In feinen Kreisen
Und immer verschrieb sie sich irgendeiner hoffnungslosen Sache und hörte nicht darauf, wenn jemand sie davon abbringen wollte.
Und er hatte sich einverstanden erklärt, ihr nicht nur mit seinem Rat zur Seite zu stehen, sondern auch die Verteidigung in die Hand zu nehmen. Jetzt, da er eingewilligt hatte, würde sie nicht zulassen, dass er einen Rückzieher machte – ebenso wenig wie er selbst. Und außerdem würde er sich Monk gegenüber niemals die Blöße geben, eine Sache kampflos aufzugeben.
Also hatte er jetzt einen Fall übernommen, den er nicht gewinnen konnte. Er hätte wütend auf sich selbst sein müssen, anstatt dazusitzen und in Gedanken bereits die verschiedenen Möglichkeiten abzuwägen und sich verschiedene Strategien auszudenken.
Beide Frauen waren der Verschwörung und des Mordes angeklagt. Die Strafe würde zweifellos der Tod sein. Rathbone hatte zu Recht eine hohe Meinung von seinen Fähigkeiten, aber die Hindernisse, die sich ihm bei diesem Fall entgegenstellten, schienen unüberwindlich.
Er rief seinen Angestellten herein und ließ sich seine Termine für die nächsten beiden Tage sagen. Es war nichts dabei, das sich nicht hätte verschieben oder einem anderen übertragen lassen. Er bat darum, dass dies geschehen möge und machte sich dann auf den Heimweg, in Gedanken beschäftigt mit Cleo Anderson, Miriam Gardiner und den Verbrechen, die man ihnen zur Last legte.
Am nächsten Morgen fand Rathbone sich im Polizeirevier von Hampstead ein. Er erklärte dem diensthabenden Sergeant, dass er der Strafverteidiger sei, den Cleo Andersons Rechtsbeistand mit dem Fall betraut habe, und dass er sie unverzüglich zu sprechen wünsche.
»Sir Oliver Rathbone?«, fragte der Sergeant überrascht, als er auf die Karte sah, die Rathbone ihm gereicht hatte.
Rathbone machte sich nicht die Mühe, ihm zu antworten.
Der Sergeant räusperte sich. »Jawohl, Sir. Wenn Sie mir bitte folgen wollen, dann bringe ich Sie zu den Zellen… Sir.« Er führte Rathbone durch den engen Korridor und die Treppe hinunter, bis sie schließlich vor dem eisernen Tor mit dem großen Schloss standen. Der Schlüssel quietschte, als der Sergeant ihn umdrehte, dann schwang die Tür auf.
»Hier ist Ihr Verteidiger«, sagte er, und sein Tonfall verriet Erstaunen und Ungläubigkeit.
Rathbone bedankte sich bei ihm und wartete, bis er die Tür geschlossen hatte und gegangen war.
Cleo Anderson war eine gut aussehende Frau mit ausdrucksvollen Augen und sanften Gesichtszügen, die jetzt jedoch von Gram gezeichnet waren. Sie musterte Rathbone verständnislos und – was ihn mehr bekümmerte – ohne Interesse.
»Mein Name ist Oliver Rathbone«, stellte er sich vor. »Ich bin hergekommen, um herauszufinden, ob ich Ihnen in Ihrer schwierigen Lage behilflich sein kann. Alles, was Sie mir mitteilen, wird absolut vertraulich behandelt, aber Sie müssen mir die Wahrheit sagen, sonst kann ich Ihnen nicht beistehen.« Ihre Miene drückte Ablehnung aus. Er setzte sich ihr gegenüber auf den einzigen, harten Stuhl in der Zelle. »Ich komme im Auftrag von Miss Hester Latterly.« Zu spät fiel ihm ein, dass er »Mrs. Monk« hätte sagen müssen.
»Das hätte sie nicht tun sollen«, sagte Cleo traurig. Ihre Stimme klang rau und verriet ihre aufgewühlten Gefühle. »Sie ist eine hilfsbereite Frau, aber sie hat nicht die Mittel, um jemanden wie Sie zu bezahlen. Es tut mir Leid, dass Sie sich umsonst herbemüht haben, aber hier ist kein Auftrag für Sie zu holen.«
Diese Antwort hatte er erwartet.
»Sie sagte mir, dass Sie gewisse Medikamente aus dem Krankenhaus entwendet hätten, um damit Patienten zu versorgen, die sie dringend benötigten, dafür aber nicht zahlen konnten.«
Cleo schwieg.
Er hatte kein Geständnis erwartet. »Wenn dem so war, wäre es natürlich Diebstahl gewesen und gesetzwidrig«, fuhr er fort.
»Aber es wäre gleichzeitig auch eine Tat, die viele Menschen bewundern würden.«
»Mag sein«, stimmte sie ihm mit einem kleinen Lächeln zu.
»Aber es ist und bleibt Diebstahl, ganz wie Sie sagten. Wollen Sie, dass ich es zugebe? Würde es Miriam helfen, wenn ich es täte?«
»Das war nicht Sinn und Zweck meiner Frage, Mrs. Anderson«, sagte er, ohne ihrem Blick auszuweichen. »Aber jemand, der etwas Derartiges tut, stellt offensichtlich das Wohlergehen anderer Menschen über sein eigenes. So weit ich sehen kann, handelt es sich um eine Tat beziehungsweise um eine ganze Reihe von Taten, aus denen der Täter keinen Profit gezogen
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