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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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meine Hand fester um die von Klara
     Helmstede.
    So gelangten wir denn tatsächlich
     bis an den Rand des größten Holzstoßes, der sich mitten
     auf dem Platz erhob. Heiß waren die Flammen, rot und gelb loderten
     sie hoch, fast bis zu den Dachfirsten der Häuser am Rande. Funken
     stoben wie leuchtende Gespenster durch die Luft und erloschen mitten im
     Flug. Das Holz knackste und ächzte, als würde ein schwerer Sturm
     durch einen alten, müden Wald fahren.
    Ein paar Vaganten spielten
     mit Fidel, Laute und Schalmei auf. Ich blickte mich flüchtig um, ob
     ich wohl die mächtige Gestalt des Pierre de Grande-Rue ausmachen könnte,
     doch sah ich niemanden, der ihm ähneln mochte. Die lustigen Weisen
     vermischten sich mit dem Prasseln des Feuers, mit den Rufen und Gesängen
     der Feiernden. Mir schwindelte.
    Ich weiß nicht, wie
     lange Klara Helmstede und ich dort standen am Rande des Feuers, das
     brannte und brannte und doch das Holz nicht zu verzehren schien. Immer
     lauter wurden Musik und Geschrei, immer dunkler wurde der Katzenplatz,
     denn endlich kam die Nacht über die Stadt wie ein heimlicher Besucher
     und legte ein schwarzes Tuch über die Dächer von Paris —
     ein Tuch, in das unzählige Scheiterhaufen rote Löcher
     hineinbrannten.
    Plötzlich kam von
     irgendwoher wie ein Windhauch, der an einem Sommertag die Oberfläche
     eines stillen Sees kräuselt, Bewegung in die Menge, die dicht gedrängt
     am Feuer stand. Lauter spielte nun die Musik und schneller, immer
     schneller. Und dann tanzten die Menschen. Zuerst waren es nur einige Männer
     und Frauen, die sich die Arme um die Schultern legten und einen kleinen
     Kreis formten. Dann wurden es mehr und immer mehr. Auch ich spürte an
     meiner rechten Schulter plötzlich einen fremden, weichen Arm mit
     duftender Haut: Es war eine Magd oder Bäuerin, nicht mehr jung, doch
     fröhlich und mit erhitztem Gesicht. Sie wollte tanzen, doch blickte
     sie mich kaum an, war vielleicht auch schon verwirrt vom Wein, sodass sie
     selbst dann nicht den Mönch in mir erkannte, da sie sich an mich drückte.
     Da legte Klara Helmstede ihren Arm um meine andere Schulter und lachte
     hell. Ihren zweiten Arm hatte sie um einen jungen Burschen in einem roten
     Wams geschlungen.
    So fand ich mich, der
     Dominikaner und Gehilfe eines Inquisitors, auf einmal gefangen in einem
     wilden Reigen. Nach rechts tanzte die Menge, dann nach links, dann wieder
     nach rechts. Große, wogende Kreise bildeten die Menschen um das
     Feuer und sangen Weisen, deren wilde Worte ich nie zuvor vernommen hatte.
     Sie dünkten mir wolllüstig, sündig, ja heidnisch - und doch
     berauschte ich mich am Wogen der Leiber, am Gesang, an der wilden Musik,
     am Feuer. Tanzen konnte ich nicht, doch stolperte ich mit, mal ein paar
     Schritte nach rechts, dann wieder einige Schritte nach links, hin und her,
     hin und her, bis ich nicht mehr wusste, wo ich eigentlich war. Mein
     einziger Halt war der warme, anschmiegsame Körper der Reedersgattin,
     die ich nun fest im Arm hielt. Aus dem Schreien und Toben und Singen hörte
     ich stets das helle Lachen von Klara Helmstede heraus. Schließlich,
     es mag wohl schon zur elften Stunde gewesen sein, drängten wir uns
     hinaus aus dem tobenden Reigen der Feiernden. Ich vermag heute nicht mehr
     zu sagen, wie dies vor sich gegangen sein mag. Klara Helmstede und ich
     sprachen kein Wort miteinander - dazu war es auch viel zu laut -, doch wie
     durch einen geheimnisvollen Zauber wussten wir beide, dass es nun genug
     war mit Tanz und Musik. Wir strebten vom Katzenmarkt Richtung Les Halles
     und ich, verblendeter Narr, der ich war, glaubte, dass mich die
     Reedersgattin nun vielleicht doch bis zum Ufer der Seine begleiten und mir
     dann Lebwohl sagen würde. Schon der Gedanke, dass ich noch einige
     Schritte an ihrer Seite gehen durfte, machte mich glücklich und
     trunken. Doch ihr Sinn stand nicht nach einem nächtlichen
     Spaziergang. Als wir bei Les Halles waren, fasste mich Klara Helmstede bei
     der Hand und zog mich mit erstaunlicher Kraft in eine Sackgasse, die
     einige Schritte vom Marktplatz wegführte.
    Auch bei Les Halles brannten
     hohe Feuer, doch ihr Lichtschein drang nur noch als rötliches Glimmen
     zwischen die Hauswände, welche die Gasse umschlossen. Ich erkannte,
     dass es fensterlose Speicher waren, deren Ziegelwände links und
     rechts und am Ende der Gasse fast bis zum Nachthimmel aufragten wie die
     Mauern einer Festung. Noch schwerer

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