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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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»Es geht um die Interpretation, die richtigen Argumente, wenn du so willst.«
    Monk musterte sie ernst, bevor er ihr eine Antwort gab. In seinem Gesicht lag kein Tadel, nur Kummer. »Du forderst mildernde Umstände? Meinst du nicht, dass du damit falsche Hoffnungen in ihr wecken würdest?«
    »Aber wir müssen es wenigstens versuchen… nicht wahr? Wir können doch nicht kampflos aufgeben.«
    »Was willst du tun?«
    Sie sprach aus, womit er gerechnet hatte. »Wir könnten Oliver fragen…« Sie holte tief Luft. »Wir könnten ihm die Sache doch zumindest schildern und uns seine Meinung anhören?« Sie formulierte ihre Bitte als Frage.
    Sie konnte keine Veränderung in seiner Miene erkennen, keinen Ärger, keine Anspannung.
    »Natürlich«, pflichtete er ihr bei. »Aber erwarte nicht zu viel.«
    Sie lächelte. »Nein… es ist nur ein Versuch.«
    Als Hester in der Dunkelheit erwachte, nahm sie eine Bewegung wahr; Monk drehte sich auf die Seite, um aus dem Bett zu steigen. Unten klopfte jemand an die Haustür, nicht allzu laut, aber dafür umso beharrlicher.
    Monk zog sein Jackett über das Nachthemd. Hester richtete sich auf und sah ihm nach. Sie hörte, wie die Tür geöffnet und einen Augenblick später wieder geschlossen wurde.
    Als Nächstes nahm sie den Schein der Lampe im Korridor wahr, als das Gas entzündet wurde.
    Sie konnte es nicht länger ertragen, schlüpfte aus dem Bett und zog sich einen Morgenmantel über. Monk kam ihr auf der Treppe entgegen, ein Stück Papier in der Hand. Sein Gesicht war düster und in seinem Blick lag tiefe Bestürzung.
    »Was ist passiert?«, sagte sie atemlos.
    »Verona Stourbridge.« Seine Stimme zitterte ein wenig. »Sie ist ermordet worden! Auf die gleiche Weise wie Treadwell. Ein einziger, kräftiger Schlag auf den Kopf… mit einem Krocketschläger.« Seine Faust schloss sich um das weiße Papier. »Robb hat mich gebeten hinzufahren.«

8
    Monk brauchte fast eine Viertelstunde, um einen Hansom aufzutreiben; er ging zuerst die Fitzroy Street entlang bis zur Tottenham Court Road, dann Richtung Süden, zur Oxford Street.
    Hester war wütend gewesen, dass sie zu Hause bleiben musste, aber es hätte sich nicht gehört, sie mitzunehmen. Sie hatte keine Einwände gegen seine Argumente erhoben, nur innerlich gekocht, weil sie sich hilflos fühlte und genauso durcheinander war wie er.
    Es war eine schöne Nacht. Eine dünne Wolkenschicht schob sich am leuchtend hellen Mond vorbei. Die Luft war mild, die Pflastersteine gaben noch immer etwas von der Hitze des Tages ab. Seine Schritte hallten laut durch die Stille der Straßen. Eine Kutsche kam aus der Percy Street und fuhr Richtung Bedford Square, und das Mondlicht schimmerte einen Augenblick lang auf blankpolierten Türen und den Flanken der Pferde. Wer auch immer Verona Stourbridge ermordet hatte, Cleo Anderson konnte es nicht sein. Sie saß sicher hinter Schloss und Riegel auf dem Polizeirevier von Hampstead.
    Was konnte dieses neue, schreckliche Ereignis mit dem Tod von James Treadwell zu tun haben?
    Monk erblickte auf dem Fußweg an der Ecke zur Oxford Street einige Passanten, zwei Männer und eine Frau, die lachten.
    Er versuchte, sich Mrs. Stourbridge vorzustellen, wie er sie bei ihrer Begegnung erlebt hatte. Es gelang ihm nicht, sich an ihre Gesichtszüge oder die Farbe ihrer Augen zu erinnern. Was sich ihm eingeprägt hatte, war eine gewisse Verletzlichkeit. Hinter dem sicheren Auftreten und den schönen Kleidern verbarg sich eine Frau, für die Angst nichts Unbekanntes war.
    Oder vielleicht empfand er das nur jetzt so, da sie tot war…
    ermordet.
    Es musste ein Mitglied ihrer eigenen Familie gewesen sein, ein Dienstbote – oder Miriam. Aber warum sollte Miriam sie töten, es sei denn, sie war wirklich verrückt.
    Er bog um die Ecke und ging am äußersten Rand des Gehwegs in der Oxford Street entlang, wobei er die ganze Zeit über die Straße im Auge behielt, falls eine Droschke auftauchte. Die Erinnerung an Miriam fiel ihm nicht schwer, an die großen Augen, das sanft gewellte Haar, den ausdrucksvollen Mund. Ihr Verhalten hatte scheinbar jeder vernünftigen Grundlage entbehrt, aber er glaubte keinen Moment lang, dass ihr Verstand durch Wahnsinn getrübt war. Sie machte den Eindruck eines Menschen, dessen geistige Gesundheit durch nichts zerrüttet werden konnte.
    Ein Hansom verlangsamte sein Tempo. Monk winkte ihn heran und nannte dem Fahrer dann die Adresse der Stourbridges am Cleveland Square. Der Droschkenkutscher gab

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