In Gottes Namen
Lautsprecher. »Was ist mit Evelyn?«
»Wir müssen reden.«
Sehr gut. Perfekt. Wir müssen reden.
»Okay, in Ordnung, im dritten Stock.«
»Lassen Sie mich …«
»Das Schloss ist kaputt. Einfach fest drücken.«
Leo schnauft. Er betrachtet sich die Tür genauer, sie steht einen Spalt offen.
Er beißt sich auf die Lippen. Er hätte einfach reinspazieren können. Er hätte heimlich hineinschlüpfen können.
Egal jetzt. Nimm das erste Treppenhaus, kurzer Zwischenstopp auf dem Treppenabsatz, das Sakko richten, die Brieftasche mit der gefälschten Dienstmarke überprüfen, die Brille zurechtrücken, tief Luft holen, du bist ein Cop, du bist ein Cop -
Ich bin ein Cop, Brandon.
Polizei, Mr. Mitchum. Wir müssen reden.
Wirst du mich wiedererkennen, Brandon?
Sie hatten ihn aufgeweckt. Das war nicht schwer. Er hatte nicht gut geschlafen. Ein Traum, in dem dunkles Wasser in seine Lungen drang, ihn erstickte.
Aber jetzt war er wach. Die Stimmen. Gwendolyn, Gwendolyn Lake, war wieder zu Hause, das zweite Mal, seit Leo nach Amerika gekommen war, um hier zu leben.
Sein Zimmer lag hinter dem Haupthaus. Er trat zu einem der Fenster und spähte hinaus. Er beobachtete sie dabei, wie sie laut Musik hörten, tranken und rauchten, Cassie und ihre Freundin Ellie, Gwendolyn und ein Junge. Das Fenster stand offen, und ihr Lachen drang herein.
Oh, hey. Cassie winkte ihm zu. Haben wir dich geweckt?
Er schüttelte den Kopf und lächelte.
Das ist mein Freund Brandon. Sie zeigte auf den Jungen. Leo winkte und wandte sich schnell ab.
Aber er hörte sie. Ellies Stimme, er konnte sie inzwischen genau unterscheiden.
Das war Leo, wir beide gehen miteinander , sagte sie. Alle lachten. Sogar Cassie.
Er ließ sich wieder aufs Bett fallen. Aber er konnte nicht schlafen. Er lag still da und lauschte.
Nein, Brandon, du wirst dich nicht an mich erinnern. Niemand erinnert sich an mich. Beug die Hüften, um die Sehne zu lockern, dann weiter, bis zum Treppenabsatz im dritten Stock.
Die Tür rechts klafft einen Spalt weit auf. Ein Gesicht lugt hervor.
»Um was geht’s denn, Officer?«
Officer. Gut.
»Ist Evelyn was zugestoßen?«
Tot. Ein Wort, das er gut beherrscht.
Streck ihm die Brieftasche hin, lenk seine Aufmerksamkeit auf die Brieftasche …
Mitchum wirft einen kurzen Blick auf die Dienstmarke und dann einen längeren auf Leo.
Erinnerst du dich an mich, Brandon?
Ich jedenfalls erinnere mich an dich.
Mitchum öffnet die Tür, blockiert aber den Durchgang. »Was ist passiert?«
Jetzt kann er nicht mehr zurück. Er weiß, so darf man einen Job nicht erledigen, aber hier ist er nun mal, eine zweite Chance gibt es nicht.
Ermordet. Noch so ein Wort, das ihm leicht über die Lippen geht.
Mitchum mustert Leo gründlich, dann späht er erneut auf die Brieftasche, die inzwischen wieder geschlossen ist. »Wie, sagten Sie gleich, war Ihr Name?«
Ich hab ihn dir nicht gesagt, Brandon.
Leo reicht ihm die Brieftasche, es ist ein Ablenkungsmanöver, so wie bei der Frau auf dem Parkplatz, Brandon, und während du die Brieftasche öffnest und die Marke betrachtest, zieh ich das Rasiermesser, klappe es auf, trete dir auf den Fuß, damit du nicht weg kannst, dann hoch mit der Klinge unters Kinn, und wenn du nur einen Laut von dir gibst, nur einen Laut, Brandon …
Mitchums Augen sind starr vor Angst. Er hat es kapiert. Pack seine Haare mit der freien Hand, um ihn dirigieren zu können, dräng ihn rückwärts, ein unbeholfener Tanz, bis du drin bist, schließ die Tür, werf sie mit dem Fuß hinter dir zu, dieser Geruch, Marihuana, ja, genau wie in Lefortovo, reingeschmuggelt, sollte helfen, die Zeit zu vertreiben, aber alles schien nur noch langsamer abzulaufen, langsam, ganz langsam, wie die letzte Stunde deines Lebens, Brandon, ganz langsam.
Wieder erinnere ich mich an Stolettis Bemerkung, sie überrasche Zeugen gerne unangemeldet, unvorbereitet. Da die Haustür unten offen steht, verzichte ich darauf, zu klingeln und mein Kommen anzukündigen. Als ich den letzten Treppenabsatz erreiche, dringen Stimmen aus Brandon Mitchums Apartment. Ich klopfe an die Tür, höre kurz ein unterdrücktes Flüstern, dann Stille.
Mein Atem stockt. Meine Brust beginnt zu brennen.
»Brandon Mitchum?«, rufe ich laut. Rasch trete ich neben die Tür und klopfe erneut. Wieder bewegt sich drinnen etwas. Ein lautes Krachen, dann poltern Schritte über den Holzboden.
Ich hole tief Luft und gebe meiner Stimme einen harten Klang, damit die
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