In ewiger Nacht
Stimme der Sekretärin kam von weither, er sah, wie sie auf ihn zu gelaufen kam, gefolgt von einem hageren unbekannten Mann mit grauen Haaren, aber jungem Gesicht.
Vaselins Frühstück wurde serviert. Er stürzte sich gierig darauf. Der Reporter hatte noch eine Tasse Kaffee bestellt,wechselte die Kassette im Diktiergerät und fragte: »Vaselin, wie ist Ihr Verhältnis zu Ihren Feinden?«
»Gute Frage. Unterschiedlich. Interessiert dich irgendwer konkret? Womöglich Katschalow?«
»Erraten. Ja, Ihr Verhältnis zu Katschalow, genauer gesagt, zu seiner Tochter Shenja, interessiert mich ganz besonders.«
»Ich habe mich schon gefragt, wann ihr Brüder euch wohl mal damit beschäftigt. Ist doch eine Topstory. Romeo und Julia. Zwei Welten, zwei feindliche Lager. Pop und hohe Kunst.«
»Sie sind Romeo und Shenja ist Julia?«, fragte Anton.
»Ja. Genau. Wir lieben uns und wollen heiraten. Krass, oder? Das werden die Leute gierig verschlingen und mehr verlangen.«
Unterdessen gab es am Eingang Streit. Die Stimmen wurden immer lauter.
»An dem Tisch da drüben, da werde ich erwartet!«, schrie eine Frau.
»Von wem? Uns hat keiner Bescheid gesagt«, antwortete ein Mann.
»Sie werden gleich sehen, von wem!« Natascha, mit wirrem Haar und nachlässig gekleidet, rannte in den Saal.
Vaselin nahm Natascha nie mit in dieses Café. Hierher kam er nur mit Modelschönheiten. Vaselin verschluckte sich an seinem Omelett, und Anton klopfte ihm auf den Rücken.
»Rühr ihn nicht an!« Natascha stürzte sich auf Anton und packte seinen Arm.
»Beruhigen Sie sich, keiner rührt ihn an«, sagte Anton, und zu dem Wachmann und dem Empfangschef, die herbeigeeilt waren, um die zänkische Frau aus dem anständigen Etablissement zu entfernen: »Alles in Ordnung, sie gehört zu uns.«
Vaselin hatte seinen Hustenanfall endlich im Griff und trank einen Schluck Wasser.
»Was willst du hier, he?«, fragte er leise. »Ich hab doch gesagt, du sollst zu Hause bleiben.«
»Vaselin, der Typ ist kein Journalist«, sagte Natascha. Sie wandte sich an Anton: »Wer bist du? Los, zeig deine Lappen.«
Anton zog seinen Ausweis aus der Tasche und legte ihn vor Natascha auf den Tisch.
»Ach, ist ja interessant«, sagte Vaselin und starrte Anton an.
Natascha griff nach dem roten Klappausweis und schlug ihn auf.
»Oberleutnant …« Sie sah Anton an, leckte sich die trockenen Lippen und flüsterte: »Mein Gott, das hat gerade noch gefehlt. Was ist passiert?«
»Nikolai, was ist mit Ihnen? Das Herz, ja? Soll ich einen Arzt rufen?« Die Sekretärin Nastja war ehrlich besorgt um ihren Chef, trotzdem glitten ihre neugierigen Augen immer wieder zu den auf dem Fußboden verstreuten Fotos.
»Nein«, sagte Sazepa, »keinen Arzt. Mir geht es gut.«
Er hatte fast sofort aufgehört zu schreien, als sie hereinkamen. Er saß auf dem Fußboden vor dem Sofa, blass, tränennass und so gealtert, dass Solowjow ihn nur mit Mühe erkannte, als wäre der Mann auf dem Foto im Internet nicht Sazepa, sondern sein zehn Jahre jüngerer Bruder.
»Bring mir was gegen Kopfschmerzen und was zur Beruhigung, Nastja«, bat Sazepa mit schwerer Zunge.
Inzwischen sammelte Solowjow die Fotos auf und half Sazepa auf das Sofa.
»Sind Sie sicher, dass Sie keinen Arzt brauchen?«
»Ja.«
»Können Sie jetzt sprechen?«
»Ja. Ich will’s versuchen. Ich habe starke Kopfschmerzen.«
Solowjow setzte sich Sazepa gegenüber in einen Sessel, wies mit einem Kopfnicken auf den Umschlag und fragte: »Woher haben Sie das?«
»Das hat mir jemand ins Auto gelegt.«
»Wann?«
»Heute Morgen.«
»Kennen Sie sie?«
Sazepa verzog qualvoll das Gesicht und schüttelte langsam und schwer den Kopf.
»Nein.«
»Sind Sie sicher?«
Er schwieg. Die Sekretärin kam mit Tabletten und Wasser. Beim Trinken schlugen seine Zähne gegen das Glas.
»Sie sind also sicher, dass Sie dieses Mädchen nicht kennen?«, fragte Solowjow, als Nastja wieder draußen war, und reichte Sazepa das erste Foto, die Großaufnahme.
»Ich habe sie noch nie gesehen«, flüsterte Sazepa und wandte sich ab.
Solowjow legte das Foto beiseite, stand auf und lief in dem schönen, geräumigen Büro auf und ab. Sazepa saß auf dem Sofa, die Hände im Schoß gefaltet, und starrte vor sich hin. Aus seinen Augen rannen Tränen, aber das bemerkte er nicht.
»Die Flecke an ihrem Hals sind Würgemale«, sagte Solowjow. »Sie ist freiwillig zu ihrem Mörder ins Auto gestiegen. Sie kannte ihn und hatte keine Angst vor ihm. Sie
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