In kalter Absicht
Enkelkindern damit spielen zu lassen. Die Katze werde sie wie ihre eigene lieben, erklärte sie lauthals. Matt war außer sich vor Dankbarkeit gewesen, als Aksel ihm das Schachbrett und den Wandbehang über dem Sofa vermacht hatte. Unter der Bedingung, daß er die Galionsfigur schickte, sowie Aksel eine Adresse in Norwegen gemeldet hatte.
Die Galionsfigur hatte Ähnlichkeit mit Eva, und um den Rest kümmerte er sich nicht weiter.
Die neue Frisur gefiel Aksel nicht. Er sah damit älter aus. Sein Gesicht wurde deutlicher. Die Runzeln, die Poren und die schlechten Zähne, an denen er schon längst etwas hätte machen müssen, fielen irgendwie mehr auf, jetzt wo sein Pony verschwunden war und sein Gesicht nackt und ungeschützt offenlag. Er versuchte, sich hinter einer alten Brille mit braunem Gestell zu verbergen. Die Gläser hatten nicht mehr die richtige Stärke, und ihm wurde davon schwindlig.
Er war in der Bank gewesen. Die Verkaufssumme ergab an die zehn Millionen norwegische Kronen. Cheryl, die in Harwichport aufgewachsen war und erst seit zwei Monaten in der Bank arbeitete, hatte strahlend gelächelt und ihn flüsternd you lucky son of a gun genannt, ehe sie ihm erklärt hatte, daß die restliche Summe vom Käufer innerhalb von sechs Wochen in Raten bezahlt werden würde. Aksel mußte in Norwegen zu einer Bank gehen, dort ein Konto eröffnen, und wenn die Behörden nicht zuviel Ärger machten, würde es keine Probleme geben. Aber sicher würde alles gutgehen, versicherte sie und lachte noch einmal.
Zehn Millionen Kronen.
Aksel kam diese Zahl astronomisch vor. Er versuchte sich vor Augen zu halten, daß er seit einer Ewigkeit schon nicht mehr wußte, was eine Krone wert war, und daß Norwegen schließlich als extrem teures Land galt. Das hatte er immerhin begriffen, wenn er ab und zu auf einen Artikel über seine alte Heimat gestoßen war. Aber eine gute Million Dollar war nun einmal eine gute Million Dollar, egal wie und wo auf der Welt. Sogar in Beacon Hill in Boston könnte er damit einen Unterschlupf mieten. Und Oslo konnte ja wohl nicht teurer sein als Beacon Hill.
Mrs. Davis war mit ihm nach Hyannis gefahren, um ihn neu einzukleiden. Er hatte sich dem nicht entziehen können. Aksel Seier war von ihrer Wahl nicht ganz überzeugt, vor allem die karierten Hosen aus dem K*mart fand er unbequem. Mrs. Davis meinte, daß Karos und Pastellfarben ihn reich aussehen ließen, und er war schließlich reich, und damit basta. Als er etwas von Cape Cod Mall murmelte, hatte sie die Augen verdreht und behauptet, die Läden dort raubten ihre Kunden einfach nur aus. Was es nicht im K*mart gebe, sei des Einkaufs nicht wert. Jetzt besaß er einen Koffer voller Kleider, die ihm nicht gefielen. Mrs. Davis hatte seine alten Flanellhemden und Jeans beschlagnahmt, sie wollte alles waschen und dann der Salvation Army spenden.
Er durfte nicht vergessen, Patrick anzurufen.
Aksel trat einen Schritt vom Spiegel zurück. So, wie das Licht jetzt fiel, schräg vom Fenster her, konnte er sich in dem fleckigen Glas nur mit Mühe erkennen. Nicht nur seine Haare kamen ihm fremd vor. Er versuchte, sich gerade hinzustellen. Etwas in seinem Nacken und seinen Schultern hinderte ihn daran. Seit allzu vielen Jahren hatte er zu Boden geschaut. So war Aksel geworden, nach Tausenden von Tagen voll harter Arbeit, von allen anderen abgewandt, und langen Abenden, an denen er den Kopf über feine Handarbeiten und eigene Gedanken gebeugt hatte.
Wieder hob er den Kopf. Zwischen seinen Schulterblättern spürte er ein Stechen. Er sah jetzt dünner aus. Er zwang sich, so stehenzubleiben. Dann fuhr er mit der Hand über sein braunes Sakko und fragte sich, ob er auf der Reise einen Schlips tragen sollte. Ein Schlips flößte den anderen Respekt ein. Darin hatte Mrs. Davis immerhin recht.
Wenn sein Geld ausreichte, würde er Patrick eine Reise übers Meer spendieren. Obwohl sein Freund im Sommerhalbjahr gut verdiente, ging in den langen Wintermonaten ohne sonderliche Einnahmen fast alles für die Wartung des Karussells und den Lebensunterhalt drauf. Patrick war nie wieder in Irland gewesen. Er könnte nach Oslo kommen, eine oder zwei Wochen dort verbringen und über Dublin nach Hause fliegen, wenn er wollte.
Aksel spürte plötzlich, daß er sich fürchtete. Noch immer hatte er vor seiner Abreise viel zu erledigen. Er mußte sich zusammenreißen.
Er war noch nie geflogen, aber das war es nicht, was ihm angst machte.
Vielleicht wollte Eva
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