In Gottes Namen
für lange. Es ging einfach nur darum, betonte er, sie rund um die Uhr gut betreut zu wissen, damit sie wieder gesund wurde.
Wir schaffen das gemeinsam, versprach er ihr.
Das war an einem Dienstagabend. Sie fassten das Wochenende ins Auge. Widerstrebend hatte sie zugestimmt. An diesem Wochenende würden sie es in Angriff nehmen.
Warum hatte er es ihr bloß vorher angekündigt?
Warum war er Freitag zur Arbeit gegangen?
Natürlich hatte er auch dafür Rechtfertigungen parat: Zum einen duldete der Doppelmord keinen Aufschub, und zum anderen sah Joyce an diesem Freitagmorgen wirklich großartig aus – frisch, munter und positiv. Sie schien einen ihrer guten Tage zu haben; sie waren nicht alle schlecht. Es war ein ständiges Auf und Ab. An diesem Morgen, da war er sich ganz sicher, ging die Tendenz nach oben.
Er war sich so sicher gewesen.
Mir geht’s gut, hatte sie gesagt, eine Hand sanft auf seiner Brust. Du hast recht – lass uns an die Zukunft denken. Das ist der richtige Schritt für uns.
Ab aufs Revier, hatte sie gesagt. Du kannst mir packen helfen, wenn du wieder zurück bist.
In acht bis zehn Stunden würde er wieder zu Hause sein, Joyce beim Packen ihrer Tasche helfen, für den hoffentlich nur kurzen Aufenthalt im Pearlwood Center. Abends dann war er doch schon um sieben zu Hause. Er hatte sich früher von der Arbeit loseisen können.
Sieben Stunden, in denen eine Welt zusammenbrach.
»Heute Nacht schaffen wir’s«, teilt ihm Stoletti mit, während sie an ihrem Computer herumspielt.
»Wie? Oh.« McDermott seufzt. Sie bezieht sich auf die Fingerabdrücke, die an der Tür von Brandon Mitchums Apartment gefunden wurden. Bis sie Nachricht aus dem Labor kriegen, haben sie nichts weiter zu tun, und es ist nicht der Augenblick, in der eigenen Vergangenheit zu wühlen, also nimmt er sich die Burgos-Akten vor.
Burgos ist nicht sein Fall und obendrein längst aufgeklärt. McDermotts Job ist es, den gegenwärtigen Täter zu fassen. Dennoch ist der Zusammenhang unbestreitbar. Irgendwas wurde damals übersehen. Er weiß es. Und er muss möglichst schnell aufdecken, was, denn auch der Täter verschwendet keine Zeit. Sonntag hat er bei Ciancio zugeschlagen. Montag bei Amalia Calderone. Am Dienstag bei Evelyn Pendry. Heute hat er es bei Brandon Mitchum versucht.
McDermott reibt sich die Augen, leert die zweite Tasse Kaffee und geht sich eine neue holen, mit schweren Lidern, aber aufgeputscht vom Koffein. Gott, was für eine Energie hat er als junger Cop gehabt, während der Nachtschichten, die prickelnde Spannung, als er in den gefährlichsten Vierteln auf Streife ging. Damals waren für ihn die Grenzen klarer gezogen. Jetzt hechelt er nur noch hinterher, klärt Verbrechen auf, die bereits begangen wurden, statt sie zu verhindern. Sicher, er mag es, Rätsel zu lösen, das schon. Aber in Wahrheit sind die meisten Fälle nicht sonderlich schwer zu knacken. Für gewöhnlich liegen die Motive auf der Hand. Man muss lediglich die Nachbarn vernehmen, den Hintergrund des Opfers recherchieren, die Arbeit der Spurentechniker abwarten – und neun von zehn Fällen sind aufgeklärt. Am Ende ist das Opfer nicht wieder lebendig, aber wenigstens der Täter hinter Gittern.
Vielleicht ist das der Grund, warum er diesen Fall so genießt, trotz des ganzen Drucks, der auf ihm lastet. Er hat die Chance, den Täter zu stoppen, bevor er weitere Morde begeht.
Dieser Täter versucht irgendwas zu vertuschen. Und was immer es ist, es muss irgendwo hier in diesen Akten verborgen sein.
Er überfliegt seine Notizen zum Fall Burgos. Er hat sich die genauen Zeiten und Orte notiert und ist auf ein klares Muster gestoßen. Da waren zum einen die Prostituierten, dann zum anderen Ellie und natürlich Cassie. Bei den Huren wirkte alles hübsch eindeutig und überschaubar. Sie besaßen jedoch nur wenig Informationen über Ellie und so gut wie gar nichts über Cassie.
Punkt eins: Das Verschwinden der Prostituierten konnte auf bestimmte Nächte und Zeitabschnitte eingegrenzt werden und auch auf bestimmte Viertel. Zwei der Huren waren beobachtet worden, wie sie in einen blauen Chevy Suburban stiegen, und die anderen beiden hatten Fingerabdrücke in eben diesem Auto hinterlassen, dessen Besitzer Terry Burgos war. Ellie Danzingers Wohnung war aufgebrochen worden, und die Tat hatte sich in ihrem Schlafzimmer ereignet, auf ihrem Bett. Der Tatzeitpunkt konnte aufgrund der Umstände auf Sonntagnacht eingegrenzt werden.
Ganz anders lag der Fall bei
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