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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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erkundigt hatte, blieb mit offenem Mund stehen.
    »Was? Moment mal, seine Tochter, Shenja Katschalowa, die aus dem Videoclip, die geht in unsere Schule, in meine Parallelklasse.«
    »Genau die wurde umgebracht.«
    »Quatsch! Ich hab sie doch vor kurzem noch in der Schule gesehen. Wer soll das getan haben und warum?«
    »Angeblich ein Psychopath. Oder jemand, der mit ihrem Vater eine Rechnung begleichen wollte. Ist alles möglich. Na, sie ist selber schuld. Sie soll sich ja mit Vaselin eingelassen haben, und der hat einen Haufen Gestörte und Drogensüchtige um sich.«
    Die Menge bewegte sich lärmend weiter, und Olga wurde von den Mädchen getrennt.
    Da haben wir ja gleich mehrere Hypothesen, dachte Olga. Rache, Erpressung oder das, was im Kriminalistenjargon »Tod infolge der Lebensweise« genannt wird. Meist in Bezug auf Obdachlose, Prostituierte und Drogensüchtige. Die Tochter von Katschalow war natürlich keine Obdachlose. Aber Prostitution und Drogen sind nicht auszuschließen.Und wenn es doch ein Nachahmer war? Warum nicht? Die Sache vor anderthalb Jahren hatte in der Presse viel Staub aufgewirbelt. Und wo drei Jugendliche getötet wurden, konnte auch eine vierte Leiche auftauchen. Im Showgeschäft war viel Geld im Umlauf, auch kriminelles. Dieser Katschalow stand schon lange auf der Bühne, seit Ende der Siebziger, und hatte bestimmt auch dubiose Beziehungen. Aber wer hätte seine Tochter umbringen sollen? So etwas taten selbst die schlimmsten Banditen nur selten. Entführung, Erpressung, das ja, aber ein Mord, noch dazu ein derartig inszenierter – wozu?
    Olga kämpfte sich durch die Menge, und neben ihr tauchte eine lange, dürre Gestalt in Tarnhose und grünem T-Shirt auf.
    »Doktor Filippowa? Ich bin der Aufnahmeleiter der ›Ermittlungsgeheimnisse‹. Kommen Sie.«
    Wortlos führte er sie durch das Foyer zur Treppe. Olga stieß ständig mit anderen Menschen zusammen, weil in ihrem Kopf wieder einmal ein Dialog mit Moloch ablief. Das heißt, vorerst war es nur ein Monolog. Sie stellte Fragen und erhielt keine Antworten.
    Wie konntest du das Handy am Tatort lassen? Verlierst du deine Form? Nicht genug, dass zum ersten Mal ein Opfer identifiziert werden konnte, es ist auch noch die Tochter eines Prominenten. Hast du das gewusst? Wolltest du gerade sie töten, Shenja Katschalowa? Oder konntest du dich nach tatenlosen anderthalb Jahren nicht mehr beherrschen, und es war dir egal, dass man dich leichter finden kann, wenn das Opfer identifiziert ist? Oder hältst du dich für unverwundbar?
    Der Sendeleiter stakste auf seinen Storchenbeinen voran, bahnte Olga den Weg zur Garderobe und verschwand.
    Der Maskenbildner, ein femininer junger Mann, begrüßte sie.
    »Na, dann wollen wir mal das Gesicht machen, ja?«, flötete er, hob Olgas Kopf an und warf ihr mit einer schwungvollen Bewegung einen Umhang um.
    Im Spiegel erschien das Gesicht des Moderators Mischa Ossipow. Auch er wurde geschminkt, und um keine Zeit zu verlieren, versorgte er Olga dabei mit den Informationen, die sein Team zusammengetragen hatte.
    Auf einem Tisch lagen, mit rosa Puder bestäubt, Fotos des toten Mädchens. Die hatten sie dem Nachrichtenkorrespondenten abgekauft, der als Erster am Tatort gewesen war. Die Fotos waren nicht sehr gut, aber Olga erkannte den typischen Glanz der Haut vom Babyöl, zusammengedrehte Rastazöpfe und ein glattrasiertes Schambein.
    Ein paarmal war auch Dima Solowjow im Bild, ziemlich verwaschen, aber Olga sah, wie düster und konzentriert er war.
    »Katschalow hat sechs Kinder von verschiedenen Frauen. Shenja hat in einem seiner Videoclips mitgespielt. Vielleicht kennen sie ihn sogar, er läuft ziemlich oft. Er heißt »Sei nicht traurig, Kätzchen«.
    »Nein, den habe ich nicht gesehen.«
    »Wir zeigen ihn im Vorspann zur Sendung. Sagt Ihnen der Name Vaselin etwas?«
    »Ja. Vor einigen Monaten wurde bei mir ein Junge mit akuter Psychose eingeliefert, ein Fan dieses Sängers.« Olga runzelte die Brauen, und der Maskenbildner klopfte gegen ihre Stirn.
    »Sie behindern meine Arbeit!«
    »Entschuldigen Sie.« Olga lächelte, und der Maskenbildner versetzte ihr einen leichten Klaps auf die Lippen.
    »Schon wieder. Können Sie bitte mal drei Minuten stillhalten? Und bitte die Augen schließen.«
    Olga fügte sich, verstummte, senkte die Lider und spürte, dass sie einschlief. Es war ein langer, anstrengender Tag gewesen. Sie war seit halb acht auf den Beinen, und jetzt war es zehn Uhr abends.
    »Tatsächlich? Können

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