In Nomine Mortis
auf dem Pierre de Grande-Rue
gefesselt lag, war in Wirklichkeit gar kein Tisch. Nun erst gewahrte ich
seinen wahren Zweck: Es war eine Streckbank. Einer der beiden
Folterknechte kam mit schweren runden Hölzern an, die er in eiserne
Walzen steckte, die unterhalb der Platte in eichenen Lagern aufgehängt
waren. Anschließend begab sich ein Folterknecht zur Walze am
kopfseitigen Ende der Streckbank, der andere verharrte an jener der Fußseite
— und dann kurbelten beide Männer auf ein leises Kommando hin
in entgegengesetzte Richtungen.
Der Gefangene heulte auf wie
ein getretener Hund, als seine gefesselten Arme in die eine, seine Füße
in die andere Richtung gezogen wurden. Immer straffer spannte sich sein Körper.
Sein Gesicht wurde zuerst rot, dann blass. Er schrie, dass ich im Innern
meiner Seele zitterte. Doch dann war sein Körper so ausgestreckt,
dass die Haut auf seiner Brust und seinem Bauch straff war wie ein
Trommelfell. Der Vagant atmete nur noch japsend und hatte keine Luft mehr
für Schmerzensschreie. Blut quoll aus seinen Hand- und Fußgelenken,
die unbarmherzig von den eisernen Klammern gehalten wurden. Dann erscholl
ein Geräusch, als zerreiße jemand einen Streifen Leder - und
der linke Oberarm des Gefangenen kam mit einem Ruck wohl zwei Fingerbreit
weit aus der Schulter. Pierre de Grande-Rue brachte ein Wimmern zustande,
trotz aller Atemnot. Und Nicolas Garmel, der Bader, der doch schon so
viele Tote gesehen haben musste, würgte und hustete und wandte sich
ab.
Die Folterknechte lösten
die Walzen. Seufzend entspannte sich der Körper des Gefangenen ein
wenig, während ihm einer seiner Peiniger mit der Kelle Wasser über
den Kopf goss. Doch dies war beileibe keine Geste der Barmherzigkeit, wie
mir sogleich klar wurde. Vielmehr sollte Pierre de Grande-Rue nur wieder
zu Kräften kommen, um die nächste Qual umso länger erdulden
zu können.
Der Vagant blieb ausgestreckt
und gefesselt, wie er war. Nun jedoch kam einer der Folterknechte mit
einer Zange und hielt dem Gefangenen eine glühende Kohle unter den
rechten Fuß. Ich vernahm für einen Moment ein leises Zischen
und roch den scharfen Gestank verbrennender Haut, dann erfüllte nur
noch das Geheul des Vaganten meinen Kopf. Pierre de Grande-Rue schrie und
zuckte in seinen Fesseln, doch es nützte ihm nichts. Langsam wurde
zunächst seine rechte Fußsohle schwarz gebrannt, dann auch
seine linke. Er brüllte und lästerte uns in gar fürchterlichen
Worten, doch seine Stimme wurde schwächer und schwächer.
Philippe de Touloubre,
welcher der ganzen Prozedur bis dahin mit unbeweglicher Miene zugesehen
hatte, gab Nicolas Garmel einen Wink. Der Bader musste vortreten und dem
Gefangenen einige scharf riechende Kräuter, die er aus seiner
Medizintasche hervorholte, unter die Nase halten. Denn wieder sollte
Pierre de Grande-Rue zu Kräften kommen.
»Gestehst du nun?«,
fragte der Inquisitor, als die Augen des Vaganten nicht länger glasig
waren und man vermuten konnte, dass er wieder bei Sinnen war.
Doch Pierre de Grande-Rue hub
nur wieder das Fluchen an und sagte uns in vielen Worten, die GOTT so sehr
lästerten, dass ich es nicht wagte, sie ins Protokoll aufzunehmen,
dass er uns nicht mehr gestehen könne, als er es bereits getan habe.
»Gut«, erwiderte
da Meister Philippe, »dann lasst uns weitermachen.« Da kamen
die Folterknechte mit schmalen, langen Zangen an. Ich starrte auf diese
Marterwerkzeuge und zitterte plötzlich, sodass ich mich nicht mehr
beherrschen konnte. Ich hatte ihren Zweck erkannt: Sie sollten dem
Gefangenen die Fingernägel herausreißen. Meister Philippe sah,
wie es um mich stand und warf mir einen mitleidigen Blick zu. Dann fasste
er mich am Arm. »Wir wollen in den Garten gehen«, sagte er zu
mir. »Die beiden Folterknechte werden die Arbeit machen, für
die GOTT sie erwählt hat. Nicolas Garmel wird aufpassen, dass der
Gefangene nicht stirbt, bevor er uns alles gestanden hat. Ich glaube, dass
es bald so weit sein wird.
Ruft uns herbei, wenn er
bereit ist!«, befahl er dann einem der beiden Peiniger.
Fast willenlos ließ ich
mich von dem Inquisitor aus dem Gewölbe führen. Ich war
erleichtert, dass ich die Folter nicht länger mitansehen musste, doch
zugleich spürte ich eine brennende Scham in mir. Ich wusste selbst,
dass dies ein absurder Gedanke war,
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