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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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aber du unterbrichst die Vorführung.«
    » Die Gesichter in der Gischt! Almas de los perditos!«
    » Halt den Mund, Sawney!«, brüllte jemand anderes.
    » Ah!« Der alte Mann sah sich mit großen Augen um, dann zwinkerte er. » Essig!«, sagte er so bedeutungsvoll, als gäbe er ihnen das Passwort zum Himmlischen Königreich, » wird die Läuse von deinem Körper vertreiben.«
    » Ich bin kein Hund!«, schrie der Mann, der geholfen hatte, Chandagnac einzuschüchtern, damit dieser seine Marionettenvorführung lieferte. Chandagnac hatte den Eindruck, als bräche das reinste Chaos aus.
    » Das ist eine Nachricht, die Charlie Vanes Mannschaft dringender braucht als wir, Gouverneur«, stellte Davies fest. Der Piratenkapitän reichte dem Alten die Flasche, von der er getrunken hatte und die immer noch mehr als halb voll war. » Warum gehst du nicht hin und erzählst es ihm?«
    Gouverneur Sawney nahm einen langen Schluck, dann schlenderte er davon, zurück in die Dunkelheit, blieb aber zweimal stehen, um tadelnd klingende Stellen aus dem Alten Testament zu zitieren.
    An diesem Punkt brüllte zu Chandagnacs Erleichterung irgendjemand, dass das Essen fertig sei. Er ließ die Marionetten im Fass liegen und beteiligte sich an dem Ansturm auf den Kochtopf, wo er ein Brett mit einem heißen, durchweichten, aufgeblähten Huhn darauf bekam. Es roch jedoch ziemlich gut, denn der Eimer, der, wie er gesehen hatte, kurz zuvor in den Topf geleert worden war, hatte einen Curry enthalten, den irgendeine andere Mannschaft als zu würzig befunden hatte, um ihn zu essen. Also zog er die gelockerte Haut von seinem Huhn ab, spießte den Vogel dann auf einen Stock und hielt ihn über die Flammen. Mehrere der Piraten, die ebenfalls wenig begeistert von halbgarem Huhn waren, taten es ihm nach, und nachdem sie alle gegessen und das schreckliche Gebräu aus dem Kessel mit weiterem Branntwein heruntergespült hatten, schlug jemand mit lauter Stimme vor, den Puppenspieler zum offiziellen Koch zu ernennen.
    Die Idee wurde allgemein begrüßt, und Davies, der unter jenen gewesen war, die Chandagnacs Beispiel mit dem Hühnchen gefolgt waren, erhob sich trunken auf die Füße. » Steh auf«, sagte er zu Chandagnac.
    Chandagnac stand auf, obwohl ihm keineswegs wohl zumute dabei war.
    » Wie ist dein Name?«
    » John Chandagnac.«
    » Shandy-was?«
    » Chandagnac.« Ein Brett im Feuer knackte laut und ließ Funken gen Himmel sprühen. » Hölle, Junge, das Leben ist zu kurz für solche Namen. Shandy ist dein Name. Und ein großer Name ist es für einen Koch.« Er drehte sich zu den übrigen Piraten um, die wie die Verwundeten einer Schlacht im Sand lagen. » Dies hier ist Jack Shandy«, sagte er, laut genug, um sich über das stetige Geplapper Gehör zu verschaffen. » Er ist der Koch.«
    Alle, die ihn verstanden, schienen erfreut zu sein, und Skank legte sich eins der gekochten Hühner, auf das niemand Anspruch erhoben hatte, auf seinen Dreispitz und brachte Chandagnac dazu, den Hut zu tragen, während er einen Becher Rum leerte.
    Danach wurde der Abend für den neuen Koch zu einer langen, nebelhaften Angelegenheit, durchbrochen nur von gelegentlichen klaren Eindrücken: Irgendwann platschte er durch die Brandung, machte mit bei irgendeinem komplizierten Tanz, und die Musik war ein Trommeln, das das Rollen der Brandung, das Rauschen des warmen Windes in den Palmen und sogar Chandagnacs eigenen Herzschlag in seinen Rhythmus mit einbezog. Später hatte er sich dann losgerissen, war aus dem Wasser gelaufen und dann lange Zeit zwischen dem Meer und dem Dschungel entlanggegangen, um die Feuer herum und hatte wieder und wieder und wieder » John Chandagnac« vor sich hingemurmelt – denn nachdem ihm ein neuer Name zugeteilt worden war, konnte er sich vorstellen, dass er den alten vergessen würde, hier draußen in dieser Welt des Mordens, des Rums und der kleinen, leuchtenden Inseln. Und einige Zeit danach sah er eine Horde nackter Kinder, die seine Marionetten gefunden hatten und sie tanzen ließen, ohne die Holzfiguren dabei überhaupt zu berühren. Sie bewegten lediglich in der Nähe der Puppen ihre kleinen Hände, und jede Reißzwecke in den zappelnden Marionetten glühte in einem dumpfen Rot. Dann endlich setzte er sich in den weichen Sand, der noch bequemer sein würde, wenn er sich hineinlegte. Er lehnte sich zurück, stellte fest, dass er noch den Hut auf dem Kopf hatte, fummelte ihn herunter, stieß versehentlich die Hand in den Unterleib des kalten

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