In Nomine Mortis
der zudem bloß ein Krämer ist«,
vollendete die Reedersgattin und lachte. »Da habt Ihr wohl recht
gesprochen, Bruder Ranulfl Ich danke Euch noch einmal. Ihr habt eine große
Last von meiner Seele genommen, die mich all die letzten Tage bedrückte.
Doch nun glaube ich, dass mein Gatte nicht finsteren Ländern
entgegensteuern will, sondern, im Gegenteil, meiner Heimatstadt. In den nächsten
Wochen oder vielleicht nur Tagen werden wir Paris verlassen.«
Ich sagte nichts dazu und
neigte nur leicht mein Haupt. So sicher war ich mir nicht, dass Richard
Helmstede bald aus der Stadt verschwinden konnte. Ich würde mit
Meister Philippe reden müssen. Außerdem, auch wenn ich mich
verzweifelt bemühte, nicht daran zu denken, versetzte es meinem
Herzen doch einen Stich, wenn ich mir vorstellte, dass ich Klara Helmstede
womöglich niemals mehr wiedersehen würde.
Vielleicht war es dieser Trübsinn,
vielleicht war es auch der Wein — ich war jedenfalls nicht so
wachsam, wie es einem Mönch doch gerade in Gegenwart eines Weibes
geziemt.
Klara Helmstede erhob sich
vom Tisch, zum Zeichen dafür, dass das Mahl beendet sei. Hastig
sprang auch ich auf und wollte schon Abschiedsworte murmeln, da neigte die
Reedersgattin leicht das Haupt. »Erlaubt Ihr, Bruder Ranulf, dass
ich Euch ein Stück weit des Weges zurück zum Kloster begleite?«
Als sie meinen entsetzten
Blick sah, hob sie die Hände und lachte. »Oh, seid unbesorgt!
Meine Dienerin wird uns weite Umhänge bringen, niemand soll uns
erkennen. Ich werde Euch nicht lange begleiten, vielleicht nur bis zum
Ende des Katzenmarktes. Ich glaube nur, dass ich noch einmal aus den
Mauern dieses Hauses entkommen, dass ich die frische Luft - und seien es
nur die Ausdünstungen der Stadt - atmen muss, bevor die Nacht
anbricht. So befreit fühle ich mich jetzt, da ich glaube, das Ziel
unserer baldigen Abreise zu kennen!« Und ich? In meiner Seele regte
sich kein Widerspruch, nicht ein abweisendes Wort kam über meine
Lippen. Nein, im Gegenteil: Ich verneigte mich, murmelte meinen Dank und
sagte, wie sehr ich mich freue, dass sie noch einige Schritte an meiner
Seite gehen wolle. So kam es, dass die Dienerin, die mich nicht anblicken
mochte, mir mit gesenktem Haupt einen weiten, grauen Umhang reichte, der
meinen Mönchshabit vollkommen verbarg. Einen ebensolchen Umhang warf
sich Klara Helmstede über, sodass man in ihr, sah man nicht allzu
genau auf den Gang, nicht einmal eine Frau erkennen konnte. Wie zwei graue
Schatten glitten wir aus dem Haus. Hinein in eine Nacht der Feuer.
*
Erst vor dem Haus fiel mir
wieder ein, dass nun die Johannisnacht anbrach. Wobei »Nacht«
noch nicht das richtige Wort war für jenen sommerlichen Dämmerzustand,
da die Sonne zwar nicht mehr am Himmel stand, die Dunkelheit sich jedoch
noch nicht einstellen wollte. Schwer und feucht stand die Luft in den
Gassen und Straßen. Blassblau war der Himmel, wie ein verwaschenes
Gewand. Schwärzliche und gräuliche Schwaden durchzogen ihn, denn
überall loderten bereits die Feuer auf: In den Gassen, auf den Plätzen,
an den Ufern der Seine, ja auf den Brücken selbst, obzwar diese aus
Eichenbalken gezimmert waren, standen hoch aufgerichtete Scheiterhaufen.
Auch auf dem Katzenplatz leckten die ersten Lohen an Reisig und Holz, als
Klara Helmstede und ich das »Haus zum Hahn« verließen.
»Lasst uns näher zum Feuer gehen, Bruder Ranulf, ich bitte
Euch!«, rief die Reedersgattin. Und wahrhaftig, sie fasste meine
Hand und zog mich mit. Welche sündige Wonne es war, ihre Hand in der
meinen zu spüren!
Niemand achtete unser. Nie
zuvor in meinem Leben hatte ich so viele Menschen auf einem so engen Platz
zusammengedrängt gesehen, wie in jener vom Gewitter bedrohten Nacht
auf dem Katzenplatz hinter Les Halles in Paris. Die Bürger der Stadt
waren wohl alle auf den Beinen, dazu Bauern aus dem Umland, fahrendes Volk
und unzählige Flüchtlinge aus allen Städten und Provinzen
des Reiches. Wir drängten uns an lachenden Männern und Frauen
vorbei, an kreischenden Kindern und kläffenden Hunden. Es war, als
habe jedermann beschlossen, in der Johannisnacht nicht an die Seuche zu
denken, die irgendwo jenseits der Stadtmauern auf uns Sünder lauerte.
Ich roch Ochsenbraten, heißes Fett und warmes Brot und die Weinschläuche
kreisten von Mund zu Mund. Ich schloss
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