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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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ich eben noch gestanden
     hatte, steckte das lange Messer zitternd in einem Eichenbalken. »Bist
     du unverletzt?«
    Ich sah das Gesicht des
     Inquisitors, der sich über mich gebeugt hatte. Zum ersten Mal zeigten
     seine Züge Angst.
    »Ihr habt mir das Leben
     gerettet, Meister Philippe!«, keuchte ich, während ich mich
     zugleich mühte, wieder auf die Beine zu kommen. »Hättet
     Ihr mich nicht gestoßen, dann …«
    Der Inquisitor hob die Hand.
     »Genug!«, rief er nur. »Wir müssen ihn fangen!«
    Ich blickte zu den Schlachtbänken:
     Pierre de Grande-Rue war verschwunden.
    »Hinterher!«,
     befahl Meister Philippe.
    Wir achteten nicht länger
     unserer Würde, rafften die Kutten hoch und rannten los. Vorbei an
     schwitzenden Ochsen, lahmenden Pferden und wild flatternden Hühnern,
     vorbei an Bauern, die angstvoll das Kreuz schlugen oder uns Hohnworte
     hinterherschleuderten, vorbei an der Reihe der Schlächter, die in
     ihrem mörderischen Tun innehielten. »Wohin ist er gelaufen?«,
     schrie der Inquisitor sie an. Da deutete einer auf eine offene Pforte, die
     in die Rückwand eingelassen war, direkt neben einer Blutrinne.
    Wir rannten dorthin, traten
     hinaus ins Freie und versanken im braunroten Morast.
    Der Vagant war nirgends zu
     sehen.
    »Dort entlang!«,
     rief der Inquisitor. Er deutete auf Fußspuren, die in dem weichen
     Boden deutlich auszumachen waren. Wir folgten ihnen entlang der Rückwand
     des Schlachthofes. Ich stolperte und fiel in den Schmutz. Meister Philippe
     eilte mir davon.
    Doch selbst er blieb stehen,
     als er ans Ende der Wand gelangt war. Die letzte Spur zeigte an, dass
     Pierre de Grande-Rue auf den Vorplatz gerannt sein musste, doch im Gedränge
     aus Mensch und Tier war er nirgends auszumachen. Ratlos sahen wir uns um,
     dann gingen wir auf gut Glück über den Platz.
    »Wir haben ihn verloren«,
     sagte ich schließlich resigniert. Meister Philippe nickte, doch
     schien er nicht sonderlich enttäuscht zu sein. »Geduld ist eine
     Tugend, die einem Inquisitor wohl ansteht«, ermahnte er mich.
     »Haben wir erst einmal eine Spur, dann haben wir auch irgendwann den
     Sünder. Ich habe Katharer und andere Ketzer zur Strecke gebracht
     — und ich glaube nicht, dass dieser Vagant hier verschlagener ist,
     als jene es waren. Wir werden ihn finden!«
    So kehrten wir denn, besudelt
     mit Blut und Dreck und stinkend nach Tod und Verdammnis, zum Kloster zurück,
     nachdem wir das Messer des Vaganten aus dem Balken gezogen hatten. Auf dem
     Weg in die Rue Saint-Jacques wollte ich Meister Philippe noch einmal dafür
     danken, dass er mir durch seinen Stoß das Leben gerettet hatte, doch
     er lächelte nur, segnete mich und sprach: »Es war der HERR
     selbst, der meine Hände führte. Denn mein Geist wusste nicht
     einmal, was ich da tat, so schnell ging alles vonstatten. Mir scheint, als
     habe ER noch Großes mit dir vor. Warum sonst hätte ER dich behütet?«
    *
    Die nächsten beiden Tage
     führte mich Meister Philippe wieder zu den Schlachthöfen. Mir
     schauderte beim Anblick dieses finsteren Ortes und ich zitterte, wenn ich
     die Schlachtermesser sah. Außerdem brannte ich darauf, endlich die
     Spur vom Land der Periöken weiter zu verfolgen. Doch blieb mir nichts
     anderes übrig, als mich dem Inquisitor zu fügen.
    Wir fragten einige Schlächter
     und Knechte aus und erfuhren so, dass sich der Mann, der vor uns geflohen
     war, tatsächlich Pierre de Grande-Rue nannte. Niemand allerdings
     wusste mehr über ihn zu sagen, denn er arbeitete erst seit wenigen
     Tagen an den Blutbänken. Und niemand vermochte uns zu verraten, wo
     der Vagant wohnte. Ihn selbst erblickten wir in jenen beiden Tagen nicht.
     Auch die Männer, die wir befragten, schworen, dass sie ihn seit jener
     Flucht nicht mehr gesehen hatten.
    »Es ist, als hätte
     er schon gestanden!«, sagte Meister Philippe trotzdem triumphierend
     am zweiten Abend unserer vergeblichen Suche in den Schlachthöfen.
     »Flieht jemand vor einem Inquisitor, dann gilt dies bereits als
     Eingeständnis seiner Schuld.«
    »Ich würde jedoch
     gerne auch ein Geständnis in Worten hören«, wagte ich zu
     erwidern. »Denn ich bin gespannt auf das, was uns der Vagant zu
     berichten hat.«
    Da lachte Meister Philippe
     und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. »Er wird uns alles erzählen,
     Bruder Ranulf. Nur Geduld!« Wir waren schon in der Rue
     Saint-Jacques, nur noch wenige Schritte von unserem Kloster entfernt, als
     ich im

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