In einer Person
die Töchter des Lehrpersonals in dieser Atmosphäre nicht mehr
wohl, denn es wurde ungeniert gefurzt, nebst noch viel schlimmeren Beispielen
rüpelhaften Benehmens. Elaine stellte die Hypothese auf, falls man die
ausländischen Sexfilme an Filmabenden in der Academy-Sporthalle zeigte, würden
sich einige der Knaben auf dem Basketballspielfeld einen runterholen.
Wenn wir allein waren, hielten Elaine und ich uns lieber in ihrem
als in meinem Zimmer auf. Von der Wohnung der Hadleys im vierten Stock hatte
man eine bessere Aussicht auf den rechteckigen Innenhof; die Wohnung von
Richard und meiner Mom, und folglich auch mein Zimmer, lag im zweiten Stock des
Wohnheims. Unser Gebäude hieß Bancroft Hall, und es gab eine Büste des alten
Bancroft, eines längst verstorbenen ehemaligen Lehrers der Favorite River
Academy, im Aufenthaltsraum im Erdgeschoss – dem Kippen raum,
wie man ihn nannte. Bancroft (jedenfalls seine Büste) hatte eine Glatze und
buschige Augenbrauen.
Ich war gerade damit beschäftigt, mich mit der Vergangenheit der
Favorite River Academy vertraut zu machen. Dabei war ich auf Fotos von Bancroft
gestoßen, als er noch ein junges Mitglied des Lehrkörpers war; ich hatte seine
Fotos – noch mit voller Haarpracht – in den uralten Jahrbüchern in der
Academy-Bibliothek entdeckt. (Man sollte keine Mutmaßungen über die
Vergangenheit eines anderen Menschen anstellen; ohne entsprechende Belege
bleibt sie einem verschlossen.)
[155] Als Elaine mich in das Jahrbuchzimmer begleitete, zeigte sie
wenig Interesse an den älteren Bänden, die mich faszinierten. Ich hatte mich
gerade erst mühsam durch den Ersten Weltkrieg geackert, aber Elaine Hadley
legte gleich mit den aktuellen Jahrbüchern los; sie sah sich gern die Fotos von
Jungs an, die noch immer die Schule besuchten oder erst kürzlich ihren
Abschluss gemacht hatten. Elaine und ich schätzten, dass wir uns bei dem von
uns vorgelegten Tempo in der Frühphase des Zweiten Weltkriegs, oder auch kurz
davor, bei demselben Jahrbuch treffen würden.
»Also, der sieht echt gut aus«, sagte
Elaine, wenn ihr der eine oder andere Junge auf einem Jahrbuchfoto gefiel.
»Zeig her«, sagte ich dann – der ach so verlässliche Freund, doch
ohne mich ihr zu offenbaren. (Wir hatten einen ganz ähnlichen Geschmack bei
jungen Männern.)
Es ist ein Wunder, dass ich mich traute, Elaine gegenüber
anzudeuten, ich hätte gern mit ihr rumgemacht. Es war eine nettgemeinte Lüge,
aber vielleicht wollte ich Elaine damit auch nur auf eine falsche Fährte
lenken; womöglich befürchtete ich, sie könnte irgendwie spüren, dass ich zu
jenen homosexuellen Begierden neigte, die Dr. Harlow und Dr. Grau gern
»aggressiv« behandelt hätten.
Zunächst glaubte Elaine mir nicht. » Was hast du da gerade gesagt?«, fragte sie mich. Wir hatten uns auf ihrem Bett
herumgefläzt – keineswegs auf irgendwie sexuelle Art
und Weise. Wir langweilten uns und hörten einen Rock-’n’-Roll-Sender, während
wir ihr Fenster im vierten Stock immer im Blick behielten. Die Rückkehr der
Mannschaftsbusse an sich bedeutete uns wenig, doch dieses belanglose [156] Ereignis
hieß, dass Kittredge wieder im Innenhof auftauchen würde.
Auf Elaines Fensterbrett stand eine Leselampe mit dunkelblauem
Schirm; der Lampenschirm war aus Glas, das so dick war wie eine Colaflasche.
Kittredge wusste, dass das dunkelblaue Licht im vierten Stock von Bancroft Hall
aus dem Fenster von Elaines Zimmer kam. Seit wir gemeinsam in Der Sturm mitgewirkt hatten, brachte Kittredge gelegentlich
dem blauen Licht in Elaines Zimmer, das von jedem der vier Wohnheime – sogar
von Tilley, dem Sportler-Wohnheim – zu sehen war, ein Ständchen. Beim
Betrachten der Jahrbücher war mir jemand mit Namen Tilley noch nicht
untergekommen. Falls Tilley ein ehemaliger Lehrer der Favorite River Academy
war, musste er noch vor kurzem unterrichtet haben, nicht in den alten Zeiten –
als der alte Bancroft noch aktiv war.
Mir war nicht klar, wie viel Kittredges gelegentliche Ständchen
Elaine bedeuteten; sie waren natürlich in spöttischem Ton gehalten –
»pseudo-shakespearisch«, wie Elaine sich ausdrückte. Doch ich wusste, dass
Elaine häufig bei eingeschalteter dunkelblauer Lampe einschlief – und dass sie
traurig war, wenn Kittredge ihr kein Ständchen
brachte.
In dieser erwartungsvollen Rock-’n’-Roll-Atmosphäre von Elaine
Hadleys einsamem dunkelblauen Zimmer deutete ich an, dass ich tatsächlich mit
ihr herummachen wollte. Was
Weitere Kostenlose Bücher