In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05
»Versprochen.«
»Wir spielen wieder FBI«, sagte die Frau. »Das hat sich bewährt.«
»Alle drei?«, fragte der Fahrer. »Was ist mit der Kleinen?«
Die Frau überlegte. Sie musste los, weil sie die Schützin war. Und wenn sie das Team in zwei und eins aufteilen musste, wollte sie den großen Kerl bei sich haben, nicht den Fahrer.
»Du bleibst bei ihr«, befahl sie.
Kurzes Schweigen.
»Zeitlimit?«, fragte der Fahrer.
Das war das übliche Vorgehen. Musste das Team geteilt werden, legte die Frau ein Zeitlimit fest. Das bedeutete, dass man bis zum Ablauf der festgesetzten Zeit wartete; waren dann nicht wieder alle zusammen, verschwand man schnellstens und schlug sich allein durch.
»Vier Stunden, okay?«, sagte die Frau. »Dann gründlich abstauben.«
Sie starrte ihn noch einige Sekunden mit hochgezogenen Augenbrauen an, um sicherzugehen, dass er ihren verschlüsselten Befehl verstanden hatte. Dann zog sie den Reißverschluss des schweren Koffers auf.
»Also los!«, sagte sie.
Sie tarnten ihren Wagen genau wie für Al Eugene, nur ging das diesmal viel schneller, weil der Crown Vic nicht auf einem staubigen Rastplatz irgendwo am Ende der Welt, sondern auf dem Motelparkplatz stand. Auf dem nur schwach beleuchteten und größtenteils leeren Areal war um diese Zeit niemand unterwegs, aber sie fühlten sich trotzdem unsicher. Sie zogen die Zierblenden ab und warfen sie in den Kofferraum. Sie brachten die Funkantennen an Heckscheibe und Kofferraumdeckel an. Sie zogen die Reißverschlüsse ihrer dünnen blauen Windjacken zu. Sie steckten Reservemagazine ein. Sie rückten die Baseballmützen mit FBI-Aufdruck auf ihren Köpfen zurecht. Sie prüften ihre Neunmillimeter-Pistolen, luden sie durch, sicherten sie und verstauten sie in ihren Jackentaschen. Der große Blonde setzte sich ans Steuer. Die Frau blieb noch einmal kurz an der Tür des Motelzimmers stehen.
»Vier Stunden«, wiederholte sie. »Dann gründlich abstauben.«
Der Fahrer nickte und schloss die Tür hinter ihr. Sah zu der
Kleinen hinüber. Gründlich abstauben hieß: Nicht das Geringste zurücklassen, vor allem keine lebenden Zeugen.
Reacher nahm die Heckler & Koch, die Straßenkarten und die FedEx-Sendung aus dem Wagen mit in Alice’ Haus und ging geradewegs damit in die Küche. Hier war es still und kühl.
»Wo ist die Waage?«, fragte er.
Sie öffnete ein Schrankfach, hob mit beiden Händen eine Küchenwaage heraus und stellte sie auf die Arbeitsplatte. Das Ding war ziemlich groß. Es war neu, sah aber alt aus: Retrodesign. Es besaß eine große weiße Anzeige, die an den Tacho einer altmodischen Limousine erinnerte. Davor befand sich eine gewölbte Abdeckung aus durchsichtigem Kunststoff mit einem verchromten Spannring. Auf der Anzeige waren ein roter Zeiger und große Ziffern am Skalenrand zu sehen. Dazu der Name des Herstellers und eine Warnung: Nicht für Handelszwecke zugelassen .
»Wiegt sie genau?«, fragte er.
Alice zuckte mit den Achseln.
»Ich glaube schon«, sagte sie. »Die Nusspastete gelingt jedenfalls.«
In der Halterung über der Anzeige lag die verchromte Wiegeschale. Als er sie mit dem Zeigefinger antippte, schnellte der Zeiger hoch. Er zog das Magazin aus der Heckler & Koch und legte die leere Pistole in die Schale.
Der Zeiger rückte auf zwei Pfund und sechs Gramm vor. Keine besonders leichte Waffe. Das Gewicht schien ungefähr zu stimmen. Soviel er sich erinnerte, lag das Kataloggewicht dieser Pistole mit leerem Magazin bei ungefähr dreiundvierzig Unzen.
Er schob das Magazin wieder in die Waffe und öffnete Schranktüren, bis er zu den Lebensmittelvorräten kam. Als Erstes nahm er eine noch verschlossene Tüte mit Kristallzucker
heraus. Auf der Seite der Packung war das Gewicht angegeben: 5 lbs.
»Was machen Sie?«, fragte Alice.
»Ich wiege Sachen«, erwiderte er.
Er stellte die Tüte aufrecht in die verchromte Schale. Der Zeiger drehte sich und blieb bei genau fünf Pfund stehen. Er stellte den Zucker in den Schrank zurück und versuchte es mit einer Zellophanpackung, die gehackte Nüsse enthielt. Diesmal zeigte die Küchenwaage zwei Pfund an. Er warf einen Blick aufs Etikett und las: 2 lbs.
»Genau genug«, sagte er.
Er faltete die Straßenkarten zusammen und legte sie quer über die Schale. Sie wogen ein Pfund und drei Unzen. Er nahm sie weg und stellte wieder die Nüsse darauf. Noch immer zwei Pfund. Dann versuchte er es mit der FedEx-Sendung. Sie wog ein Pfund und eine Unze. Als er die
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