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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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auslassen konnten. Was hätten
     da Worte genutzt? Hätte ich denn die Seuche abwehren können? Hätte
     ich allen Sündern Vergebung versprechen dürfen?
    So stand ich einfach da, das
     Haupt demütig gesenkt, die Hände gefaltet. Diese stumme Geste
     bewirkte wohl mehr, als es das wohlgesetzteste Wort vermocht hätte;
     sie säte Unsicherheit in die Herzen der Menschen und vielleicht auch
     Reue über ihr Tun. Der eine oder andere murmelte einige Sätze,
     die ich lieber überhörte, doch niemand hob mehr die Hand wider
     den Juden oder gar wider mich. Die Marktweiber waren die ersten, die zu
     ihren Ständen zurückkehrten, dann zerstreuten sich auch die
     anderen. Zuletzt machten sich die Burschen davon, in einer Eile, dass man
     schon sagen konnte, sie flohen vor mir.
    Oh HERR, groß war noch
     immer die Respekt heischende Macht des Habits der Dominikaner und gefürchtet
     war die Inquisition! Gepriesen seist DU, dass DU mir in jenem Moment
     beistandest, obwohl ich doch der unwürdigste Mönch war im Orden
     des Heiligen Dominicus.
    Der Jude stand benommen auf
     und wischte sich das Blut von der Stirn. Ich sah, dass er mir danken
     wollte, doch hob ich die Hand, bevor er den Mund öffnen konnte. Noch
     immer hatte ich kein Wort gesprochen und ich gedachte, meinen
     unfreiwilligen Auftritt nun auch schweigend zu Ende zu bringen. So segnete
     ich ihn, drehte mich um und ging langsam vom Platz in eine dunkle Gasse,
     die zur Seine hinunterführte.
    Die Sünde des Hochmuts
     fraß an mir, denn ich war stolz auf mich. Ich glaubte, dass ich
     recht gehandelt hatte. Zugleich jedoch nagte Furcht an meinem Herzen, denn
     ich ahnte, dass mit jedem Tag, da die Krankheit Paris näherkam, der
     Hass der Menschen wuchs. Sollte GOTT nicht bald ein Wunder tun, dann würde
     auch ein Inquisitor nicht mehr helfen können — den Juden nicht
     und auch niemandem sonst.
    *
    Dieses unheilschwangere
     Abenteuer klärte aber immerhin auf geheimnisvolle Weise meinen Geist.
     Ich strebte nun eilig einem neuen Ziel zu, auch wenn sich mein Leib danach
     sehnte, endlich auf einer Pritsche ruhen zu dürfen.
    Als ich den Hafen erreicht
     hatte, ging ich ohne Umschweife zur »Kreuz der Trave«. Nachdem
     ich mich mit einem Blick vergewissert hatte, dass Richard Helmstede
     nirgends an Deck zu sehen war, betrat ich die Planke, die an Bord der
     Kogge führte. Ich kümmerte mich dabei nicht um die erstaunten
     Gesichter einiger Matrosen, die eine große, eisenbeschlagene, doch -
     besah ich mir die Körperhaltung der Männer und ihre wenig
     angespannten Mienen — offensichtlich leere Truhe an Bord schleppten.
     Geradewegs ging ich auf den Steuermann Gernot zu, der auf dem Achterdeck
     stand und mich unsicher anstarrte — so, als schwante ihm Unheil.
    »Ihr wollt Paris bald
     verlassen?«, fragte ich ihn nach einer kurzen Begrüßung.
     Ich wusste ja längst, dass die Kogge bereit gemacht wurde für
     eine lange Reise.
    »Das mag wohl so sein,
     Herr«, antwortete Gernot zittrig. »Das mag wohl so sein«,
     ahmte ich ihn nach, ehrlich empört. »Meister Gernot, Ihr seid
     der Steuermann dieses Schiffes. Und Ihr wollt mir sagen, dass Ihr nicht
     einmal wisst, ob die ›Kreuz der Trave‹ demnächst die
     Leinen ablegt? Was tun denn Eure Matrosen seit einigen Tagen an Bord?
     Streichen sie nicht den Rumpf? Nähen sie nicht die Segel? Und sah ich
     nicht gerade noch einige Männer, die eine große Kiste an Bord
     brachten? Wozu das alles — wenn nicht, weil eine lange Reise
     bevorsteht?«
    »Senkt eure Stimme, ich
     flehe euch an, Herr!«, antwortete da der Steuermann und rang die Hände.
     »Sonst laufen mir noch meine Männer weg!«
    Ich sah ihn verwundert an.
     »Ihr wollt mir sagen, sie laufen davon, wenn sie einen Mönch hören,
     der die Stimme hebt?«
    »Sie haben Angst, Herr.
     Sie — nein, wir alle haben Angst. Es ist so …« Er bat
     mich mit einer respektvollen Geste, ihm bis ans Ende des Achterschiffes zu
     folgen — so weit entfernt von den mittschiffs arbeitenden Matrosen
     wie möglich.
    »Selbstverständlich
     weiß ich, dass wir die ›Kreuz der Trave‹ seeklar
     machen«, fuhr der Steuermann nun fort. »So lauteten ja auch
     die Anweisungen von Herrn Helmstede. Es ist nur so, dass …«
     Er zögerte lange und seufzte dann tief. »Dass wir weder wissen,
     wann wir ablegen sollen, noch, wohin die Reise geht. Und Ihr kennt ja die
     Geschichte von der letzten Fahrt dieser Kogge. Nun fürchten die Männer
     …«
    »…eine

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