In Nomine Mortis
der Theologie gestiftet hatte. Berühmt war es
und gerne hätte ich dort meine Studien betrieben. Doch inzwischen war
ich lange genug in Paris, um zu ahnen, dass ich so bald nicht dort
arbeiten würde. Inzwischen wusste ich auch, dass zumindest die
weltlichen Studenten bei den Bürgern wenig angesehen waren. Sie
galten als dem Weine übermäßig zugetan, als anmaßend
und rauflustig.
Da an der Universität,
deren Kollegien fast alle an der Place Maubert lagen, auch Medizin gelehrt
wurde, war der dortige Markt auf dem Platz auch dann noch eine Quelle für
Heilkräuter, wenn es andernorts keine mehr gab. Bruder Malachias war
einige Male hierher gekommen — bis eine abergläubische
Bauersfrau, die Pflanzen aus dem Wald angeboten hatte, ihn mit Steinen und
Unrat beworfen hatte, um ihn zu vertreiben; zu sehr hatte sie sein Gesicht
gefürchtet. Nun hatte sich Bruder Malachias die Kapuze so eng um den
Kopf geschlungen, dass sie Lippen und Kinn verbarg. Er ging einige
Schritte hinter mir und gab mir nur halblaut Anweisungen, bei welchem
Stand ich stehen zu bleiben hatte. Dann deutete er auf ein bestimmtes
Kraut, einen getrockneten Pilz oder ein paar Blüten, bezahlte
widerspruchslos jeden geforderten Preis und schritt weiter, seine neueste
Errungenschaft bereits in einem großen Lederbeutel verstauend, den
er am Gurt um seine Kutte trug.
So gingen wir wohl eine
Stunde über den Markt. Ich bemühte mich, unauffällig nach
Meister Philippe Ausschau zu halten, doch konnte ich ihn nirgendwo
erblicken. Warum auch, denn was hätte er ausgerechnet hier suchen mögen?
Als ich schon verzweifeln
wollte, denn mein Mitbruder hatte alle Heilkräuter gefunden,
bedeutete mich Malachias zu sich.
»Der Prior hat mir
aufgetragen, das Blindenhospiz zu besuchen«, lispelte er und sprach
dabei so undeutlich, dass ich nachfragen musste. »Wir sollen tatsächlich
zu den Blinden gehen, ins Quinze-vingt?« Malachias nickte nur. König
Ludwig der Heilige hatte es einst gegründet als Hospiz für fünfzehn
mal zwanzig Blinde, daher sein Name. Es lag am anderen Ufer der Seine, vor
der Porte Saint-Honore. »Wir sollen den Blinden einige Kräuter
bringen«, erklärte mir Malachias. »Der ehrwürdige
Vater will es so, auf dass das Volk in uns Dominikanern mildtätige Brüder
sehe, nicht nur herzlose Inquisitoren.« Er hielt erschrocken inne
und senkte dann den Blick. »Verzeiht mir, Bruder Ranulf«,
murmelte er.
»Ihr sprecht recht:
Jedermann furchtet die Inquisition. Das muss auch so sein. Doch auch dies
ist recht, dass wir Dominikaner der Herde GOTTES mehr sein müssen als
Hirtenhunde. Wir müssen auch die Qualen der Körper lindern«,
sprach ich und war stolz auf meine weisen Worte.
Im Geheimen zürnte ich
Bruder Malachias zwar wegen seiner Äußerung über die
Inquisitoren, doch ließ ich mir nichts anmerken, denn der Weg zum
Blindenhospiz würde uns quer durch die Stadt führen und mir
Gelegenheit bieten, nach Meister Philippe Ausschau zu halten - und nach
einer stolzen, blonden Frau, die gerne allein durch die Gassen von Paris
schritt.
Doch erblickte ich in den nächsten
beiden Stunden weder den Inquisitor noch sah ich Klara Helmstede. Ich war
enttäuscht und hoffte, dass Bruder Malachias mir dies nicht ansah.
Was die Gattin des Reeders
wohl gerade tat? Wie verzehrte ich mich schon nach ihr, kaum dass ich ein
paar Stunden ohne ihre Gegenwart ertragen musste! Nur dass die Kogge noch
immer an ihrem Platz lag, das erleichterte mich ein wenig.
Die Blinden wurden von
Zisterzienserinnen gepflegt, deren Abtei Saint-Antoine-des-Champs dem
Hospiz gegenüber lag. Quinze-vingt und das Kloster lagen im Schatten
vor der Stadtmauer, nur die Rue Saint-Honore trennte sie voneinander, eine
breite Straße, die nach Osten lief - und auf der niemand zu sehen
war. Bruder Malachias und ich blickten uns an, als wir durch das Stadttor
auf die menschenleere Straße hinausschritten, wir sprachen jedoch
kein Wort.
Dann überbrachten wir
den Schwestern die Kräuter. Sie boten uns Wasser und Brot zur Stärkung
an, doch da mein Begleiter freundlich, aber bestimmt ablehnte, verneinte
auch ich — obwohl mein Mund trocken war und mein Bauch grollte.
Auf dem Rückweg, wir
waren schon fast am Grand Pont, kamen wir an einem Lager der Zigeuner
vorbei. Jedermann weiß, dass es sich dabei um Christen aus
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