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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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kannten dieses Land nicht. War es also ein Reich,
     das nur in der Fantasie existierte? Aber warum hätte es dann jemand
     aus einem alten Manuskript tilgen sollen? Warum sollte ein sterbender Mönch
     gerade diesen Namen mit seinem Blut schreiben? Doch wenn es kein Land war,
     das Seeleute ansteuern konnten — was mochte sich dann dahinter
     verbergen? War es ein Rätselwort? Musste ich nur die Buchstaben
     anders ordnen, um zur wahren Bedeutung vorzustoßen?
    Ich folgte diesem Gedanken
     eine Zeit lang und schrieb in meinem Geist wohl eine Stunde oder mehr die
     Buchstaben der beiden Wörter in immer neuer Reihenfolge nieder
     — vergebens. Schließlich wusste ich mir keinen anderen Rat,
     als zu hoffen, in anderen Büchern eine neue Spur zu entdecken. Wie
     viele Werke über Geografie mochte es geben? Ich hatte mich stets für
     die Theologie interessiert, weniger für die Beschaffenheit dieser
     Welt. So konnte ich die Zahl gelehrter Werke in diesem Feld nicht schätzen.
     Mochten es Dutzende sein? Hunderte?
    Die Bibliothek des Nechenja
     ben Isaak, der solcherart Bücher, wie seine Tochter mir verraten
     hatte, zu schätzen wusste, umfasste wohl mehr als einhundert
     Folianten. Gerne wäre ich zu ihm gegangen und hätte sie in aller
     Ruhe studiert. Doch konnte ich es wagen, jetzt, da die Bürger jeden
     Juden mit mehr als nur dem althergebrachten Hass verfolgten, bei einem jüdischen
     Geldwechsler einzukehren? Was mochte geschehen, wenn mich jemand sähe?
    Hätte ich eine
     offizielle Begründung gehabt, es wäre sicherlich einfach
     gewesen. Als Inquisitor hätte ich sagen können, dass ich weitere
     Spuren in den Todesfällen verfolgte. Doch ich hatte ja gerade
     versprochen, den Geldwechsler und seine Tochter, wenn es mir irgendwie möglich
     war, von den Händen der Inquisition fernzuhalten. Nein, ich durfte
     Lea und ihren Vater nicht gefährden. Also blieb mir nur, zum
     Kollegium de Sorbon zurückzukehren. Auch dort mochten wohl viele
     Werke über Geografie zu finden sein. Vielleicht, so hoffte ich, würde
     eines von ihnen mir einen neuen Hinweis enthüllen.
    Es war wohl schon beinahe
     Mitternacht, da ich endlich Ruhe im Geiste fand. Ich griff zur Heiligen
     Schrift, um die Worte des HERRN in meine Seele zu lassen, bevor meine
     Augen sich schlössen. Über der Offenbarung des Johannes schlief
     ich endlich ein. Ich weiß noch, welche Sätze es waren, denn ich
     träumte gar viel von ihnen in jener Nacht. Da ich nicht an Zufälle
     glaube, war es sicherlich ein Zeichen GOTTES, das er mir sandte. Ich aber
     war blind und erkannte es damals nicht, obwohl es mir doch heute so
     deutlich scheint wie die Sonne am helllichten Tag:
    Et vidi alium angelum
     fortem descendentem de caelo amictum nube et iris in capite eins etfacies
     eins erat ut sol et pedes eins tamquam columna ignis et habebat in manu
     sua libellum apertum et posuit pedem suum dextrum supra mare sinistrum
     autem super terram et clamavit voce magna quemadmodum cum leo rugit et cum
     clamasse locuta sunt septem tonitrua voces suas.

 
    12
    DER ENGEL DER FINSTERNIS
    Mein Plan, am nächsten
     Tag in Büchern nach dem Land der Periöken zu suchen, ging wieder
     nicht auf. Stattdessen musste ich durch Ströme von Blut waten. Nach
     dem Morgenmahl erblickte ich endlich wieder Meister Philippe. Der
     Inquisitor eilte auf mich zu; seine Kutte war staubbedeckt, sein Gesicht
     gerötet.
    »Fühlst du dich
     wieder wohl, Bruder Ranulf?«, fragte er mich. »Ja«,
     antwortete ich. Freude und Schrecken zugleich durchfuhren mich. Freude, da
     ich ahnte, dass ich endlich wieder mit Meister Philippe auf die Jagd nach
     dem Verbrecher gehen durfte. Schrecken, weil es inzwischen so viele Dinge
     zu verheimlichen galt, dass ich mich schon fürchtete, mit dem
     Inquisitor zu sprechen — aus Angst, dass mich ein unbedachtes Wort
     verraten könnte.
    Sollte ich ihm von der terra perioeci berichten? Doch wie ich es auch in
     meinem Geiste wenden mochte, mir fiel keine Geschichte ein, mit der ich
     ihm zwar von jenem geheimnisvollen Land hätte berichten können,
     gleichzeitig jedoch jede Anspielung auf die Tochter des Geldwechslers oder
     gar die Gattin des Reeders vermieden hätte. Es stellte sich
     allerdings sogleich heraus, dass ich auch gar keine Zeit hatte, mir eine
     Ausrede einfallen zu lassen. Denn der Inquisitor nickte nur erfreut und
     fasste meinen Arm, um mich aus dem Speisesaal zu drängen.
    »Wir müssen uns
     eilen!«, flüsterte

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