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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Portal, wo die Untat verübt wurde? Ich schwankte, ob ich
     zur Kirche schleichen sollte. Da rollte wieder der Donner heran, gefolgt
     von einem Blitz, der ein feuriges Netz auf das Firmament zauberte, bevor
     er erlosch. Bevor er erlosch …
    Im wirren Licht des Blitzes
     sah ich, dass ich nicht mehr allein war auf dem Platz vor Notre-Dame.
    Der Schattenmann war da. Der
     Unbekannte, von dem Jacquette mir erzählt hatte.
    Satan.
    Das fahle Licht im Turm zu
     Notre-Dame bekümmerte mich nicht mehr. Ich dachte nur noch an die
     Todsünde, die ich kurz zuvor mit Klara Helmstede begangen hatte. Ich
     fürchtete, dass der Antichrist mich nun holen würde, gleich
     jetzt, um mich in die Hölle zu reißen. Und ich Narr - ich floh!
    Die ersten schweren
     Regentropfen klatschten auf das Pflaster, dann mehr und immer mehr, bis
     dichte Schleier aus Wasser vom Himmel fielen und die Johannisfeuer
     zischend verdampften.
    Ich rannte und rannte. Ich
     blickte mich nicht um, ich achtete kaum meines Weges. Einfach nur weiter
     und weiter! Ich wäre bis ans Ende der Welt gerannt, nur um dem
     Unbekannten zu entkommen.
    Der Regen trieb aber auch das
     Volk zur Flucht. Plötzlich drängten sich Männer und Frauen
     auf den Gassen, ernüchtert, furchtsam nach oben blickend, wo Donner
     und Blitz vom Himmel hernieder fuhren, als wollte GOTT Paris für
     seine Sünden strafen.
    Ich drängte mich durch
     die Menschenmassen hindurch, stieß Gestalten um mit einer Kraft, von
     der ich bis dahin nicht wusste, dass sie in mir schlief, und rannte und
     rannte. Irgendwann, ich weiß nicht, auf welchen Wegen ich dorthin
     gelangte, stand ich mit schmerzenden Lungen vor der Pforte des Klosters in
     der Rue Saint-Jacques. Rote Schleier tanzten vor meinen Augen, mein Herz
     raste. Zitternd stand ich so da, ließ den Regen auf mich
     niederprasseln und drehte mich dann langsam, ganz langsam um.
    Einen Augenblick glaubte ich,
     dass der düstere Unbekannte direkt hinter mir stünde, um mich zu
     holen. Doch da war niemand. Langsam atmete ich aus.
    Dann weinte ich, weinte so
     hemmungslos wie ein kleiner Junge. Meine Tränen vermischten sich mit
     dem Regen und ich hörte nicht auf, bis die Quelle meiner Tränen
     in meinem Innern versiegt war. Ich wusste nicht, ob ich dem Düsteren
     entkommen war oder ob er sich überhaupt die Mühe gemacht hatte,
     mich zu verfolgen. Ich dankte GOTT nur dafür, dass er mich vor dem
     Unbekannten bewahrt hatte. Für diese Nacht wenigstens.
    *
    Nach all den Abenteuern jener
     Stunden war es dann geradezu ein Kinderspiel, wieder in das Kloster zu
     schlüpfen. Der Portarius hatte, wohl angesteckt von der
     Ausgelassenheit der Johannisnacht, einen Weinschlauch mit in seine Stube
     genommen. Nun schlief er tief im Rausch und zuckte nicht einmal, als ich
     das leise knarrende Portal aufdrückte, hineinglitt und das schwere
     Schloss hinter mir vorsichtig wieder zuschnappen ließ.
    Ich schlich in meine Zelle
     und streifte den grauen Umhang ab, den mir Klara gegeben hatte. Er hatte
     mich nicht vor dem Regen geschützt, denn auch meine Kutte darunter
     war nass. Doch ich fröstelte nicht, zu heftig klopfte mir das Herz.
     Ich hatte schon auf der Straße kurz daran gedacht, den Umhang
     einfach irgendwo wegzuwerfen — doch dann hatte ich mir gesagt, dass
     ich ihn vielleicht wieder benötigen würde. Ich muss nicht
     niederschreiben, an welche heimlichen Treffen ich dabei dachte. Also drückte
     ich nun den nassen Wollumhang zu einem kleinen Klumpen Stoff zusammen und
     schob ihn so tief wie möglich unter meine Pritsche. Das mochte gehen.
    Ich zuckte zusammen, als ich
     eine dünne Glocke erklingen hörte: Nocturnes, das Nachtgebet!
    Mit den vielen Dominikanern,
     die vor der Seuche geflohen waren, hatte sich die Zahl unserer Brüder
     im Kloster erhöht. Niemand wusste genau zu sagen, wie viele Mönche
     zur Kirche gehen konnten und wie viele gerade zu krank oder geschwächt
     waren, um zum Hause GOTTES zu kommen. So mochte meine Abwesenheit bei den
     Kirchgängen des Nachmittages und Abends niemandem aufgefallen sein.
     Auch jetzt würde man mich wohl kaum vermissen. Doch ich wollte kein
     unnötiges Risiko mehr eingehen. So trat ich denn aus der Zelle und
     schloss mich den Reihen der Mitbrüder an. Ich sang die Hymne und
     murmelte das Gebet. Doch während ich noch die vertrauten Worte
     sprach, erschrak ich. Denn wie ich demutsvoll zu Boden blickte, da
     erkannte ich im flackernden Licht der Kerzen, dass der Regen

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