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In Furcht erwachen

In Furcht erwachen

Titel: In Furcht erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Cook
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konnte.
    In dem Moment, bevor der Motor ansprang und die
    Schüsse aufhörten, war die Nacht wunderbar still, und der Rauch des Schießpulvers stand für eine Weile schwer in der
    reglosen Luft.
    Sie fuhren über die Lichtung und stiegen aus, um sich
    das Schlachtfest anzusehen. Den Hund mußten sie mit Ge‐
    walt im Auto zurückhalten.
    «Könnte er nicht das verletzte Känguruh holen?» fragte
    Grant.
    «Nein, wenn wir ihn in die Nacht laufen lassen, kommt
    er nie mehr zurück», sagte Dick.
    Drei der Känguruhs waren tot. Eines hatte ein gebro‐
    chenes Bein und sah sie ungerührt an.
    Joe schlug ihm mit einem Ast, den er von einem abge‐
    storbenen Baum gebrochen hatte, den Schädel ein.
    Grant war überrascht, daß ihn das Massengemetzel
    nicht sonderlich aufregte. Letztlich waren es eben doch nur
    Känguruhs.
    Joe und Dick nahmen jeder einen Kadaver, schlitzten
    ihm den Bauch auf, schüttelten die Eingeweide heraus und sägten ihm die Hinterviertel mitsamt den langen, musku-lösen Schwänzen ab.

    117
    Eine derart schnelle Verwandlung hatte Grant noch nie
    gesehen: Eben noch einigermaßen respektable Leichen,
    waren die Känguruhs im nächsten Augenblick nichts als
    schreckliche tierische Überreste, denen die Eingeweide
    heraushingen.
    Tydon erledigte in der Zwischenzeit sein eigenes Ge‐
    schäft mit den Kadavern, aber das mochte sich Grant nicht mitansehen.
    Die Minenarbeiter warfen die Viertel in eine große Kiste, die in ihrem Auto anstelle des Kofferraums eingebaut war.
    Bald darauf fuhren sie weiter, und die trauernde Nacht
    brach über die grotesken Halbkadaver, die aus den Bergen von Eingeweiden ragten, genauso herein wie über die war-tenden Dingos, Füchse, Krähen und Ameisen; morgen
    würde nichts mehr übrig sein als Knochen.
    «Warum nur die Hinterviertel?» fragte Grant.
    «Weil es die einzigen Teile sind, an denen etwas Fleisch ist. Sie und der Schwanz», sagte Joe.
    «Was macht ihr damit?»
    «Ist für die Hunde. Hast du das nicht gewußt?»
    Grant erinnerte sich, daß die Minenarbeiter Wind‐
    hunde für Rennen hielten.
    «Läuft der Bursche hier auch Rennen?»
    «Gott, nein! Der hat einfach nur Hunger. Die Läufer
    würde ich niemals hier rausbringen, das würde sie kaputt-machen.»
    «Auf wie viele Känguruhs habt ihr’s abgesehen?»
    «So viele wir mitnehmen können. Und was wir nicht
    selber brauchen, nehmen uns die anderen Jungs ab.»
    «Ihr eßt das Fleisch nicht selbst − die Schwänze, mein ich.»
    118
    «Manchmal macht die Alte Suppe daraus. Aber ich mag
    sie nicht besonders. Schmeckt mir zu sehr nach Wild.»
    Grant sah ein großes, graues Känguruh am Wegrand
    stehen.
    Er hatte sein Gewehr geladen, und als das Auto langsa‐
    mer wurde, legte er an. Das Känguruh war nur etwa sechs Meter entfernt, stand ruhig knapp außerhalb des Licht-scheins und starrte aus irgendeinem Grund in die Dunkelheit hinaus.
    Es bemerkt das Auto nicht einmal, dachte Grant in dem
    Augenblick, als sie anhielten, dann schoß er endlich, nervös und hastig.
    Die Kugel traf das Ziel mit einem derart deutlich hör‐
    baren Aufschlag, daß Grant glaubte, er hätte etwas mit blo‐
    ßen Händen in das Tier gestoßen.
    Es ging plötzlich zu Boden und wurde eins mit dem
    Buschwerk, in dem es eben noch gestanden hatte.
    Die Stelle war einsam gelegen, und im Umkreis von
    etwa zwanzig Metern gab es keine Deckung, Grant wartete ab, um zu sehen, ob das Känguruh ausbrach.
    Ein schreckliches Geräusch drang aus dem Unterholz,
    ein heiseres, saugendes, rauhes Atmen.
    «Guter Schuß», sagte Joe, aber das Atmen entsetzte und
    lähmte Grant. Das Sprudeln und Würgen war laut, un‐
    glaublich laut.
    «Das rührt sich nicht mehr», sagte Joe, «ich hol es.»
    Grant konnte immer noch nicht reden. Er fürchtete sich
    vor dem, was im Unterholz lag, und er wußte nicht, warum.
    Als Joe hinüberging, hörte das Atmen auf. Es wurde
    nicht etwa schwächer oder verebbte oder versiegte. Es
    hörte einfach auf.

    119
    Joe erreichte das Buschwerk und blieb stehen.
    Grant hörte, wie er sagte: «Mann, ich will verdammt
    sein.» Dann ging er durch das Unterholz, das keine zwei Meter breit war. Er durchquerte es zweimal, bevor er zum Auto zurückkam.
    Grant wußte genau, was Joe sagen würde, glaubte aber
    nicht, daß er aushielte, es zu hören.
    «Da ist nichts», sagte Joe, und sogar seine Stimme war gedämpft.
    «Blödsinn», sagte Dick, «es war doch nie da rausge‐
    kommen. Geh schon und hol es.»
    «Ich sag dir doch, da

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