In ihrem Blut: Thriller (German Edition)
schmutzigen Kram von der Seele reden, aber wer würde die Verteidigung eines mittellosen Hedgefondsmanagers auf einen Schuldschein hin übernehmen? Das Wort eines Bankers war heutzutage nichts mehr wert. Wahrscheinlich würden sie ihn sofort aufknüpfen.
Scheiß auf die Busse, er würde mit der U-Bahn fahren. Als er die Great Portland Street in Richtung U-Bahnhof entlanglief, erregte ein Schild seine Aufmerksamkeit. The Green Man . Lauf einfach weiter, Alter, redete er sich zu. Als er daran vorbeiging, öffnete sich die Tür, und der unverwechselbare Duft Eau du Pub drang heraus.
Fernley-Price holte tief Luft.
Ein herauskommender Gast hielt ihm freundlicherweise die Tür auf. Fernley-Price humpelte über die Schwelle und stellte sich an den Tresen. Die Kellnerin stand abwartend da, während er den Stock an den Hocker hängte und in seinen Taschen herumsuchte. Er fand einen zerknitterten Zehner.
»Kotch. Dohhelt«, sagte er, ohne die Zähne oder die Lippen zu bewegen. Nur gut, dass ich keine Fasche Hier bestellen huss, dachte er.
Die Kellnerin schenkte nach Augenmaß einen doppelten Scotch ein, knallte das Glas auf den Tresen, zog einen Strohhalm aus dem Spender und ließ ihn ins Glas fallen.
»Das ist der kurze Halm«, sagte sie. »Cheers.«
Bald danach stolperte Fernley-Price wieder aus dem Green Man hinaus . Zu Hause hatte er bessere Getränke.
52
Thompson drückte auf die Taste der Gegensprechanlage. Er wusste immer noch nicht, wie Berlin ihn hatte überreden können, sie mitzunehmen. Sein Gefühl sagte ihm, dass sie ihm bei einer Weigerung einfach gefolgt wäre, und er hatte keine Zeit damit verschwenden wollen, nach einem Verfolger Ausschau zu halten. Er musste sich außerdem eingestehen, dass sie – anders als Flint – über einige Intelligenz verfügte und nicht nur von Egoismus und Ego angetrieben wurde.
Er drückte noch einmal die Taste. Der Luxusumbau des Lagerhauses lag direkt am Ufer. Die Möwen und Tauben kabbelten sich mit den Überwachungskameras um Schlafplätze. Wenn man näher kam, schwenkten die Kameras mit. Jetzt ertönte eine gedämpfte Antwort aus der Gegensprechanlage.
»Detective Chief Inspector Thompson hier, Sir. Können wir uns kurz unterhalten?«, brüllte er in das winzige Gitter und hielt seinen Ausweis vor die Kamera. Berlin blieb außer Sichtweite.
Die Außentür klickte, und sie betraten das Vestibül.
Berlin hätte schwören können, dass der Geruch nach Rum, Zucker und Gewürzen immer noch aus den massiven Holzbalken drang, die dicht über ihren Köpfen entlangliefen. Handel. Das war der Grund, weshalb die Römer diesen Hafen in Britannien gebraucht hatten. Ein tiefer, den Gezeiten unterworfener Fluss, geeignet als Anlegeplatz für Schiffe, doch schmal genug, um Brücken darüber zu bauen. Handel war immer noch ein Grund für die Existenz dieser Stadt, aber nun hieß das »die Unsichtbaren«. Sie dachte darüber nach, wie vorausahnend diese Bezeichnung gewesen war. Die Unsichtbaren waren dann ja auch verschwunden.
Thompson drückte auf den Liftknopf und drehte sich zu ihr um. »Ich möchte von Ihnen kein Wort hören, ist das klar?«, sagte er. »Klar?«
Sie nickte und legte einen Finger auf ihre versiegelten Lippen.
Schweigend fuhren sie im Lift nach oben. Er ähnelt Dempster nicht im Geringsten, dachte sie. Er macht nicht viele Worte, er ist ein gelassener, systematisch vorgehender, altmodischer Bulle durch und durch.
Als sie im vierten Stock ankamen, öffneten sich die Aufzugtüren auf einen teppichbelegten Flur, von dem nur eine Tür abging. Eine Kamera folgte mit einem Schwenk ihrer Bewegung. Thompson klopfte, und wenige Sekunden später öffnete sich die Tür.
Jeremy Fernley-Price stand schwankend vor ihnen. Alkoholdunst drang ihm aus allen Poren. Sein Kopf war von einem Drahtgestell umrahmt, das an seinem Kiefer befestigt war. Er grunzte, trat zur Seite und gestikulierte mit seinem Stock, dass sie hereinkommen sollten. Die Wohnung hatte ungefähr dieselbe Größe wie Berlins nächstgelegener Supermarkt.
Fernley-Price folgte ihnen in ein weiträumiges Wohnzimmer mit Fenstern von der Decke bis zum Boden und Ausblick auf den Fluss. Berlin trat an eins der Fenster und sah hinab auf etwas, das einmal der Hinrichtungsplatz gewesen war. Die Piraten hockten in einem Metallkäfig an einem Galgen, bis die Flut drei Mal über ihren Körper hinweggegangen war. Sie dachte, dass Strafen damals poetisch gewesen waren. Jetzt waren sie human, aber
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