In feinen Kreisen
bevor es richtig begonnen hatte.« Er hielt einen Moment inne.
Rathbone wartete.
»Ich wusste es damals nicht«, fuhr Campbell mit offenkundiger Mühe fort. »Aber sie war schwanger. Sie ließ es abtreiben.«
Jemand im Saal schrie auf, eine Frau kreischte. Es gab einige Unruhe im Saal, da anscheinend jemand ohnmächtig geworden war.
Der Richter klopfte mit seinem Hammer auf den Tisch, aber diese Geste machte kaum Eindruck.
Miriam schien sich erheben zu wollen, aber die Wärter, die zu ihren beiden Seiten postiert waren, zogen sie zurück.
Rathbone warf einen Blick auf die Geschworenen. Ihre Gesichter spiegelten tiefes Entsetzen und Verachtung wider.
Der Richter ermahnte abermals mit seinem Hammer zur Ruhe. »Ich verlange Ordnung!«, sagte er ärgerlich. »Ansonsten werden die Gerichtsdiener den Saal räumen!«
Tobias sah zu Rathbone hinüber und schüttelte den Kopf.
Als der Lärm verebbte und bevor Rathbone das Wort ergreifen konnte, sprach Campbell weiter: »Das muss der Grund gewesen sein, warum sie blutete, als Mrs. Andersen sie fand, wie sie durch die Heide irrte.« Er schüttelte den Kopf, als wolle er leugnen, was er nun sagen würde, als wolle er die Abscheulichkeit all dessen ein wenig abmildern. »Zuerst wollte ich auch sie nicht aus dem Haus werfen. Sie war so jung. Ich dachte – ein einziger Fehler – und es war eine barbarische Abtreibung – sie war immer noch…« Er zuckte mit den Schultern. Dann hob er den Kopf und sah Rathbone an. »Aber sie machte weiter, forderte ständig die Männer heraus, hetzte sie gegeneinander auf. Sie genoss die Macht, die sie über sie hatte. Ich hatte keine andere Wahl, als sie auf die Straße zu setzen.«
Ein mitfühlendes Raunen ging durch den Saal, und eine Woge der Empörung folgte darauf. Ein oder zwei Männer fluchten leise. Zwei Geschworene sprachen miteinander. Sie blickten zur Anklagebank. Ihre Entscheidung stand ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben.
Ein Journalist machte sich hektisch Notizen.
Tobias musterte Rathbone und lächelte mitfühlend, aber ohne sein eigenes Gefühl des Triumphes zu verhehlen. Er erwartete keine Schonung, wenn er verlor, genauso wenig wie er einen anderen schonte.
»Ich wünschte, ich hätte das nicht aussprechen müssen«, sagte Campbell an Rathbone gewandt. »Ich habe bisher gezögert, es Harry zu erzählen, weil ich mir zuerst nicht ganz sicher war, ob es sich um dieselbe Person handelte. Es schien undenkbar, und natürlich war sie in dreiundzwanzig Jahren sehr gealtert. Ich wollte einfach nicht glauben, dass sie es war… das verstehen Sie doch? Ich nehme an, ich habe es mir dann endlich doch eingestanden, als ich sah, dass auch sie mich wieder erkannte.«
Es blieb Rathbone nichts mehr zu sagen, keine Frage mehr zu stellen. Es war das Letzte, was er hatte vorhersehen können, und wahrscheinlich würde Hester sich jetzt genauso niedergeschlagen fühlen wie er. Er nahm wieder Platz.
Tobias erhob sich und ging ein wenig breitbeinig durch den Saal. Oliver Rathbone zu schlagen, das war ein Sieg, der ausgekostet werden wollte, selbst wenn es lächerlich einfach gewesen war.
»Mr. Campbell, mir bleibt nur noch sehr wenig zu fragen. Sie haben uns weit mehr gesagt, als wir uns hätten vorstellen können.« Er sah zu Rathbone hinüber. »Ich denke, das gilt für meinen gelehrten Freund ebenso wie für mich! Trotzdem, ich habe den Wunsch, einige Dinge klar zu stellen… für den Fall, dass Mrs. Gardiner beschließt, selbst in den Zeugenstand zu treten und Anschuldigungen gegen Sie vorzubringen, wie Mrs. Andersen es angedeutet hat – die möglicherweise von Mrs. Gardiners jugendlichen Heldentaten genauso wenig wusste wie wir übrigen.«
Campbell erwiderte nichts, sondern wartete darauf, dass Tobias weitersprach.
»Mrs. Gardiner floh, als ihr klar wurde, dass Sie sie erkannt hatten – das zumindest ist Ihre Auffassung?«
»Ja.«
»Sind Sie ihr gefolgt?«
»Nein, natürlich nicht. Dafür gab es keinen Grund.«
»Sie sind auf dem Gartenfest geblieben?«
»Nicht direkt auf dem Gartenfest. Ich bin am Cleveland Square geblieben. Die Angelegenheit hat mich sehr erregt. Ich habe mich ein wenig weiter in den Garten zurückgezogen, um allein zu sein und darüber nachzudenken, was ich tun sollte… und was ich sagen könnte, wenn der Rest der Familie bemerken würde, dass sie verschwunden war.«
»Und zu welchem Entschluss sind Sie gekommen, Mr. Campbell?«
»Zu schweigen«, antwortete Campbell. »Ich wusste, dass diese
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