In Gottes Namen
ihr im Abstand von etwa zwölf Stunden zweimal eine größere Dosis davon verabreicht wurde, so dass sich ihr Körper praktisch die ganze Zeit in einer Art künstlichem Koma befand. Das Ganze wird jedoch keinerlei bleibende Schäden hinterlassen.
Außerdem hat sie vermutlich eine Gehirnerschütterung, die nicht weiter gravierend ist und von dem Überfall im Bad herrührt. Sie ist nicht vergewaltigt worden. Abgesehen davon, dass er sie als Druckmittel benutzen wollte, hatte Leo Koslenko kein weiteres Interesse an ihr.
Gestern um die Mittagszeit hat Shelly das Bewusstsein wiedererlangt. Sie leidet unter einer retrograden Amnesie, daher kann sie sich an nichts erinnern: nicht an den Angriff und auch nicht an den Tag danach. Dafür bin ich sehr dankbar.
Vermutlich hat er sie unter der Dusche erwischt, wo sie wehrlos war, denn normalerweise lässt sich Shelly nicht leicht einschüchtern.
So gegen Mittag verlasse ich das Krankenhaus wieder. Ihre gesamte Familie umsorgt sie, streichelt und hätschelt sie. Ihr Verhältnis mir gegenüber ist momentan eher gespannt, was nur verständlich ist. Ich habe sie zwar gefunden, aber andererseits wäre sie ohne mich gar nicht erst in die ganze Sache reingeraten. Jedenfalls fühle ich mich wie ein Außenseiter bei einem Familientreffen. Ich küsse Shelly auf die Wange und verspreche ihr, dass ich bald wieder zurück bin.
Ich benutze den Notausgang, um den Heerscharen von Medienvertretern vor dem Haupteingang zu entgehen. Während ich hinaus in die helle Mittagssonne trete, ziehe ich mein Handy hervor. Ich bitte die Auskunft um eine Nummer. Als man mich durchstellt, nimmt eine Frau meinen Anruf entgegen.
»Dr. Morse, bitte«, sage ich. »Hier ist Paul Riley.«
»Möchten Sie einen Termin vereinbaren, Mr. Riley?«
»Nein. Ich will ihn nur kurz was fragen. Es ist dringend.«
Ich blicke mich um, stelle sicher, dass ich unbeobachtet bin, keine Reporter, keine Polizei, niemand. Dann warte ich, dass Dr. Morse ans Telefon kommt, obwohl ich seine Antwort bereits kenne.
Im Polizeirevier sagen sie mir, McDermott sei im Observationsraum, und überraschenderweise erklärt sich auch sofort jemand bereit, mich dorthin zu eskortieren. Als ich den Raum betrete, lehnt er am Beobachtungsfenster und starrt in einen der Vernehmungsräume, den Hemdkragen aufgeknöpft, die Ärmel hochgerollt. Er mustert mich aus dunklen, leblosen Augen.
Im Vernehmungszimmer sitzt Natalia Lake in aufrechter Haltung, Zigarettenqualm umhüllt ihr verwittertes Gesicht.
»Natalia hat zugegeben, dass Cassie Ellie getötet hat.« Er nickt in ihre Richtung.
Ich stelle mich neben ihn. Ich war mir nicht sicher, ob Natalia damit rausrücken würde. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass jemand anders sie dazu veranlasst hat.
»Allerdings weiß sie nicht, was danach geschah. Sie sagt, sie hätten sich vor der Polizei zu Tode geängstigt, aber es sei nie jemand gekommen. Sie vermutet, dass Terry Burgos mitgekriegt hat, was in Ellies Apartment geschah, und später die Leiche mitgenommen hat. Ihrer Ansicht nach hat Burgos kurz darauf Cassie getötet, um sich an ihr zu rächen.«
Die gleiche Story hat sie mir schon gestern in ihrem Haus aufgetischt. Cassie hat Ellie zwar umgebracht, aber der ganze Rest ist frei erfunden.
Bloß das werde ich McDermott nicht verraten. Nicht jetzt jedenfalls. Vielleicht nie.
»Glauben Sie ihr?«, frage ich.
Er überlegt einen Moment, seine Kiefer mahlen. »Keine Ahnung. Zumindest kann ich im Moment nichts anderes beweisen.« Er nickt mir zu. »Auf jeden Fall deutet alles darauf hin, dass Burgos die Nutten tatsächlich getötet hat.«
Das hat er. Koslenko hat es mir verraten. Aber was macht McDermott in diesem Punkt so zuversichtlich?
»Ich habe einen schnellen DNS-Test für die Mansbury-Mädchen angeordnet. Gerade sind die Ergebnisse eingetroffen. Die Prostituierten hatten seinen Samen in sich und auch sein Blut. Der Geschlechtsverkehr fand vor dem Tod statt, also ist es ziemlich sicher, dass er sie getötet hat.«
So weit, so gut. Aber im Falle von Ellie und Cassie fand der Sex post mortem statt. Und inzwischen weiß McDermott auch, dass Cassie Ellie getötet hat. Also wird er sich jetzt sicher fragen, wer Cassie auf dem Gewissen hat.
»Das ging aber flott mit dem DNS-Test«, bemerke ich, um das Thema zu wechseln.
»Die Sache hatte höchste Dringlichkeit.« Er klopft mir auf den Arm. »Das sollte Sie eigentlich glücklich machen. Damit ist bewiesen, dass Sie nicht völlig
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