noch nie eine Frau erniedrigt wäre. Sein Taumel ging
bis zur Selbstvernichtungslust, er hatte Alles verges-
sen, was ihn von dieser Frau trennen mußte, was ihm
die Zukunft lieb und wünschenswert machte, Anna
selbst. Sie sollte sehen, daß er nach wie vor die rück-
sichtsloseste Gewalt über sie besaß, und er warf sich
auf sie, die durch seine verzerrte Miene, seinen ab-
wesenden Blick erschreckt und vorbereitet, ihn mit
aller Kraftanstrengung von sich stieß. Durch den er-
littenen Stoß halb ernüchtert, begann er nun, ihr ei-
nen Haufen entwürdigender Ausdrücke in Gesicht
zu werfen.
»Du – Du widerstehst mir, Du wagst mir zu
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