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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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    »Um wie viel Uhr zog sie sich für die Nacht zurück?«, fragte er. »Vielleicht geben Sie mir einen Bericht über den Ablauf des ganzen Abends, angefangen von dem Zeitpunkt, als Sie Ihr Dinner einnahmen.«
    Wieder sah Stourbridge nicht seine Zuhörer an, sondern richtete den Blick nach innen. »Miriam speiste nicht mit uns. Sie sagte, sie fühle sich unwohl und ziehe es vor, in ihrem Zimmer zu essen. Ich glaube nicht, dass es sie interessierte, ob sie überhaupt etwas zu sich nahm oder nicht, sie bat nur deshalb darum, ihr ein Tablett aufs Zimmer zu schicken, weil sie uns einen Gefallen tun wollte. Vielleicht wollte sie auch nur ein Gespräch vermeiden. Überhaupt weigert sie sich, allein mit Lucius zu reden.«
    »Hatten die beiden sich gestritten?«, fragte Robb schnell.
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Das ist es ja gerade, was ich nicht verstehe. Genauso wenig wie Lucius es versteht. Es hat überhaupt keinen Streit gegeben. Sie spricht ganz freundlich mit ihm, weigert sich aber zu erklären, warum sie fortging oder was Treadwell zugestoßen ist. Und da diese Frau, diese Anderson, verhaftet wurde, ist das Thema auch nicht länger von Interesse.« Er runzelte die Stirn. »Sie sitzt immer nur in ihrem Zimmer und weigert sich, mehr zu tun und zu sagen, als unbedingt nötig.«
    »Die Verhaftung von Mrs. Anderson bereitet ihr großen Kummer«, warf Monk ein. »Sie war wie eine Mutter für sie, vielleicht die einzige, die sie je gekannt hat.«
    Stourbridge starrte zu Boden. »Das habe ich ganz vergessen. Natürlich muss sie schrecklich unglücklich sein. Aber ich wünschte, sie würde sich an uns wenden und von uns trösten lassen, anstatt zu versuchen, mit ihrer Trauer allein fertig zu werden. Wir wissen einfach nicht, wie wir ihr helfen sollen.«
    »Niemand kann ihr helfen«, erwiderte Monk. »Sie muss diese Bürde einfach tragen. Bitte, schildern Sie mir, was während des Essens geschah, ich möchte genau wissen, worüber gesprochen wurde, vor allem, wenn es irgendwelche Meinungsverschiedenheiten gab, und seien sie noch so unbedeutend gewesen.«
    Stourbridge blickte zu ihm auf. »Das ist es ja gerade, es hat keine Meinungsverschiedenheiten gegeben. Die Mahlzeit verlief überaus harmonisch. Der einzige Schatten, der darüber lag, war Miriams Schweigen.«
    »Worüber haben Sie gesprochen?«
    Robb beobachtete den Major, dann warf er Monk einen Blick zu.
    Stourbridge zuckte kaum merklich mit den Achseln.
    »Über Ägypten, wenn ich mich recht entsinne. Verona hat mich einmal dort besucht. Es war wunderschön. Die Dinge, die wir zusammen dort erlebt haben! Sie liebte Ägypten, sogar die Hitze und das ungewohnte Essen und die seltsamen Gebräuche der Einheimischen.« Er lächelte. »Sie hat über alles genau Tagebuch geführt, vor allem über die Rückreise den Nil hinunter. Als ich wieder nach Hause kam, erlaubte sie mir, einen Teil des Tagebuchs zu lesen. Auch Lucius durfte einen Blick hineinwerfen. Hätte sie bleiben können, wäre er in Ägypten zur Welt gekommen. Ich denke, es war dieses Wissen, das in ihm den Wunsch weckte, selbst einmal dorthin zu reisen. Es war fast so, als könne er sich durch sie an alles erinnern.« Er hielt jäh inne und die Röte stieg ihm in die Wangen. »Es tut mir Leid. Ich bin sicher, dass all diese Einzelheiten für Sie gar nicht von Interesse sind. Mir fiel nur gerade ein… wie nahe wir uns standen… Es war alles so… normal…«
    »Ist das alles?«, drängte Monk, der immer noch nach etwas suchte, das die Tat erklären würde. Ägypten schien ein so allgemeines Thema zu sein, etwas, das jede halbwegs kultivierte Familie beim Abendessen diskutiert haben konnte.
    »So weit ich mich erinnere, sprach Aiden über politische Neuigkeiten, aber es war nur eine Bemerkung über das Außenministerium, und er erwähnte bloß seine eigene Einstellung zum Thema der nationalen Einigung Deutschlands. Es war alles…«, er schüttelte den Kopf, »…vollkommen bedeutungslos. Verona zog sich zurück, um zu Bett zu gehen, Aiden, um Briefe zu schreiben. Lucius ging für eine Weile in den Garten. Ich weiß nicht, wann er wieder hereinkam, aber das kann Ihnen zweifellos der Lakai sagen.«
    Sie stellten ihm noch weitere Fragen, aber er konnte nichts hinzufügen, was die Gewalttat in Veronas Schlafzimmer erklärt hätte. Ebenso wenig kam irgendetwas ans Licht, das einen der Hausbewohner aus dem Kreis der Verdächtigen ausschloss.
    Robb fasste seinen Gedanken nicht in Worte, aber man

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