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In guten wie in toten Tagen

In guten wie in toten Tagen

Titel: In guten wie in toten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Meyer
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leichter für Sie, wenn ich Ihnen die Entscheidung abnehme. Wenn ich die Polizei anrufen und aussagen würde. Aber es wäre nicht richtig.«
    »Und was ist richtig?«, fragte Cara.
    »Das wissen nur Sie«, sagte Ula. »Ich wünsche Ihnen viel Glück. Passen Sie auf sich auf.«
    »Und jetzt?«, fragte Cara, als sie wieder im Auto saßen.
    »Du hast es doch gehört«, meinte Vitali. »Es ist deine Entscheidung.«
    »Fahr«, sagte Cara.
    »Wohin?«
    »Fahr einfach los.«
    Vitali startete den Wagen und parkte aus.
    Und Caras Gedanken ratterten los. Wenn sie zur Polizei ging, würden die sie gleich dabehalten. Vielleicht käme sie in dieselbe Zelle, in der Helena gesessen hatte. Ihr Vater würde ihr einen Anwalt stellen, den gleichen, der schon Helena vertreten hatte, der war ja nun schon im Thema.
    Und dann? Würde er darauf plädieren, dass sie unzurechnungsfähig war. Schuldunfähig wegen schwerer psychischer Störung oder wie immer das im Juristendeutsch hieß.
    Sie käme vom Untersuchungsgefängnis in die Psychiatrie. Geschlossene Abteilung. Und würde befragt und untersucht und durchleuchtet und mit Psychopharmaka vollgestopft werden. Mit Pillen, die sie fett und stumpf und schwerfällig machen würden, aber eben auch ungefährlich.
    Man würde sie beobachten.
    Jahrelang, Tag und Nacht.
    Das ertrage ich nicht, dachte Cara. Lieber bringe ich mich um. Und dachte eine Weile lang über diese Möglichkeit nach. Tod durch eine Überdosis Schlaftabletten. Der Föhn in der Badewanne. Oder sie hängte sich auf. Gefiel ihr alles nicht. Es würde auch sehr schwierig werden. Vitali würde sie in nächster Zeit nicht aus den Augen lassen, da war sie sich sicher.
    »Wo willst du denn hin?«, fragte sie Vitali, der soeben das Ortsschild Geldern passiert hatte und jetzt auf der Bundesstraße in Richtung Autobahn fuhr.
    »Wirst du schon sehen.«
    Sie fragte nicht weiter. Sie war froh, dass er fuhr. Irgendwohin, egal wohin. Hauptsache, sie kamen nicht so schnell an.
    Sie schloss die Augen und hörte Ulas Stimme. Sie sagte: Es ist Ihre Entscheidung. Und redete noch weiter, aber nun verstand Cara sie nicht mehr.
    Gefängnis. Psychiatrie. Tod. Gab es noch einen anderen Ausweg, eine andere Lösung?
    Flucht, dachte Cara. Immer weiter fahren, niemals ankommen. Zusammen mit Vitali. Das wär’s.
    Irgendwann finden wir vielleicht einen Ort, an dem wir die Vergangenheit vergessen können, bis die Vergangenheit uns vergisst.
    Eine Insel im Meer.
    Sie hatte ein paar Hundert Euro auf dem Konto. Einen Dispo von sechshundert. Und ihren Ausweis im Geldbeutel. Wir fahren zum Flughafen, heben alles ab, steigen in den nächsten Flieger und versuchen es. Suchen unser Glück.
    Wir. Ob Vitali sie begleiten würde? Warum sollte er so etwas Bescheuertes tun?, dachte Cara. Aus Liebe, aus lauter Liebe. Nein, das war zu wenig. Er müsste verrückt sein, genauso verrückt wie sie.
    Sie waren jetzt auf der Autobahn. Rote Augen auf den Autos, die sie überholten. Gelbe Augen auf den Autos hinter ihnen. Vielleicht fuhr Vitali ja wirklich zum Flughafen. Nach Weeze, Düsseldorf oder Köln. Sie öffnete den Mund, um ihn zu fragen, und machte ihn schnell wieder zu. Nicht fragen. Wer fragt, bekommt Antworten. Aber vielleicht gefallen sie dir nicht, diese Antworten. Das hatte Ula zu Cara gesagt, als sie zum ersten Mal bei ihr gewesen war.
    Helena. Dieser Blick, den sie Cara zugeworfen hatte. Hatte Helena sie bemerkt oder hatte Cara sich das Ganze nur eingebildet? Die Botschaft. Bring ihn um.
    Das war die erste Frage, aus der die anderen Fragen herauswuchsen. Hatte Helena wirklich alles vergessen, was in der Nacht geschehen war? Oder hatte sie sich die ganze Zeit über an ihre Begegnung erinnert und an Cara und an den Blick? Hatte sie gewusst, dass Cara Tom getötet hatte?
    Warum hast du geschwiegen?, fragte sich Cara. Du hast an meiner Stelle im Gefängnis gesessen. Und hast mich nicht verraten.
    Weil ich dich schützen wollte, sagte Helenas Stimme in ihrem Kopf.
    Weil sie genau wusste, dass ihr nichts passieren konnte, sagte eine andere Stimme. Sie hatte ja ein Alibi.
    Cara hatte Helena immer dafür bewundert, dass sie so stark und stolz und unabhängig war. Dass sie wusste, was sie wollte. Und was sie nicht wollte.
    Und jetzt. Sah sie die wahre Helena. Helena, der alle egal waren. Ronja, May, Isy, Tom. Auch Cara. Die Fertige, die Neurotische. Helena interessierte sich nur für sich selbst.
    Wenn das rauskommt, wie steh ich denn dann da?
    Helena wollte einen Mann, auf

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