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In Hadam wartet der Henker

In Hadam wartet der Henker

Titel: In Hadam wartet der Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Orhako!«
    »Geh nur!«
    Durch das Gewoge in den Gassen bahnte sich Hrobon einen Weg bis zum Galgenplatz. Wenn er es bis jetzt noch nicht gemerkt haben würde, so mußte er es nun deutlich erkennen: in Hadam herrschte die Stimmung vor einem unmittelbar ausbrechenden Krieg. Die Menschen waren aufgeputscht, auf Schritt und Tritt begegnete Hrobon den Kriegern des Shallad. Um den Brunnen im Mittelpunkt des Platzes scharten sich Frauen mit leeren Krügen. Wasser plätscherte, und im Licht der hoch stehenden Sonne zeichnete sich der Schatten des riesigen Galgens auf dem Pflaster ab. Hrobon versuchte, im Gewimmel der Menschen den Jungen Samed auszumachen. Er hockte im Schatten unweit einer Schenke und blickte schweigend hierhin und dorthin. Hrobon umrundete zweimal den Platz und blieb dann neben Samed stehen. Er berührte den Jungen leicht mit der Stiefelspitze und murmelte:
    »Du hast einen langen, schwierigen Weg vor dir.«
    »Zurück nach Logghard?«
    Samed blickte nicht einmal auf. Er hatte Hrobon längst erkannt, und Hrobon konnte sicher sein, daß der aufgeweckte Kerl längst seine eigenen Beobachtungen gemacht hatte.
    »Nicht heute. In ein paar Tagen. Weißt du, wie viele Soldaten der Shallad Hadamur hat?«
    »Nein. Mehr als wir.«
    »Wir treffen uns morgen wieder!« flüsterte Hrobon. »Brauchst du Hilfe?«
    »Nein. Ich habe alles.«
    Eine Tagesreise von Hadams Stadtgrenze entfernt hatten sich Samed und Hrobon getrennt. Der Junge hatte sich hierher durchgeschlagen und würde auf dieselbe Weise wieder zurück nach Logghard kommen. Ein zerlumpter Bettlerjunge fiel nicht auf.
    »Halte die Augen weit offen. Ich tue dasselbe«, sagte Hrobon leise. »Ich denke, ich gehe hinaus zum Heerlager.«
    »Ich bleibe hier.«
    Hrobon stieß sich von der Mauer ab und ging schweigend weiter. Er wußte jetzt, daß es zu einer zweiten furchtbaren Schlacht kommen würde. Wenn alle Truppen Hadamurs Logghard erreicht hatten, begannen die Kämpfe. Aber bis zu diesem Tag würde rund ein Mond vergehen.
     
    *
     
    Die Ruderer der Prunkbarke zogen die langen Riemen langsam durchs Wasser. Die Schäfte der hölzernen Stangen waren mit breiten Goldbändern eingefaßt. Die See war ruhig, zwischen dem schwer befestigten Hafen Hadams und der felsigen Inseln zogen lange, niedrige Wellen von Ufer zu Ufer. Knarrend bewegten sich die dreißig Ruder auf jeder Seite der Barke. Der Bug mit dem Kopf eines goldenen Orhakos hob und senkte sich langsam und weich. Die Blicke Hadamurs, der unter dem Baldachin vor dem Mast saß, gingen über das Wasser bis hinüber zu seinem Mausoleum. Es erhob sich, Stufe um Stufe, über die gezackten Felsen der namenlosen Insel.
    Das Bauwerk hatte fast vier Fünftel seiner Höhe erreicht. Gerüste standen an den Mauern und hingen über seine Flanken herunter. Von den Terrassen, die aus zahllosen tragenden Säulen bestanden, kam der Lärm der vielen tausend Sklaven. Sie sprengten mit Holzkeilen, die zuerst in Spalten getrieben und dann mit Wasser Übergossen wurden, damit sie aufquollen, gewaltige Blöcke in allen Formen aus dem Fels der Insel. Sie türmten die behauenen Blöcke aufeinander, hämmerten mit Meißeln gewaltige Friese in die Wandungen und brachten die Verzierungen an. Der Turm war rund und abgestuft wie ein gigantischer Leuchtturm. Schon heute war er hundert Mannslängen groß.
    Der Shallad hob die rechte Hand.
    Der Kapitän der Prunkbarke stürzte auf den Thron zu und sank vor Hadamur auf die Knie.
    »Herrscher? Wir legen in einigen Augenblicken an.«
    »Sie sollen vorsichtiger rudern. Sonst verlieren sie ihre Hände… oder die Köpfe!«
    »Ich sorge dafür!«
    Der Kapitän sprang hinunter in die Ruderräume, schrie einige Befehle und ließ die Peitsche sprechen. Die sechzig Sklaven umklammerten die Schäfte der Riemen und versuchten, noch vorsichtiger und dennoch schnell genug zu rudern. Der kleine Hafen der Insel, der fast nur für die breitbäuchigen Schiffe mit Sklaven und Arbeitsmaterial gebraucht wurde, kam näher.
    Tore und Bögen, abermals Säulen, dahinter vergoldete Friese und mächtige Metallschalen, in die durch lange Röhren Öl strömte und verbrannt werden sollte, bildeten die Basis des gewaltigen Rundturms. Die untersten Schichten übermannsgroßer Quadern schienen mit dem gewachsenen Fels der Insel zu verschmelzen. Selbst wenn das Meer seine wilden Brecher gegen die Insel schleuderte, würde nicht ein Tropfen ins Innere des Totentempels eindringen können.
    »Ist der Baumeister hier? Wartet er?«

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