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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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ausgebreitet hatte. Es klimperte leise und
     glitzerte golden, silbern und kupfern, sodass sogar die beiden
     gelangweilten Sergeanten näher herantraten und Nicolas Garmel einen
     leisen Pfiff ausstieß: Dutzende Münzen glänzten auf dem
     Stoff.
    Ungerührt strich der
     Inquisitor mit der Linken durch den Schatz. »Viel französisches
     Geld, Livres und Sous«, murmelte er. »Doch dazu Nürnberger
     Taler, Venezianische Dukaten und Soldi aus Florenz sowie ein paar Kölner
     Pfennige.«
    Ich ging neben ihm in die
     Hocke, beflissen, auch etwas zur Lösung dieses Rätsels
     beizutragen. Lange besah ich mir das Geld. Irgendetwas kam mir seltsam
     vor.
    »Es handelt sich um
     unterschiedliche Münzen aus vielen Reichen der Christenheit«,
     sagte der Inquisitor halblaut. »Man könnte denken, die Börse
     eines Großkaufmannes vor sich zu haben und nicht die eines
     Dominikaners. Ich weiß nicht viel über Heinrich von Lübeck
     - außer, dass er vor einigen Tagen hier ankam, dass er aus dem
     Norden des Deutschen Reiches stammte und dass er den Doktorgrad des
     kanonischen Rechtes erlangt hatte. Es scheint, dass er nicht nur ein Mann
     GOTTES und des Geistes war, sondern, heimlich wiewohl, auch ein Mann des
     Geldes.«
    »Meister Philippe!«,
     rief ich, da mir endlich aufgefallen war, was mir so ungewöhnlich an
     dem Fund vorkam. »Seht die Prägestempel der Münzen. Ich möchte
     meinen, dass alle Münzen alt sind, wenigstens wohl zwanzig oder dreißig
     Jahre und manche wohl auch hundert. Und keiner Gold- und Silbermünze
     ist der Rand angeschliffen, kaum eine ist auch nur zerkratzt. Es sieht so
     aus, als hätten sie sehr lange unberührt gelegen.«
    »Ein Schatz«,
     murmelte Nicolas Garmel andächtig. Er hatte mich gehört, denn
     ich hatte in meiner Aufregung unwillkürlich die Stimme gehoben.
    Meister Philippe warf mir
     einen tadelnden Blick zu. » Tufidem habes penes temet ipsum
     habe coram Deo. Du
     magst Recht haben. Ob es ein Schatz ist, will ich allerdings nicht sagen.
     Es sieht mir eher aus wie die Rücklage, die ein vorsichtiger und
     geschickter Kaufmann über Jahre hinweg angesammelt hat. Ich frage
     mich nur, wie Heinrich von Lübeck an dieses Geld gekommen ist. Und
     was er damit wohl vorgehabt haben mag.«
    »Vielleicht ist er
     deswegen getötet worden?«, fragte ich, nun wieder mit leiser
     Stimme.
    Meister Philippe strich sich
     bedächtig über das Haupt. »Möglich wäre es.
     Jemand hat den Beutel geöffnet - und hat dann vielleicht keine Zeit
     mehr gehabt, die Münzen zusammenzuraffen. Die Sergeanten haben einen
     Bürger festgehalten, der etwas gesehen haben mag. Ich denke, dass es
     jetzt Zeit ist, ihn zu befragen.«
    Doch gerade, als wir uns
     aufrichteten, fiel mein Blick noch einmal zufällig auf die
     blutverkrustete Hand des Toten. Ich hatte sie mir aus Scheu zunächst
     nicht genauer angesehen. Doch nun schien es mir, als ob ich neben der im
     Sterben verkrampften Hand des Toten noch etwas erblicken würde. Etwas
     auf dem Straßenpflaster. Eine Schrift. »Seht, Meister
     Philippe!«, rief ich. »Unser Mitbruder hat uns im Sterben noch
     eine Nachricht hinterlassen. Er hat etwas geschrieben.« Ich sprang
     neben die Hand des Leichnams, aufgeregt - ja, ich gestehe es beschämt
     —, freudig wohl, wie es die edlen Jäger zu sein pflegen, wenn
     sie, den Spieß erhoben, das Wild stellen. Ich glaubte, dass Heinrich
     von Lübeck den Namen des Frevlers, der ihn niedergestreckt hatte, mit
     letzter Kraft niedergeschrieben hätte. Caelum et terra transibunt
     verba autem mea non transient.
    Doch meine Worte reichen
     nicht hin, die Verwunderung zu beschreiben, die mich befiel, als ich die
     letzten Worte des Toten entziffert hatte. Auf dem Straßenpflaster
     stand, zittrig, verwischt, blutbesudelt: terra perioeci.
    »Land der Periöken«,
     murmelte Meister Philippe. Sein Gesicht zeigte, zum ersten Mal, seit ich
     es erblickte (und ich würde es auch nie wieder so sehen) einen
     Ausdruck grenzenloser Verblüffung, die ihn beinahe zu lähmen
     schien. Wahrscheinlich, dachte ich mir in diesem Moment ehrfürchtig
     und schaudernd, war selbst ihm, dem erfahrenen Inquisitor, noch nie ein so
     großes Rätsel gestellt worden. »Was bedeutet das?«,
     fragte ich leise und meinte dies in mehr als einem Sinne. Was war dieses
     geheimnisvolle Land der Periöken? Warum hatte Heinrich von Lübeck
     in seinen letzten Augenblicken ausgerechnet diese Worte niedergeschrieben?
     Und wie sollte uns

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