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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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und doch: Ich kam mir vor, als würde
     ich Pierre de Grande-Rue im Stich lassen. Es war mir, als würde ich
     meine Pflicht als Mönch und Christenmensch nicht erfüllen.
    Als wir einige Schritte weit
     den düsteren, unterirdischen Gang entlanggewandelt waren, hörten
     wir hinter unserem Rücken einen wilden, eher einem Tier denn einem
     Menschen entspringenden Schrei. Mir schauderte und ich ahnte, dass Pierre
     de Grande-Rue soeben seinen ersten Fingernagel verloren hatte.
    Eiligen Schrittes strebte ich
     nach oben und bekümmerte mich nicht einmal mehr darum, dass ich mich
     am Inquisitor vorbeidrängte. Ich wollte nur noch hinaus, an die
     frische Luft und unter GOTTES gnädige Sonne.
    Erst im lieblich duftenden
     Garten des Klosters besann ich mich meiner Würde wieder und
     verlangsamte meinen Schritt. Schamvoll blickte ich zu Boden, als der
     Inquisitor, der gemessenen Ganges gewandelt war, nach einigen Augenblicken
     zu mir aufgeschlossen hatte. »Verzeiht mir meine Schwäche,
     Meister«, murmelte ich. Da hob Philippe de Touloubre die Hand und
     segnete mich. »Es ist keine Schande, dem Anblick der Folter zu
     fliehen«, tröstete er mich. »Es ist vielmehr die natürliche
     Reaktion eines jeden Christenmenschen auf Qual und Blut. Nur wir
     Inquisitoren dürfen unser Haupt nicht abwenden. Dies erschwert die Bürde
     unseres Amtes, doch es ist eine Pflicht, die GOTT uns auferlegt hat: Wir müssen
     der Hitze der Flamme standhalten, denn mit dem Feuer brennen wir die
     kranken Stellen im Leib der Kirche aus, auf dass der große,
     strahlende Körper der Christenheit rein und gesund bleibe.«
    »Das weiß ich,
     Meister«, erwiderte ich betrübt, »doch war es für
     mich bislang stets nur ein Ding des abstrakten Wissens. Jetzt jedoch, da
     ich die Folter nicht mehr nur in der Theorie durchdacht habe, sondern auch
     in der Wirklichkeit erleben musste, jetzt, ich gestehe es, ist mein
     Fleisch schwach geworden, wiewohl mein Geist nach Gerechtigkeit und
     Ausmerzung der Sünden dürstet.«
    »Mein junger Bruder«,
     Meister Philippe ergriff meinen Arm, eine Geste der Vertraulichkeit, die
     ich von ihm noch nie erleben durfte. »Mein junger Bruder«,
     wiederholte er, »die Folter dient zweierlei Zwecken: Sie hält
     die Mutter Kirche rein und sie öffnet selbst dem verstocktesten Sünder
     den Weg zur Rettung seiner unsterblichen Seele. Sie hält die Kirche
     rein, nicht nur, weil wir Häretiker und Verbrecher mit ihrer Hilfe
     aufspüren. Vielmehr verhindert sie auch, dass die Inquisition und
     damit die Kirche je ein ungerechtes Urteil spricht und damit selbst sündig
     wird.
    Denn, wie du sehr wohl weißt,
     niemand kann verurteilt werden, sofern er nicht gestanden hat. Nur das
     Geständnis zählt vor den Richtern dieser Welt und erst recht vor
     jenem einen Richter, vor dem wir uns einst alle werden verantworten müssen.
     Was aber, wenn ein Sünder trotz erdrückender Beweise gegen ihn
     nicht gestehen will? Sollen wir ihn wieder freilassen? Sollen wir
     wahrhaftig einen Wolf, einmal gefangen, wieder auf die Herde christlicher
     Lämmer loslassen?« Ich schüttelte den Kopf. Der Inquisitor
     blickte mich ernst an. »Unsere oberste Pflicht«, fuhr er fort,
     »ist es, diese Herde christlicher Lämmer zu schützen.
     Denke immer daran! Wir sind die DOMINI canes. Haben wir einmal einen Wolf
     gestellt, dann dürfen wir ihn nicht wieder entkommen lassen.
    Und doch gehen wir mit Sündern
     gnädiger um als der Jäger mit dem Wolf. Denn was ist dieses
     irdische Leben denn schon anderes denn ein kurzes, von Pein und Angst
     gezeichnetes Jammertal vor jenem ewigen Leben, dem wir alle teilhaftig
     sind? Gewiss, die Folter erhöht die Pein, die wir erdulden müssen.
     Doch wie lange mag sie andauern? Ein paar Stunden, im schlimmsten Fall
     vielleicht ein paar Tage. Was ist diese kurze körperliche Qual
     angesichts der Ewigkeit der Höllenqual der Seele? Denn siehe, mein
     junger Bruder, mit glühenden Zangen mögen wir dem Körper
     Leid zufügen - doch wir öffnen damit selbst dem verstocktesten Sünder
     den Weg zurück zu IHM, in dem allein unsere Hoffnung lebt.
    Hätten wir jenen
     Vaganten dort, dessen Schreie dich aus dem Kerker getrieben haben, nicht
     gestellt und gefangen, was wäre sein Schicksal gewesen? Ihm wäre
     die Folter erspart geblieben bis zum Ende seiner Tage. Dann jedoch wäre
     seine sündige Seele unversöhnt in SEIN Reich eingegangen und wäre
     vor SEINEN Richterstuhl gekommen! Was

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