In einer Person
Mann schlief? Meinte Baldwin wirklich den Geruch von Scheiße, denn würde dein Schwanz nicht danach riechen, wenn du einen Mann oder einen
Jungen gefickt hättest?
Als ich das las, war ich schrecklich aufgewühlt; ich wollte mit
jemandem darüber reden und wäre deswegen fast aufgestanden und hätte Richard
geweckt.
Doch dann fielen mir Miss Frosts Worte ein. Ich war noch nicht so
weit, Richard Abbott zu erzählen, dass ich für Kittredge schwärmte. Und so
blieb ich im Bett liegen; wie üblich trug ich Elaines BH und las immer weiter in Giovannis Zimmer – bis
spätnachts.
Ich wusste noch, wie meine Finger nach Parfüm rochen, nachdem ich
meinen Penis berührt hatte und ehe ich in das Bad gestiegen war, das Miss Frost
für mich eingelassen hatte; dieser Duft nach Mandel und Avocado glich überhaupt
nicht dem Geruch von Scheiße. Doch natürlich war Miss Frost eine Frau, und falls ich in sie eingedrungen war, war ich gewiss nicht da in sie eingedrungen!
Mrs. Hadley war angemessen beeindruckt, weil ich das Wort Schatten gemeistert hatte, doch weil ich Martha Hadley
nicht von Miss Frost erzählen konnte (oder wollte), fiel es mir nicht ganz
leicht zu erklären, wie ich eins meiner unaussprechlichen Wörter bewältigt
hatte.
[322] »Wie bist du bloß darauf verfallen, das ›Nacht‹ und ›gewächs‹ von
›Nachtschattengewächs‹ wegzulassen, Billy?«
»Tja, also…«, begann ich und brach wieder ab – wie ich es von
Grandpa Harry kannte.
Mrs. Hadley und mir war es ein Rätsel, ob die
»Nachtschattengewächsmethode« (wie Martha Hadley sie nannte) mir bei meinen
anderen Ausspracheproblemen helfen könnte.
Als ich Mrs. Hadleys Büro verließ, lief ich natürlich – und wieder
einmal auf der Treppe des Musikgebäudes – Atkins über den Weg.
»Ach, du bist es, Tom«, sagte ich
möglichst beiläufig.
»Ach so, auf einmal ist es also ›Tom‹?«, fragte mich Atkins.
»Ich bin das Nachnamen-Getue in dieser scheußlichen Schule einfach
leid, du etwa nicht?«, fragte ich zurück.
»Jetzt, wo du es sagst«, erwiderte Atkins verbittert; ich merkte,
dass Tom wegen unseres Zusammenstoßes in der Stadtbücherei immer noch gekränkt
war.
»Hör zu, das mit neulich abends tut mir leid«, sagte ich ihm. »Ich
wollte deinen Kummer mit Kittredge nicht noch vergrößern, indem ich dich seinen
›Botenjungen‹ nannte. Entschuldige bitte.«
Atkins wirkte häufig so, als würde er jeden Moment losheulen. Hätte
unser Schularzt Dr. Harlow je vorgehabt, uns ein Musterbeispiel dessen
vorzuführen, was er »exzessives Weinen bei Jungen« nannte, hätte er bei der
Morgenversammlung vermutlich nur mit den Fingern schnippen und Tom Atkins
auffordern müssen, in Tränen auszubrechen.
[323] »Man könnte meinen, ich hätte dich und Miss Frost bei etwas unterbrochen «, sagte Atkins prüfend.
»Miss Frost und ich reden viel über die Schriftstellerei«, sagte ich
ihm. »Sie empfiehlt mir, welche Bücher ich lesen soll. Ich sage ihr, was mich
interessiert, und sie gibt mir einen entsprechenden Roman.«
»Welchen Roman hat sie dir neulich abends gegeben?«, fragte Tom.
»Was genau interessiert dich, Bill?«
»Schwärmereien für die Falschen«, antwortete ich Atkins.
Erstaunlich, wie rasch mir meine erste sexuelle Beziehung überhaupt
Selbstvertrauen geschenkt hatte. Ich fühlte mich ermutigt – sogar genötigt –,
Dinge zu äußern, die ich zuvor höchstens zögernd gesagt hatte, und zwar nicht
nur einer furchtsamen Seele wie Tom Atkins, sondern auch meinem alten
Widersacher und meiner verbotenen Liebe Jacques Kittredge.
Zugegeben, auf Deutsch war es bedeutend leichter, Kittredge
gegenüber mutig zu sein. Ich fühlte mich nicht genügend »ermutigt«, um
Kittredge meine wahren Gefühle und innersten Gedanken anzuvertrauen; ich hätte
es nicht gewagt, zu Kittredge »Schwärmereien für die Falschen« zu sagen, nicht
mal auf Deutsch. (Es sei denn, ich hätte es als Goethe- oder Rilke-Zitat
ausgegeben.)
Ich sah, dass Atkins sich bemühte, etwas zu sagen – vielleicht etwas
über die Uhrzeit oder etwas mit dem Wort Zeit drin.
Doch ich irrte; der arme Tom brachte das Wort »Schwärmereien« nicht über die
Lippen.
Unvermittelt platzte es aus ihm heraus: » Wärmereien für die Falschen – das Thema interessiert mich auch!«
»Ich sagte ›Schwärmereien‹, Tom.«
[324] »Das Wort kann ich nicht sagen«, gab Atkins zu. »Doch das Thema
interessiert mich sehr. Wenn du den Roman ausgelesen
hast, den Miss Frost
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