In feinen Kreisen
erwiderte er. »Es war ein Gefühl, als koche das Meer selbst, überall war Dampf und feuchter Nebel. Die Luft war so dick, dass man das Gefühl hatte, sie trinken zu können.«
»Ich glaube, das kann man hier auch, wenn es nur kalt genug ist!«, sagte sie mit einem Lachen.
»Jawohl! Und im Norden war ich auch!«, erklärte er mit Begeisterung. »Da ragten gewaltige Mauern aus Eis aus dem Meer. So etwas haben Sie noch nie gesehen, mein Kind: Es war schön und schrecklich zugleich. Und wenn man in ihre Nähe kam, gefror einem der Atem zu einem weißen Nebel.«
Sie drehte sich um und lächelte ihn an, dann begann sie den Tee aufzubrühen. »Mrs. Anderson musste für ein Weilchen verreisen. Wenn ich richtig verstanden habe, ist jemand aus ihrer Familie erkrankt.« Sie spülte die Kanne mit kochendem Wasser aus, dann gab sie frische Blätter hinein und goss den Rest des Wassers aus dem Kessel darüber. »Sie hat mich gebeten, Sie an ihrer Stelle zu besuchen. Ich denke, sie wusste, wie sehr mir das gefallen würde. Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden?«
Er sah sie mit unverhohlener Freude an. »Klar bin ich das. Dann können Sie mir von einigen der Orte erzählen, an denen Sie gewesen sind. Ich würde gern was über diese Türken hören. Obwohl Cleo mir fehlen wird. Eine gute Frau, die Cleo. Keine Mühe war ihr zu viel. Und ich hab oft gesehen, dass sie zum Umfallen müde war. Ich hoffe, ihre Familie weiß, was sie an ihr hat.«
»Davon bin ich überzeugt«, sagte sie bestimmt. »Und ich sorge dafür, dass sie die Nachricht erhält, dass es Ihnen gut geht.«
»Das machen Sie mal, Mädchen. Und sagen Sie ihr, ich hätte mich nach ihr erkundigt.«
»Das werde ich tun.« Plötzlich fiel es ihr schwer, nicht die Beherrschung zu verlieren. Am liebsten wäre sie in Tränen ausgebrochen, obwohl nichts sich geändert hatte. Sie putzte sich die Nase, stellte die Teetassen auf den Tisch und legte die Kekse – die besten, die sie finden konnte – dekorativ auf einen Teller. Hester wollte, dass dieser Nachmittag ein Fest werden sollte.
Hester sprach Monk erst auf das Thema an, nachdem sie gegessen hatten. Sie beobachteten schweigend, wie das letzte Licht hinter den Fenstern verblasste.
Natürlich hatte sie nicht die geringste Absicht, John Robb auch nur zu erwähnen, geschweige denn, Monk mitzuteilen, dass sie jetzt statt Cleo für ihn sorgte.
»Was können wir tun, um Cleo Anderson beizustehen?«, fragte sie, als bestehe nicht der geringste Zweifel, dass sie ihr helfen würden.
Er hob ruckartig den Kopf. Sie wartete ab.
»Alles, was wir bisher getan haben, hat es nur noch schlimmer gemacht«, sagte er bekümmert. »Wenn wir der armen Frau einen Dienst erweisen wollen, lassen wir sie wohl am besten einfach in Ruhe.«
»Wenn wir das tun, wird sie möglicherweise gehängt!«, wandte Hester ein. »Und das wäre ein großes Unrecht. Treadwell war ein Erpresser. Sie mag dem Gesetz nach ein Verbrechen begangen haben, aber eine moralische Verfehlung war es nicht. Wir müssen etwas unternehmen. Es ist ein Gebot der Menschlichkeit.«
»Ich werde dafür bezahlt, Fakten aufzudecken, Hester«, sagte er leise. »Alles, was ich bisher herausgefunden habe, deutet darauf hin, dass Cleo ihn getötet hat. Ich habe wirklich Mitleid mit ihr und Gott weiß, dass ich an ihrer Stelle vielleicht das Gleiche getan hätte.«
In seinem Gesicht zuckte ein Muskel, und sie wusste, dass er an die Vergangenheit dachte. Auch sie erinnerte sich an Joscelin Grey und die Wohnung am Mecklenburgh Square und wie nahe Monk damals daran gewesen war, zum Mörder zu werden.
»Aber vor dem Gesetz ist das keine Rechtfertigung«, fuhr er fort. »Wenn sie ihn tatsächlich getötet hat, könnte es mildernde Umstände geben, doch dann müsste sie sagen, was geschehen ist, und ich könnte Beweise dafür suchen, falls es welche gibt.«
Sie zögerte noch, ihn nach Oliver Rathbone zu fragen. Zu viele Gefühle waren hier im Spiel, alte Freundschaft, alte Liebe und vielleicht Schmerz. Sie wusste nicht, wie die Dinge standen. Sie hatte Rathbone seit ihrer Heirat nicht mehr gesehen, aber sie erinnerte sich sehr deutlich an den Abend, an dem Rathbone sie um ein Haar gebeten hätte, seine Frau zu werden. Er hatte seine Absicht nur deshalb nicht verwirklicht, weil sie ihn hatte wissen lassen, dass sie seinen Antrag nicht annehmen konnte, noch nicht. Und er hatte den Augenblick verstreichen lassen.
»Es geht nicht nur um das, was passiert ist«, begann sie zögernd.
Weitere Kostenlose Bücher