In Furcht erwachen
noch vor einer Minute angesehen hatte.
Sie klopften Dick auf den Rücken, dann viertelten sie
die anderen Kadaver, tranken mehr Bier, fuhren weiter und
überließen es der Nacht, die Dinge, die sie hinter sich gelassen hatten, zu verbergen.
«Ist so was nicht gefahrlich?» Grant hatte das Gefühl, er rede jetzt wieder langsam und schwerfallig.
«Nein, John», sagte Joe, «nicht, wenn man weiß, was
man tut.»
«Hast du es auch mal gemacht?»
«Schon oft. Ist wirklich nichts Besonderes.»
«Ich möchte auch mal.»
«Jetzt?» Er lehnte sich nach vorn. «Hey, Dick! John hier will sich mit einem Messer über ein Känguruh hermachen.
Wollen wir ihn lassen?»
«Warum nicht?»
Tydon hatte sich umgedreht, aber Grant konnte sein
Gesicht nicht erkennen; im Licht, das von vorn kam, war 123
der Kopf nichts als ein schwarzer Umriß. Grant glaubte zu sehen, daß Tydon grinste.
«Warum nicht?» wiederholte Tydon.
«Ja, warum nicht?» sagte Grant. Und sie fuhren weiter,
rasten durch die Nacht.
Die nächste Känguruhherde scheuchten sie am Rand
der Fahrspur auf. Gewehrfeuer peitschte durch die Nacht, im Auto stand beißender Rauch. Die Känguruhs starben
oder hinkten davon, eines hüpfte kläglich ein paar Meter weg und blieb dann zwischen den Bäumen stehen, vom
Auto aus deutlich zu sehen.
«Das gehört dir, John», sagte Joe und reichte Grant sein Messer.
Grant nahm es und kletterte aus dem Dachfenster, weil
er keine Lust hatte, mit dem Windhund zu ringen. Er
sprang vom Autodach und stürzte sich auf das Känguruh,
das kraftlos im Licht des Scheinwerfers stand, als blicke es in die Dunkelheit, die doch so nahe war.
Grant hörte, wie ihn die Männer im Auto anfeuerten.
Ein Gewehr krachte. Er wußte nicht, wohin die Kugel
ging. Er brach durch das Unterholz, strauchelnd und stolpernd.
Da er auf das Messer hätte fallen können, hielt er es aus-gestreckt vor seinem Körper wie ein Bajonett beim Angriff.
Aber dann kam er sich albern vor, und er richtete es gegen den Boden.
Das Känguruh rührte sich nicht vom Fleck.
Erst als er fast bei ihm war, realisierte er, daß es ein sehr kleines Tier war, kaum größer als ein Meter zwanzig. Es war
schwer verletzt, stand einfach nur da und starrte in das Dunkel hinter dem Scheinwerferlicht.
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Grant erreichte das Känguruh, und wenn er nicht ge‐
wußt hätte, daß ihm die Männer im Auto zuschauten, wäre
er zurückgegangen, um das Gewehr zu holen. Er stand hin‐
ter dem Tier und wünschte sich, es würde sich bewegen.
Dann legte er eine Hand auf die Schulter des Känguruhs. Sie
war pelzig und warm, seine Brust bebte. Aus der Nähe betrachtet, hatte es zwei Köpfe. Janette hatte letzte Nacht ein doppeltes Profil gehabt.
Grant lehnte sich nach hinten und stieß das Messer in
das Känguruh. Die Klinge fügte ihm einen tiefen Schnitt endang des Rückens zu. Blut trat aus, eine dünne Linie auf dem Fell, schwarz im Licht des Scheinwerfers. Das Känguruh bewegte sich noch immer nicht.
Gütiger Gott! Was machte er, John Grant, Schullehrer
und Liebender, hier draußen unter den gleichgültigen Sternen, und warum schlachtete er dieses warme, graue Tier?
Er beugte sich vor und trieb das Messer in das weiße
Brustfell des Känguruhs. Die Klinge ging leicht hinein, tief, aber das Känguruh starb nicht.
Das Fleisch schloß sich fest um die Klinge, und Grant
mußte sie wieder herauszerren.
Schluchzend trieb er das Messer wieder und wieder in
Brust und Rücken des Tieres, das stumm dastand, ohne zu protestieren. Aber es starb nicht.
Grant trat für einen Moment beiseite, fuhr sich mit beiden Händen über die Augen und hörte das aufmunternde
Geschrei aus dem Auto.
Schließlich legte er den linken Arm über die Schulter
des Känguruhs, zog seinen Schädel zurück und fing an, auf die Kehle einzuhacken. Im selben Moment lief warmes Blut
an seinen Händen herunter, er spürte, wie der Schädel wei‐
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ter und weiter nach hinten sank, bis das Känguruh endlich fürchterlich zu zittern begann und zu Boden fiel.
Grant packte es am Schwanz und zerrte es zum Auto zu‐
rück.
Noch während er vor seiner Last herstolperte, zog er die Rolläden in seinem Gehirn nach unten; er ging einfach nur,
ging und zog und schleppte und warf die Decke der Trunkenheit über sein Bewußtsein.
Betrunken zu sein bedeutet Wärme und Geborgenheit,
es gibt keinen Schmerz mehr, und es spielt keine Rolle, ob Känguruhs erschossen werden, furchterregend atmen und
in
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