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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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ich, von welchen der Prophet Hiob so schauerlich gesprochen hatte:
     Behemoth schritt über das Pergament, geritten vom Teufel, und
     Leviathan, geritten vom Antichristen. Schaudernd blätterte ich um, so
     lebensecht dünkten mich die Bilder, dass ich Angst hatte, die Bestien
     könnten lebendig werden und dem Buch entspringen.
    Doch nichts davon ergab für
     meine Suche einen Sinn. Was hatte Heinrich von Lübeck oder —
     falls Lea sich doch täuschte und das mochte ich durchaus nicht
     ausschließen - was hatte Richard Helmstede mit apokalyptischen
     Monstern, seltsamen Tieren und heilkräftigen Pflanzen zu schaffen? Je
     mehr Seiten ich umschlug, desto ratloser, ja verzweifelter wurde ich. Eine
     Darstellung der Sonne. Eine Anweisung zur Addition. Eine Beschreibung von
     Bergen. Welchen Nutzen mochte sich mein toter Mitbruder davon versprochen
     haben? Die Glocke läutete schon zur Vesper und ich hätte den »Liber floribus« schon beinahe zugeklappt, um ihn
     unter meiner Pritsche zu verstecken, da blätterte ich noch einmal um.
     Vor mir lag eine Karte der Welt. 
    »Mappamundi«,           
    murmelte ich und sah Küsten
     und Meere, vom einen Rand der Welt zum anderen.
    Oh, wie gerne hätte ich
     sie in jenem Moment studiert, hätte mich eingeschlossen und die Welt
     vergessen! Doch ich durfte das Risiko nicht eingehen, im Kloster anwesend
     zu sein, jedoch nicht zur Vesper zu erscheinen. Unweigerlich hätte
     ein Bruder nach mir gesehen und gefragt, ob ich mich auch wohl fühle.
    Also riss ich mich vom »Liber floribus« los, wickelte ihn in Leas Tuch und
     schob ihn tief unter meine Schlafstatt. Ihren Brief jedoch faltete ich
     zusammen und verbarg ihn unter meiner Kutte. Dann eilte ich zur Kirche,
     ein demütiger Schatten unter vielen.
    *
    Wie froh und doch zugleich
     erschrocken war ich, da ich in der Kirche endlich wieder Meister Philippe
     erblicken durfte! Der Inquisitor sah müde und erschöpft aus,
     stand nahe beim Prior und nickte mir nur zu, als er meiner ansichtig
     wurde. Wir waren zu weit voneinander entfernt, um sprechen zu können. 
    Ich freute mich, dass ihm
     nichts zugestoßen war, wo immer er in den letzten Stunden gewesen
     sein mochte. Zugleich fürchtete ich mich jedoch davor, dass er mir
     irgendwie auf die Spur kommen könnte. Sollte ich dem Inquisitor alles
     sagen? Sollte ich verraten, dass Richard Helmstede sich Seekarten zeichnen
     ließ von Juden aus Spanien? Ketzerische Karten? Und sollte ich ihm
     vom »Liberfloribus« im Besitz des Nechenja ben Isaak
     erzählen, in dem ich soeben — mochte das noch Zufall sein? -
     auch eine Weltkarte entdeckt hatte? Vielleicht hatte Lea ja recht und
     Meister Philippe erkannte mit einem Blick die Spur, die zur Aufklärung
     all unserer Rätsel führen würde? Doch würde er nicht
     auch sofort die Spur entdecken, die von mir zu Klara Helmstede führte?
     Denn natürlich würde er mich fragen, wie ich von den Seekarten
     des Reeders erfahren hatte - und könnte ich Meister Philippe anlügen?
    Außerdem hatte mich Lea
     ausdrücklich angefleht, sie zu schützen! Selbstverständlich
     wusste ich, dass die Bitte einer Jüdin ein Nichts ist im Angesicht
     der Pflichten eines Inquisitors. Und doch: Ich wollte sie nicht verraten.
    Also schwieg ich. Ich nickte
     Meister Philippe einen kurzen Gruß zu, dann senkte ich demütig
     den Blick und vermied es, während der Vesper noch ein weieres Mal zu
     ihm hinüberzusehen. Dann zählte ich die Worte der Hymnen und
     Gebete und maß mir so die verstreichende Zeit ab. In mir brannte
     eine sengende Sehnsucht nach meiner Zelle, wo ich dieses Buch wieder
     hervorzerren und in Ruhe lesen wollte! Diese Leidenschaft war kaum weniger
     stark als jene Wollust, die mich noch wenige Stunden zuvor entflammt
     hatte. So brannte ich und nahm schon in diesem Leben die ewigen Qualen
     vorweg, die mich dermaleinst wegen all meiner Sünden noch erwarten
     werden für alle Ewigkeit.
    Doch so sehr mich die
     Leidenschaft plagte, so bewahrte ich mir doch noch einen Rest Klugheit,
     zumindest Vorsicht: Am Ende der Vesper war ich nicht der erste Mönch,
     der aufstand und dem Ausgang zustrebte. Ich betete noch ein PATER noster, dann erst, als einer der Letzten,
     schlich ich demütig zur Pforte der Kirche. Dort traf ich auf Meister
     Philippe, der in ein leises Gespräch mit dem Ehrwürdigen Prior
     vertieft war. Für einen Moment setzte mein Herz aus, doch der
     Inquisitor nickte mir nur zu, segnete mich mit

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