Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
Vom Netzwerk:
der Theologie gestiftet hatte. Berühmt war es
     und gerne hätte ich dort meine Studien betrieben. Doch inzwischen war
     ich lange genug in Paris, um zu ahnen, dass ich so bald nicht dort
     arbeiten würde. Inzwischen wusste ich auch, dass zumindest die
     weltlichen Studenten bei den Bürgern wenig angesehen waren. Sie
     galten als dem Weine übermäßig zugetan, als anmaßend
     und rauflustig.
    Da an der Universität,
     deren Kollegien fast alle an der Place Maubert lagen, auch Medizin gelehrt
     wurde, war der dortige Markt auf dem Platz auch dann noch eine Quelle für
     Heilkräuter, wenn es andernorts keine mehr gab. Bruder Malachias war
     einige Male hierher gekommen — bis eine abergläubische
     Bauersfrau, die Pflanzen aus dem Wald angeboten hatte, ihn mit Steinen und
     Unrat beworfen hatte, um ihn zu vertreiben; zu sehr hatte sie sein Gesicht
     gefürchtet. Nun hatte sich Bruder Malachias die Kapuze so eng um den
     Kopf geschlungen, dass sie Lippen und Kinn verbarg. Er ging einige
     Schritte hinter mir und gab mir nur halblaut Anweisungen, bei welchem
     Stand ich stehen zu bleiben hatte. Dann deutete er auf ein bestimmtes
     Kraut, einen getrockneten Pilz oder ein paar Blüten, bezahlte
     widerspruchslos jeden geforderten Preis und schritt weiter, seine neueste
     Errungenschaft bereits in einem großen Lederbeutel verstauend, den
     er am Gurt um seine Kutte trug.
    So gingen wir wohl eine
     Stunde über den Markt. Ich bemühte mich, unauffällig nach
     Meister Philippe Ausschau zu halten, doch konnte ich ihn nirgendwo
     erblicken. Warum auch, denn was hätte er ausgerechnet hier suchen mögen?
    Als ich schon verzweifeln
     wollte, denn mein Mitbruder hatte alle Heilkräuter gefunden,
     bedeutete mich Malachias zu sich.
    »Der Prior hat mir
     aufgetragen, das Blindenhospiz zu besuchen«, lispelte er und sprach
     dabei so undeutlich, dass ich nachfragen musste. »Wir sollen tatsächlich
     zu den Blinden gehen, ins Quinze-vingt?« Malachias nickte nur. König
     Ludwig der Heilige hatte es einst gegründet als Hospiz für fünfzehn
     mal zwanzig Blinde, daher sein Name. Es lag am anderen Ufer der Seine, vor
     der Porte Saint-Honore. »Wir sollen den Blinden einige Kräuter
     bringen«, erklärte mir Malachias. »Der ehrwürdige
     Vater will es so, auf dass das Volk in uns Dominikanern mildtätige Brüder
     sehe, nicht nur herzlose Inquisitoren.« Er hielt erschrocken inne
     und senkte dann den Blick. »Verzeiht mir, Bruder Ranulf«,
     murmelte er.                     
    »Ihr sprecht recht:
     Jedermann furchtet die Inquisition. Das muss auch so sein. Doch auch dies
     ist recht, dass wir Dominikaner der Herde GOTTES mehr sein müssen als
     Hirtenhunde. Wir müssen auch die Qualen der Körper lindern«,
     sprach ich und war stolz auf meine weisen Worte.
    Im Geheimen zürnte ich
     Bruder Malachias zwar wegen seiner Äußerung über die
     Inquisitoren, doch ließ ich mir nichts anmerken, denn der Weg zum
     Blindenhospiz würde uns quer durch die Stadt führen und mir
     Gelegenheit bieten, nach Meister Philippe Ausschau zu halten - und nach
     einer stolzen, blonden Frau, die gerne allein durch die Gassen von Paris
     schritt.
    Doch erblickte ich in den nächsten
     beiden Stunden weder den Inquisitor noch sah ich Klara Helmstede. Ich war
     enttäuscht und hoffte, dass Bruder Malachias mir dies nicht ansah.
    Was die Gattin des Reeders
     wohl gerade tat? Wie verzehrte ich mich schon nach ihr, kaum dass ich ein
     paar Stunden ohne ihre Gegenwart ertragen musste! Nur dass die Kogge noch
     immer an ihrem Platz lag, das erleichterte mich ein wenig.
    Die Blinden wurden von
     Zisterzienserinnen gepflegt, deren Abtei Saint-Antoine-des-Champs dem
     Hospiz gegenüber lag. Quinze-vingt und das Kloster lagen im Schatten
     vor der Stadtmauer, nur die Rue Saint-Honore trennte sie voneinander, eine
     breite Straße, die nach Osten lief - und auf der niemand zu sehen
     war. Bruder Malachias und ich blickten uns an, als wir durch das Stadttor
     auf die menschenleere Straße hinausschritten, wir sprachen jedoch
     kein Wort.
    Dann überbrachten wir
     den Schwestern die Kräuter. Sie boten uns Wasser und Brot zur Stärkung
     an, doch da mein Begleiter freundlich, aber bestimmt ablehnte, verneinte
     auch ich — obwohl mein Mund trocken war und mein Bauch grollte.
    Auf dem Rückweg, wir
     waren schon fast am Grand Pont, kamen wir an einem Lager der Zigeuner
     vorbei. Jedermann weiß, dass es sich dabei um Christen aus

Weitere Kostenlose Bücher