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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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werden später nach dem Grund forschen«, antwortete Monk. »Lassen Sie uns jetzt zuerst mit Major Stourbridge sprechen.«
    Robb drehte sich widerstrebend um und folgte Monk durch den Korridor.
    Harry Stourbridge empfing sie in der Bibliothek. Er war mit einem dunklen Anzug bekleidet. Sein blondes Haar stand ihm in Büscheln vom Kopf, und seine Augen lagen tief in ihren Höhlen. Er sagte nichts, sondern blickte nur zwischen Robb und Monk hin und her.
    »Bitte, nehmen Sie Platz, Major Stourbridge«, sagte Robb verlegen. Er wusste nicht, ob er einen Gatten vor sich hatte, der einen schrecklichen Verlust erlitten hatte und sein Mitleid verdiente, oder einen Verdächtigen, dem man nur mit Verachtung gegenübertreten konnte.
    Stourbridge gehorchte. Seine Beine schienen unter ihm nachzugeben, und er fiel mehr auf den Sessel, als dass er sich setzte.
    Robb nahm ihm gegenüber Platz, und Monk ging auf den dritten der Stühle zu.
    Mit leiser, belegter Stimme schilderte Stourbridge noch einmal die Sache mit der vergessenen Nachricht, wie er sein eigenes Zimmer verlassen hatte und durch den Flur gegangen war. Er hatte niemanden sonst gesehen oder gehört, dann hatte er an die Tür seiner Frau geklopft und war eingetreten.
    Monk unterbrach ihn. »Brannte im Zimmer Ihrer Frau noch Licht, Sir?«
    »Nein… jedenfalls nicht das Hauptlicht, nur die Lampe an der Wand.« Er drehte sich um, um ihm einen überraschten Blick zuzuwerfen. »Hat das etwas zu bedeuten? Sie schläft immer bei Licht. Sie mag die Dunkelheit einfach nicht. Sie braucht nicht viel Licht, aber genug, um ein wenig sehen zu können.«
    »Aber doch genug, falls sie mit jemandem gesprochen hat?«, hakte Monk nach.
    »Ja, möglicherweise. Wenn es jemand war… jemand, den sie gut kannte. Man würde im Schlafzimmer keine Dienstboten…« Er brach ab und wieder trat Unsicherheit in seine Züge.
    »Wir haben bereits festgestellt, dass es keiner der Dienstboten war«, sagte Robb leise. »Damit bleibt nur die Familie und natürlich Mrs. Gardiner.«
    Stourbridge sah aus, als hätte man ihm einen Schlag versetzt.
    »Das ist unmöglich«, stammelte er. »Niemand würde…« Er war ein erfahrener Soldat und hatte im Krieg Gewalt und Schmerz kennen gelernt. Nur wenige Dinge konnten ihn erstaunen oder in Angst und Schrecken versetzen, aber dieses Erlebnis hatte ihn zutiefst aufgewühlt. Er wandte sich an Monk.
    Monk konnte nichts an dem Geschehenen ändern, aber er konnte die Art und Weise, wie damit umgegangen wurde, ein wenig abmildern.
    »Wir müssen mit allen Anwesenden sprechen«, sagte er und sah Stourbridge dabei in die Augen. »Sobald wir all das ausgeschlossen haben was nicht sein kann, werden wir mehr darüber wissen, was geschehen ist.«
    »Was? O ja, ich verstehe. Ich glaube allerdings nicht, dass ich Ihnen weiterhelfen kann.« Er schien sich alle Mühe zu geben, sich zu konzentrieren. »Ich glaube, Aiden hat sich ziemlich früh auf sein Zimmer begeben. Er wollte noch einige Briefe schreiben. Er ist eine ganze Weile nicht in seinem Haus gewesen. Verona… er war Verona immer eine große Stütze. Die beiden haben sich sehr nahe gestanden. Ich…« Er holte tief Luft und rang um Fassung. »Ich war in den ersten Jahren unserer Ehe viel außer Haus. Militärische Pflichten.« Er sah an Monk vorbei in die Ferne. »Eine junge Soldatenfrau hat es nicht leicht. Ich wurde häufig in Länder geschickt, in die sie mich nicht begleiten konnte. Keine entsprechenden Einrichtungen für Frauen, verstehen Sie? Wir zogen von Schlacht zu Schlacht und waren ständig unterwegs. Es mangelte ihr nicht an Mut, aber es fehlte die körperliche Kraft. Sie…« Er blinzelte heftig, »sie hatte mehrere Fehlgeburten… immer ganz zu Anfang der Schwangerschaft. Lucius war… ein lang ersehntes Kind. Sie war fünfunddreißig. Wir hatten schon fast alle Hoffnung aufgegeben.« Seine Stimme brach. »Sie sehnte sich so sehr nach einem Kind.«
    Monk widerstrebte es, ihn zu unterbrechen, obwohl er vom Thema abschweifte.
    »Wenn ich in Ägypten und dem Sudan war«, fuhr er fort, »wo ich mich ziemlich viel aufgehalten habe, war Aiden immer bei ihr.«
    »Mrs. Gardiner…?«, unterbrach Robb ihn.
    Stourbridge riss den Kopf hoch. »Nein! Nein – ich kann nicht glauben, dass sie es war.«
    Monk konnte es ebenso wenig glauben, und doch gab es nicht allzu viele Alternativen, die ihm mehr zugesagt hätten. Natürlich war es denkbar, dass Stourbridge selbst log, aber diese Möglichkeit war nicht

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