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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Unterägypten
     handelt, die von den Sarazenen einst niedergeworfen und zum muslimischen
     Glauben bekehrt worden waren. Später zwar kehrten sie zum wahren
     Glauben zurück, doch müssen sie seither zur Buße durchs
     Land ziehen, ohne je in einem festen Haus schlafen zu dürfen.
    Ihre Männer trugen
     silberne Ringe im Ohrläppchen und hatten sich mit Zauberkünsten
     schwarze Farbe auf die Haut im Gesicht und an den Armen gemalt, die man
     niemals wieder abwischen konnte. So sahen sie gar fürchterlich aus,
     doch grüßten sie uns freundlich, als wir vorübergingen.
     Eine alte Frau, mir dünkte sie wie eine Hexe, griff nach meiner Hand.
     Es dauerte ein paar Augenblicke, bis ich begriff, dass sie mir mit
     schwarzer Magie meine Zukunft aus der Hand lesen wollte.
    Erschrocken zog ich meine
     Rechte zurück, denn zu meinen vielen Sünden wollte ich diese nun
     nicht auch noch hinzufügen. Da ich die Alte jedoch nicht beleidigen
     wollte, hob ich die Hand, die ich ihr soeben entzogen hatte, zum Segen und
     murmelte »Pax
     vobiscum.« Die
     Alte war höchlich erfreut und verneigte sich, wobei sie mir in einer
     Sprache antwortete, deren Worte ich nicht verstand. Rasch ging ich weiter.
     Bruder Malachias war eiliger ausgeschritten, als er der Zigeuner ansichtig
     geworden war, und war schon etliche Schritte voraus. Ich eilte hinter ihm
     drein über die Brücke und war fast auf dem Platz von Notre-Dame,
     wiewohl aber immer noch ein gutes Stück hinter meinem Mitbruder, als
     ich eine Hand an meiner Kutte spürte.
    Ein Schauder durchfuhr mich,
     denn ich glaubte, der Unbekannte der letzten Nacht sei nun gekommen, um
     mich zu holen.
    Doch als ich mich umwandte,
     erblickte ich nur eine gebeugte Frau unter einem alten Umhang. Ich dachte,
     dass eine Zigeunerin mir gefolgt war, und wollte sie schon mit einer Geste
     fortscheuchen - eher erleichtert darüber, dass mich nicht der
     Finstere angehalten hatte, denn wütend über diese
     Aufdringlichkeit -, da richtete sich die Frau auf und sah mir geradeheraus
     ins Gesicht. Es war Lea.
    Ich blickte in ihr schmales
     Gesicht, ihre dunklen Augen, sah, wie sie ihr blauschwarzes Haar unter dem
     schäbigen Tuch mühsam zurückgebunden hatte. Ihre Kleidung
     war zerschlissen und von undefinierbarer Farbe. Nirgendwo konnte ich den
     gelben Judenflicken sehen, den sie doch allezeit tragen musste. Ich hätte
     sie verhaften lassen müssen, doch dachte ich in jenem Augenblick
     nicht einmal daran. Noch bevor ich einen erstaunten Ruf ausstoßen
     konnte, hob Lea schnell die Rechte an die Lippen und bedeutete mir mit
     dieser Geste zu schweigen.
    Rasch sah ich mich um: Bruder
     Malachias schritt weiter, als hätte er mich vergessen. Ich wusste,
     dass ihn alles zum Kloster zog, wo er die Kräuter, die er gekauft
     hatte, zu seiner Medizin verrühren konnte. Ihn drängte der Wille
     zu helfen, mich hielten Neugier und Sünde zurück.
    Die junge Jüdin hielt
     mich nicht länger auf, als man braucht, um eine Zeile des PATER noster zu beten. Auch sie blickte sich
     rasch um, dann holte sie unter ihrem Gewand ein Paket hervor, das in ein
     altes, dunkelbraunes Tuch eingeschlagen war. Es war so lang wie mein
     Unterarm, so breit wie ein Laib Brot und so schwer wie ein Ziegel. »Nehmt
     das, Bruder Ranulf, dann werdet Ihr vielleicht so manches verstehen!«,
     flüsterte Lea atemlos. »Versteckt es gut, niemand darf Euch
     damit sehen. Nun eilt Euch!«
    Mit diesen Worten drehte sie
     sich um und lief rasch die nächste Gasse hinunter, wo sie nach
     wenigen Augenblicken hinter einer Hauswand verschwand.
    Ich unterdrückte meinen
     Wunsch, nach ihr zu rufen, ja, ihr hinterherzueilen. Eben noch dachte ich
     an Klara Helmstede und die letzte Nacht, nun galten alle meine Gedanken
     Lea und ihren Worten.
    Ich schob das Paket in die
     weite Öffnung meines rechten Ärmels. Ich hätte es nirgendwo
     anders verstecken können, denn in meinen am Gurt hängenden
     Beutel passte es nicht. Damit es nicht herausfiel, verschränkte ich
     beide Unterarme ineinander. Mit meiner Linken umklammerte ich sodann das
     Paket, das an meinem rechten Unterarm lag. Es brannte wie Feuer in meiner
     Hand, während ich Bruder Malachias hinterhereilte.
    Nie war mir der Weg durch
     Paris länger vorgekommen als zu jener Mittagsstunde, nie trug ich
     etwas, das schwerer wog als dieses Paket, nie waren meine Hände
     ungeschickter als in diesem Moment, da ich versuchte, die Gabe Leas in
     meiner Kutte verborgen zu

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