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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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der zudem bloß ein Krämer ist«,
     vollendete die Reedersgattin und lachte. »Da habt Ihr wohl recht
     gesprochen, Bruder Ranulfl Ich danke Euch noch einmal. Ihr habt eine große
     Last von meiner Seele genommen, die mich all die letzten Tage bedrückte.
     Doch nun glaube ich, dass mein Gatte nicht finsteren Ländern
     entgegensteuern will, sondern, im Gegenteil, meiner Heimatstadt. In den nächsten
     Wochen oder vielleicht nur Tagen werden wir Paris verlassen.«
    Ich sagte nichts dazu und
     neigte nur leicht mein Haupt. So sicher war ich mir nicht, dass Richard
     Helmstede bald aus der Stadt verschwinden konnte. Ich würde mit
     Meister Philippe reden müssen. Außerdem, auch wenn ich mich
     verzweifelt bemühte, nicht daran zu denken, versetzte es meinem
     Herzen doch einen Stich, wenn ich mir vorstellte, dass ich Klara Helmstede
     womöglich niemals mehr wiedersehen würde.
    Vielleicht war es dieser Trübsinn,
     vielleicht war es auch der Wein — ich war jedenfalls nicht so
     wachsam, wie es einem Mönch doch gerade in Gegenwart eines Weibes
     geziemt.
    Klara Helmstede erhob sich
     vom Tisch, zum Zeichen dafür, dass das Mahl beendet sei. Hastig
     sprang auch ich auf und wollte schon Abschiedsworte murmeln, da neigte die
     Reedersgattin leicht das Haupt. »Erlaubt Ihr, Bruder Ranulf, dass
     ich Euch ein Stück weit des Weges zurück zum Kloster begleite?«                     
    Als sie meinen entsetzten
     Blick sah, hob sie die Hände und lachte. »Oh, seid unbesorgt!
     Meine Dienerin wird uns weite Umhänge bringen, niemand soll uns
     erkennen. Ich werde Euch nicht lange begleiten, vielleicht nur bis zum
     Ende des Katzenmarktes. Ich glaube nur, dass ich noch einmal aus den
     Mauern dieses Hauses entkommen, dass ich die frische Luft - und seien es
     nur die Ausdünstungen der Stadt - atmen muss, bevor die Nacht
     anbricht. So befreit fühle ich mich jetzt, da ich glaube, das Ziel
     unserer baldigen Abreise zu kennen!« Und ich? In meiner Seele regte
     sich kein Widerspruch, nicht ein abweisendes Wort kam über meine
     Lippen. Nein, im Gegenteil: Ich verneigte mich, murmelte meinen Dank und
     sagte, wie sehr ich mich freue, dass sie noch einige Schritte an meiner
     Seite gehen wolle. So kam es, dass die Dienerin, die mich nicht anblicken
     mochte, mir mit gesenktem Haupt einen weiten, grauen Umhang reichte, der
     meinen Mönchshabit vollkommen verbarg. Einen ebensolchen Umhang warf
     sich Klara Helmstede über, sodass man in ihr, sah man nicht allzu
     genau auf den Gang, nicht einmal eine Frau erkennen konnte. Wie zwei graue
     Schatten glitten wir aus dem Haus. Hinein in eine Nacht der Feuer.
    *
    Erst vor dem Haus fiel mir
     wieder ein, dass nun die Johannisnacht anbrach. Wobei »Nacht«
     noch nicht das richtige Wort war für jenen sommerlichen Dämmerzustand,
     da die Sonne zwar nicht mehr am Himmel stand, die Dunkelheit sich jedoch
     noch nicht einstellen wollte. Schwer und feucht stand die Luft in den
     Gassen und Straßen. Blassblau war der Himmel, wie ein verwaschenes
     Gewand. Schwärzliche und gräuliche Schwaden durchzogen ihn, denn
     überall loderten bereits die Feuer auf: In den Gassen, auf den Plätzen,
     an den Ufern der Seine, ja auf den Brücken selbst, obzwar diese aus
     Eichenbalken gezimmert waren, standen hoch aufgerichtete Scheiterhaufen.
     Auch auf dem Katzenplatz leckten die ersten Lohen an Reisig und Holz, als
     Klara Helmstede und ich das »Haus zum Hahn« verließen.
     »Lasst uns näher zum Feuer gehen, Bruder Ranulf, ich bitte
     Euch!«, rief die Reedersgattin. Und wahrhaftig, sie fasste meine
     Hand und zog mich mit. Welche sündige Wonne es war, ihre Hand in der
     meinen zu spüren!
    Niemand achtete unser. Nie
     zuvor in meinem Leben hatte ich so viele Menschen auf einem so engen Platz
     zusammengedrängt gesehen, wie in jener vom Gewitter bedrohten Nacht
     auf dem Katzenplatz hinter Les Halles in Paris. Die Bürger der Stadt
     waren wohl alle auf den Beinen, dazu Bauern aus dem Umland, fahrendes Volk
     und unzählige Flüchtlinge aus allen Städten und Provinzen
     des Reiches. Wir drängten uns an lachenden Männern und Frauen
     vorbei, an kreischenden Kindern und kläffenden Hunden. Es war, als
     habe jedermann beschlossen, in der Johannisnacht nicht an die Seuche zu
     denken, die irgendwo jenseits der Stadtmauern auf uns Sünder lauerte.
     Ich roch Ochsenbraten, heißes Fett und warmes Brot und die Weinschläuche
     kreisten von Mund zu Mund. Ich schloss

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