In Ewigkeit verflucht
Gesicht löste sich die Haut ebenfalls ab, nachdem sie ihre Farbe verloren hatte und zu einer grauen Pelle geworden war, die langsam und wie von Geisterhand abgezogen wurde.
Er hätte schreien müssen. Schreien vor Schmerzen. Genau das tat er nicht. Die Haut löste sich immer stärker, sie rollte sich auf, aber sie fiel nicht ab.
Er sah seine Knochen.
Er sah kein Blut!
Noch immer ließen die Schmerzen auf sich warten. Warum kamen sie nicht? Reto konnte es nicht fassen. Er starrte sich weiterhin an und konnte nicht glauben, dass er es war, der dies alles erlebte. Das war nicht zu erklären. Er hob verzweifelt die Hände.
Reto schaute seine Finger an. Knochenfinger. Schrecklich. Keine Haut mehr. Alles war weg, bis auf wenige Reste.
Er schluckte. Das konnte er noch. Seine inneren Organe reagierten wie bei einem normalen Menschen. Plötzlich war auch sein Kopf wieder frei. Er dachte daran, dass es kein Zurück mehr gab und er weiterhin als Skelett durch die Welt gehen würde.
Es erschreckte ihn seltsamerweise nicht. Er konnte denken, und das brachte ihn wieder zu seiner Verlobten. Er hatte Elisa gehasst, doch in diesem Augenblick fühlte er sich ihr verbunden. Das Band baute sich wieder stärker auf. Er musste auch an die Szene in der Kirche denken, in der plötzlich das Skelett erschienen war. Damals hatte er es nicht begriffen, jetzt dachte er anders darüber. Für ihn war es so etwas wie ein Hüter oder Beschützer. Seine Verlobte hatte sich diesem Monstrum angeschlossen oder war selbst zu einem solchen geworden. Jedenfalls wurde sie als Königin von anderen Menschen verehrt, und das machte ihn stolz.
Ja, er war stolz darauf, dass sie zu ihm gehörte. So und nicht anders musste es sein. Sie beide waren ein wunderbares Paar, und sie würden es bleiben, auch in dem neuen Zustand.
Liebe bis über den Tod hinaus!
So etwas gab es! Er hatte es selbst erlebt und war noch dabei, es weiterhin zu erleben. Er würde sich ihr anschließen und in ihre Gruppe eintreten.
Noch einmal schaute er sich an. Er blickte in seine Augenhöhlen hinein. Dort war der Inhalt noch nicht verschwunden. Es gab ihn weiterhin, er schaute in seine eigenen Pupillen, aber er sah auch als krassen Gegensatz dazu das Schimmern der Knochen.
Er spürte sogar die Gänsehaut, die über seinen Rücken rann, obwohl kein normaler Rücken mehr vorhanden sein konnte und nur noch die nackte Wirbelsäule da war.
Oder war die Haut trotzdem noch vorhanden? Hatte er sich geirrt? Reto schaute nach. Er besah sich seine Hände. Die Knochen schimmerten durch, doch er sah auch etwas anderes. Eine dünne Schicht, die darüber lag. Dabei musste er schon genau hinsehen und freute sich darüber, dass er sich nicht geirrt hatte.
Es gab sie noch. Sie hatte sich nur verändert. Sie lag jetzt fast durchsichtig auf seinem Gesicht und dem Körper. Auch das Grau war fast völlig verschwunden, und trotzdem konnte er sich keinesfalls als Mensch fühlen.
Er war ein Monster und ein Mensch! Beides in einem. Plötzlich passte es. Er riss den Mund weit auf und schaute in eine Kehle, die normal geblieben war.
Mensch und Monster!
Gab es eine bessere Verbindung?
Er konnte wieder lachen. Es hörte sich alles andere als normal an. Das Gelächter war wie eine akustische Peitsche. Es hörte sich bösartig an. Wehe den Personen, die sich ihm in den Weg stellen wollten. Die bekamen den ganz großen Ärger, und es würde damit enden, dass sie später tot vor seinen Füßen lagen.
Er leckte über seine Lippen!
Ja, es gab sie noch. Zwar kaum zu fassen, aber zwei raue Wülste waren vorhanden.
Der Mund verzog sich in die Breite. Er schaute in seine Augen hinein und sah darin das Leuchten. Für ihn war es ein Ausdruck der Kraft, und die würde er gegen seine Feinde einsetzen. Was hatte er Elisa verflucht. Das gehörte der Vergangenheit an. Jetzt stand er voll und ganz auf ihrer Seite. Nur anders als früher.
Reto Kirchner drehte sich vom Spiegel weg. Trotz seines veränderten Körpers schaffte er es, sich geschmeidig zu bewegen. Es klapperte auch nichts. Da war kein Knirschen zu hören. Es gab bei den Bewegungen keinen Unterschied zum normalen Menschsein, und das freute ihn außerordentlich. Wenn Reto ehrlich gegen sich selbst war, gab es in seinem Innern keine Veränderung. Er fühlte sich noch immer als Mensch. Allerdings mit einem Unterschied. Er war jetzt stärker. Er würde sich durchsetzen können. Er würde es nicht mehr zulassen, dass man ihn in eine Klinik einsperrte.
Er war
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