In Nomine Mortis
einen Punkt genauso wie die Juden: Wenn es einem Kapitän
hilft, seinen Hafen zu finden, dann kann es keine Sünde sein.«
»Kennt Ihr die jüdischen
Zeichner aus Spanien?«, fragte ich. Sie schüttelte den Kopf.
»Ich habe nie einen zu Gesicht bekommen, doch Namen habe ich schon
gehört. Mein Gatte sprach bewundernd von einem Meister mit Namen
Angelino Dulcert aus Mallorca. Und von einem Abraham Cresques, einem
jungen Mann, der mit feinem Strich arbeitet.«
»Habt Ihr von einem
Nechenja ben Isaak gehört?« Ich wagte kaum, diese Frage zu
stellen.
Klara Helmstede dachte kurz
nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, nie. Wer soll das
sein?«
»Das ist gleichgültig.
Es war nur so ein Gedanke«, antwortete ich rasch und bemühte
mich, meine Stimme nicht allzu enttäuscht klingen zu lassen.
Klara Helmstede musterte mich
aufmerksam. »Bruder Ranulf, darf ich zur Abwechslung auch an Euch
eine Frage stellen?« Ich machte eine vage Geste. »Stellt Eure
Frage, Frau Helmstede.«
»Wohin will mein Gatte
reisen?«
Verblüfft starrte ich
sie an. Es dauerte einige Augenblicke, bis ich verstanden hatte, was sie
von mir wissen wollte. »Ich dachte, das könntet Ihr mir erklären!«,
rief ich dann.
Da lachte Klara Helmstede.
»Mein Gatte ist in den letzten Tagen ständig in Paris
unterwegs. Ich weiß nicht, was er tut, oder wo er hingeht.
Selbstverständlich sehe ich, dass die ›Kreuz der Trave‹
für eine Fahrt bereit gemacht wird - für eine sehr lange Fahrt,
wie mir scheint-, doch mein Gatte redet nicht mit mir darüber. Ich
kenne nicht einmal den Tag unserer Abreise, auch wenn ich vermute, dass er
nicht mehr allzu fern ist.«
Ich schüttelte bedauernd
den Kopf. »Ich muss Euch gestehen, dass ich in diesen Dingen um
nichts klüger bin als Ihr«, antwortete ich betrübt.
»Warum glaubt Ihr, dass er nicht einfach nach Lübeck zurückkehren
will?«
»Wir laden mehr Vorräte,
als wir für eine solche Reise eigentlich an Bord haben müssten.
Wir könnten doch unterwegs in vielen Häfen anlegen, um Wasser
und Speisen aufzunehmen, so wie wir es auf der Hinfahrt auch getan haben.«
»Das könntet Ihr
nicht, Frau Helmstede«, sagte ich. »Die Seuche, von der alle
Menschen sprechen, wütet in Frankreich und in vielen anderen Ländern
der Christenheit. Vielleicht erscheint es Eurem Gatten da sicherer, Paris
zu verlassen und nirgendwo anzulegen, bis Ihr Lübeck erreicht habt.«
Und, doch das verriet ich der
Reedersgattin nicht, schneller war es obendrein: Bereitete Richard
Helmstede seine Flucht vor? Fürchtete er Verfolger, die ihn in einem
Hafen einholen und stellen könnten? Würde er sich überhaupt
nach Norden wenden, nach Lübeck? Wer könnte ihn, hätte er
erst einmal die hohe See erreicht, daran hindern, gen Süden zu
segeln? Nach Spanien etwa, zu den jüdischen Kartografen? Würden
ausgerechnet Juden, die ketzerische Seekarten zeichneten, einen Mann - und
guten Kunden - wie Richard Helmstede an die Inquisition verraten?
Mir schwindelte bei diesen
Gedanken und ich griff nach dem Wein, den Klara Helmstede mir bereitwillig
reichte. Sie schien erleichtert zu sein.
»Ich danke Euch, Bruder
Ranulf«, sagte sie freundlich. »Nie zuvor ist ein Kapitän
von Frankreich bis nach Lübeck — oder irgendeinen anderen
Ostseehafen - gesegelt, ohne unterwegs gar manchen Hafen anzulaufen.
Deshalb habe ich an eine solche Möglichkeit gar nicht gedacht.
Sicherlich will mein Gatte die ›Kreuz der Trave‹ ungestört
nach Lübeck bringen, auch wenn ich noch immer nicht zu sagen vermag,
warum er dann mir gegenüber so verschlossen ist. Ich hatte bislang,
zumal er so schweigsam war, befürchtet, er könnte«, sie
schien einen Augenblick lang nach den richtigen Worten zu suchen, »nun,
um es frank und frei zu sagen: Ich hatte Angst, dass mein Mann dorthin
reisen will, wohin auch sein Bruder gereist ist. Zum Land der Teufel.«
Ich verschluckte mich am Wein
und hustete. »Selbst wenn es ein solches Land gäbe — und
warum sollte GOTT dies zulassen? —, so wüsste Euer Gatte doch
nicht, wo es liegt.«
»Bruder Heinrich hätte
es ihm sagen können«, antwortete Klara Helmstede knapp.
»Er hat dem sterbenden
Kapitän die Beichte abgenommen!«, rief ich empört. »Niemals
würde ein Dominikaner das Beichtgeheimnis verletzten, schon gar nicht
…« Ich verstummte.
»Schon gar nicht einem
Laien gegenüber,
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