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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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nun aus
     meiner Kutte tropfte. Eine kleine Wasserlache hatte sich rings um mein
     Gewand gebildet. Schwitzend stand ich da und wagte kaum zu atmen. Hatte
     jemand ein Auge auf mich? Wurde ich beobachtet? Alle Mönche hielten
     den Kopf gesenkt und beteten.                     
    Nach einer kleinen Ewigkeit
     kam endlich der Segensspruch und wir wandten uns dem Ausgang zu. Ich
     suchte in den Reihen der verhüllten Mönche nach Meister
     Philippe, konnte ihn jedoch nicht erkennen. Doch ich war mir sicher, dass
     dem Inquisitor die Wasserlache zu meinen Füßen nicht entgangen
     war.

 
    10
    DAS LAND UNTERHALB DES
     PARADIESES
    Am nächsten Morgen
     wachte ich in aller Frühe auf, noch vor der Prim. Es war der Tag des
     heiligen Johannes des Täufers - ob er mich wohl mit dem Wasser des
     Jordan besprengt hätte, um mir meine Sünden abzuwaschen?
    Ich wusste, dass ich mich
     gegen SEINE Gebote vergangen hatte. Hatte nicht sogar Jesus am Berg viel lässlichere
     Vergehen getadelt? Audistis
     quia dictum est antiquis non moechaberis. Ego autem dico vobis quoniam
     omnis qui viderit mulierem ad concupiscendum eam iam moechatus est eam in
     corde suo.  
    Auch hatte ich lange genug
     studiert, um die Bußbücher, in denen jede Sünde
     verzeichnet war, und auch, wie sie zu sühnen sei, zu kennen. Regino
     von Prüm etwa, der strenge Zuchtmeister, hatte in seinem Werk für
     die schlimmsten Formen der Wollust sieben Jahre Buße gefordert -
     genauso viel wie für denjenigen, der einen anderen Menschen
     erschlagen hatte.
    Als wir im Kloster das Buch
     studierten, da wiesen uns die älteren Mitbrüder besonders auf
     die Gefahren der Sodomie hin und auf die Sünde Onans, denn diese
     beiden Formen der Wollust sind es ja vor allem, welche uns Mönche
     bedrohen.
    Doch an jenem Morgen
     erinnerte ich mich, dass Regino von Prüm auch flammende Worte wider
     Mann und Weib gefunden hatte, wenn sie sich nicht der Natur gemäß
     vereinten. Wenn die Frau etwa in den Mund nahm, was nicht für den
     Mund bestimmt war, dann forderte das Buch sieben Jahre Buße. Auch
     wenn das Weibe auf dem Manne lag, wenn also zur Sünde der Wollust
     noch die schändliche Umkehrung der Verhältnisse zwischen
     Herrscher und Beherrschter hinzukam, musste man sich sieben Jahre
     kasteien, musste pilgern und fromme Werke tun.
    Danach hätte ich schon
     nach dieser einen Nacht mindestens zweimal sieben Jahre Buße tun müssen.
     Und doch dachte ich,-wenn ich mich der Sünden erinnerte, die Regino
     von Prüm so sehr geißelte, mit wohligem Schauer zurück.
     Fast vermeinte ich gar, wieder den Duft von Klaras Haut zu atmen und zu
     entflammen unter ihren erfahrenen Liebkosungen.
    Und trotzdem: Ein Teil meiner
     Seele wurde zerfressen von Reue und Scham. Ich fragte mich, ob ich
     beichten sollte, wagte es dann aber doch nicht. Als ich endlich zur Prim
     schritt, da blickte ich nicht einmal auf zum Altar, aus Angst, von IHM auf
     der Stelle zerschmettert zu werden.
    Auch an die düstere
     Gestalt dachte ich, vor der ich letzte Nacht geflohen war. Wer sonst
     mochte es sein, denn Satan? War ich nicht für immer verloren?
     Wandelte ich nicht schon mit einem Fuß im Reich der Finsternis?
    Doch noch während meine
     Seele sich in Qualen wand, gaukelte sie mir Bilder vor von Klara, von
     ihren blonden Locken, die auf helle Haut fielen. Meine Fingerkuppen
     zitterten, weil ich wieder die Brüste zu spüren vermeinte, die
     ich noch vor wenigen Stunden umfasst hatte. Hatte sie nicht versprochen,
     mich wiederzusehen? Wann würde sie mich wieder beglücken?
    So war ich denn am Boden
     zerstört und schwebte doch zugleich im Himmel, war reuig und demütig
     wie nur irgendein Mönch sein kann — und erging mich doch im
     Augenblick danach in wollüstigen Schwärmereien wie ein verwöhnter
     Edelmann.
    Ich blickte mich um und
     forschte verstohlen in den Gesichtern meiner Mitbrüder, die den
     Hymnus zur Prim anstimmten, ob ihnen wohl an mir Merkwürdiges, ja
     Alarmierendes auffallen möge. Doch niemand achtete meiner. Sorgfältig
     ließ ich meinen Blick noch einmal über die dunkel gewandeten Mönche
     wandern - plötzlich schauderte ich.
    Philippe de Touloubre fehlte
     in den langen Reihen der betenden Dominikaner.
    *
    So hatte ich denn, wiewohl
     dies kaum ein Trost sein konnte, etwas, das mich von meinen Gedanken an
     Wollust und Sünde fortführte. Ich fragte mich, während ich
     sang und betete und dabei doch nur Worte formte, die

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