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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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ab illo usque ad tempus.
    Wir waren nun schon mehr als
     die Hälfte der Kathedrale entlanggegangen und standen vor den
     Kapellen, die sich, hinter einem Dickicht kühn gespannter Strebebögen
     und Pfeiler verborgen, im Halbrund um Notre-Dame schwangen. Dort, in der
     dritten Kapelle nach dem Portal, war eine kleine, jedoch reich verzierte Tür
     eingelassen. Sie wurde Porte Rouge genannt, wie ich später erfahren
     sollte, die »Rote Pforte«. Maria saß hier als Königin
     über dem Eingang, der heilige Bischof Marcellus stand ihr zur Seite.
     Doch die steinernen Heiligen mussten den Anblick eines Toten ertragen.
    Vor den Stufen der Porte
     Rouge lag die Gestalt eines Mönches in einer großen, dunklen
     Lache Blut.
    Ein zweiter Sergeant lungerte
     im Schatten einer Hauswand, bis er uns erblickte. Er war größer
     und dünner als sein Kamerad, doch kaum weniger verschlossen. Mit wütendem
     Ruck zog er eine gefesselte Person hoch, die er mit einem groben Strick
     gebunden hatte. Ich konnte nicht viel von diesem Gefangenen erkennen, denn
     ein zerschlissener Kapuzenmantel unbestimmbarer Farbe verhüllte ihn.
     Zudem wurden meine Blicke angezogen von dem schrecklichen Anblick des
     Ermordeten.
    »Wir haben jemanden,
     der etwas gesehen hat, Meister Philippe«, brummte der zweite
     Sergeant, der den Inquisitor offensichtlich schon besser kannte.
    Philippe de Touloubre nickte
     höflich, doch machte er eine abwehrende Geste. »Das hat Zeit«,
     antwortete er. »Zunächst möchte ich mir den Toten
     anschauen. Habt Ihr einen Bader gerufen — falls doch noch irgendeine
     Hoffnung besteht?«
    Der dickere Sergeant lächelte
     unfreundlich. Wahrscheinlich erfüllte es ihn mit höhnischer
     Freude, dass Meister Philippe nach einem Bader gefragt hatte, statt nach
     einem der ehrenhaften Ärzte — welche zwar wesentlich mehr
     Ansehen genossen und fast wie Adelige galten, deren Kuren und Rezepte
     jedoch, wie jedermann wusste, oft gefährlicher waren als die der
     Bader.
    Bei dieser Frage hatte sich
     ein Mann erhoben, der bis dahin von uns unbemerkt auf einem leeren
     Weinfass im Halbdunkel gesessen hatte. »Ah, der Herr Garmel«,
     rief der Inquisitor aus, als er der Gestalt ansichtig wurde. Er schien
     erleichtert zu sein.
    »Meister Philippe«,
     murmelte der Mann und verbeugte sich tief. Er war dick, schwitzte stark,
     roch allerdings nicht sauer, sondern nach Lavendel und anderen
     Badeessenzen. Er mochte vielleicht vierzig Jahre alt sein und doch war er
     schon ganz kahl. Seine Kleidung schien schlicht zu sein, aber sah man
     genauer hin, so erkannte man, dass sein dunkles Wams aus Adasseide
     gefertigt war und seine hohen, derb anmutenden Stiefel in Wahrheit aus
     weichem Hirschleder genäht waren.
    »Nicolas Garmel, immer
     zu Diensten«, sagte er höflich und verbeugte sich vor mir nicht
     weniger tief, als er es vor Meister Philippe getan hatte. »Bader im
     Haus ›Wappen der Lilie‹ bei der Kirche
     Saint-Jacques-la-Boucherie, Arzt auch, wenn es belieben, Chirurgicus und
     Haarschneider.«
    »Und der«,
     Meister Philippe zögerte kurz, als suche er nach dem richtigen Wort,
     »Mann des Vertrauens, wann immer der Inquisition ein rätselhafter
     Todesfall zur Untersuchung vorgelegt wird.« Garmel nickte eifrig.
     »Hexerei oder andere schwarze Künste waren hier jedenfalls
     nicht im Spiel«, sagte er. »Das lasst mich erst sehen«,
     entgegnete Meister Philippe. Der Bader bekreuzigte sich und beugte sich
     mit uns über den Toten. »Niemand hat ihn angerührt«,
     flüsterte er, als hätte er plötzlich Angst, dass die
     Gestalt durch ein allzu lautes Wort doch wieder erweckt werden könnte.
     »Die beiden Sergeants haben es nicht gewagt, ihn zu betasten.«
    »Dann muss es jemand
     anders gewesen sein«, murmelte Meister Philippe, »denn angerührt
     wurde er, da besteht kein Zweifel.« Heinrich von Lübeck war
     ungefähr fünfzig Jahre alt, als ihn sein Schicksal ereilte: ein
     mittelgroßer, dünner, kahlköpfiger Mönch im
     Dominikanerhabit, der an ihm nun viel zu groß wirkte. Er lag auf dem
     Rücken, die Beine lang ausgestreckt, den linken Arm ebenfalls; der
     rechte lag etwas angewinkelt, das Gesicht des Toten war in Richtung der
     rechten Hand gedreht, als sei sie das Letzte gewesen, was er auf dieser
     Welt erblickt hätte — wenn ihm dies überhaupt noch möglich
     gewesen sein sollte. Neben seinem Gesicht lag nämlich ein Sehglas aus
     Venedig im Straßenschlamm, das Gestell war jedoch

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