In Liebe, Rachel
beschäftigen. Anna hatte jeden Tag Pop-Tarts zum Frühstück gegessen, weil Paul immer wieder vergessen hatte, Milch zu kaufen.
Alpträume bestimmten Kates kurze, schlaflose Nacht. Sie befand sich in einem schwankenden Kanu voller leerer Flaschen, verlorener Turnschuhe und umherflatternder Einverständniserklärungen für Schulausflüge und suchte vergebens nach den Rudern. Das Kanu schwankte bedenklich, und sie versuchte, ihre drei schreienden Kinder festzuhalten, als sie auf die Stromschnellen zusteuerten.
Als sie auf der Seite von New Jersey den Tunnel unter dem Hudson River verließen und ein Regenschauer niederging, schaltete Jo die Scheibenwischer ein. »Kate, stöpsele mal meinen iPod ein. Ich brauche Musik.«
Kate stöberte durch die Songs auf dem iPod und ließ dann ein Blues-Stück von Nina Simone laufen.
Sie sank zurück in ihren Sitz und wischte einen Taschentuchfetzen von ihrer Jeans. Sie hatte sich bewusst für ein Fußball-Mom-Outfit entschieden – Jeans, Turnschuhe, ein bequemes Sweatshirt. Jos Flehen, etwas Verführerisches anzuziehen und schnell noch zum Friseur zu gehen, hatte sie widerstanden. Stattdessen hatte sie die Haare zu einem praktischen Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie wollte Paul vertraut erscheinen, ungefährlich, ihm zeigen, dass sie bereit war, genau dort weiterzumachen, wo sie aufgehört hatten.
Wirklich vermisst hat er mich nicht.
Kate klemmte das Taschentuch zwischen die Knie und zog sich die Ärmel des Sweatshirts über die Hände, während Nina Simone traurig von einer Ehe sang, die in die Brüche gegangen war.
»Hör auf zu grübeln«, verlangte Jo und stupste Kate an. »Ich habe dir doch gesagt, dass noch nicht alles verloren ist. Fünfzehn Jahre Ehe und drei Kinder werden nicht einfach wertlos wegen einer Ausschweifung, die noch nicht einmal einen sexuellen Hintergrund hatte.«
Kate brachte ein schwaches Lächeln zustande.
»Was auch immer passiert«, fuhr Jo fort, während sie einen Schluck Kaffee aus ihrem Becher nahm und sich den Schaum von den Lippen leckte, »du kannst immer bei mir unterkommen.«
»Wir könnten uns die Kosten teilen. Und ein paar Katzen anschaffen.«
»O nein, Schätzchen, keine Katzen. Ich habe schon genug mit Grace zu tun, vielen Dank.« Jo warf einen Blick auf ihr Handy, das auf dem Armaturenbrett die Melodie von Ray LaMontagnes »Trouble« von sich gab. »Das ist das Büro! Ich muss drangehen, Kate.«
Jo stellte den Kaffee in den Becherhalter, drückte eine Taste und sprach mit ihrer Arbeitsstimme. Kate nahm ihren eigenen Becher – heiße Schokolade mit Schlagsahne – und umfasste den süßen Trost mit beiden Händen.
Während sie den schnurgeraden Highway durch New Jersey entlangrasten, an riesigen Schildern vorbei, gemeinsam mit anderen Autofahrern, die artig den Blinker setzten, konnte sie sich seltsamerweise nicht mehr in die Stimmung zurückversetzen, in der sie nach ihrem ersten Fallschirmsprung gewesen war. Warum hatte sie es nur für eine so gute Idee gehalten, plötzlich alles hinter sich zu lassen? Warum hatte sie geglaubt, ihre Ehe zu beleben, wenn sie ihrer Familie für beinahe zwei Wochen den Rücken kehrte? Jetzt, in diesem schicken ausländischen Auto, an dem Tankstellen, Bürogebäude und die übersichtliche Landschaft vorüberzogen, erschien ihr die Idee so exotisch fremd wie eine Herde Kühe, die über die Leitplanken kletterte und auf die Route 3 marschierte.
Unverzeihlich!
Sie rollte ihren Kopf hin und her und beugte ihn nach vorn, versuchte, die von der Nacht auf der Couch verspannten Nackenmuskeln zu lockern. Zwei volle Tage hatte sie gegrübelt und nachgedacht, wie sie alles wieder in Ordnung bringen könnte. Sie fühlte sich so kraft- und schutzlos, dass der stürmische Oktoberwind sie sicher geradewegs davonwehen würde, wenn da nicht die Windschutzscheibe wäre. So viel wusste sie: Was geschehen war, war geschehen. Nun galt es, nach vorn zu blicken und die Dinge zum Besseren zu wenden.
Damit hatte sie schon begonnen. Sie war auf dem Weg zu ihrer Familie. Sie würde ein langes Gespräch mit Tess’ Trainer führen. Sie würde Michaels Lehrer um eine Verlängerung für das Projekt bitten, um Geduld und ein wenig Nachsicht. Sie würde Anna einen Tag nicht zur Schule schicken, sondern mit ihr ihren Lieblingspark unsicher machen. Sie würde das Haus vom Keller bis zum Dachboden schrubben, die Speisekammer bis auf den letzten Millimeter füllen, Makkaroni mit Käse kochen, ein Huhn braten und
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