In Nomine Mortis
zerbrochen; ob im
Kampf oder durch den Sturz, das vermochte ich nicht zu sagen.
Sorgfältig umging
Meister Philippe den Toten - er erinnerte mich unwillkürlich an eine
Katze, die einen Heuballen umschleicht, in dem sie eine Ratte wittert.
Überall an der Kutte
schien Blut zu kleben, doch war es schwer, Einzelheiten auszumachen, denn
die dunklen Flecken waren auf dem schwarzen Gewand nur undeutlich zu
erkennen. »Es waren zwei Wunden, aber nur eine war tödlich«,
murmelte Nicolas Garmel und deutete auf den Oberkörper des Opfers.
Über der rechten Brust Heinrich von Lübecks klaffte ein großer
Riss in der Kutte. Darunter kam eine Wunde zum Vorschein, die nun verklebt
war von getrocknetem Blut.
»Ein Dolch, würde
ich meinen«, erklärte der Bader. Seine Stimme klang ungerührt,
er schien seltsam fasziniert, geradezu erfreut. »Für einen
Schwertstreich ist die Wunde nicht groß genug, für den Stich
einer Lanze oder einen Armbrustbolzen- oder Pfeilschuss hingegen ist sie
zu groß und zu länglich. Der Stoss muss mit großer Kraft
geführt worden sein. Entweder ist die Klinge zwischen den Rippen
hindurchgegangen oder sie hat sogar eine zerbrochen. Dazu müsste ich
mir den Körper des Toten genauer ansehen, doch das habe ich bisher
nicht gewagt, ohne Eure Erlaubnis.«
»Er ist ein Mönch«,
sagte Meister Philippe. »Bei allem Respekt vor Eurem Metier: Ich würde
ihn ungern entkleidet auf dem Tisch eines Baders sehen wollen, wenn es
sich vermeiden ließe.« Garmel nickte beflissen. »Die
Todesursache ist auch so klar zu erkennen. Der Stich hat ihn gefällt
— wenn er ihn auch nicht sofort tötete, denn er traf nicht
seine Herzseite. Heinrich von Lübeck wird hier gelegen haben, für
wenige Augenblicke noch am Leben, bis ihm so viel Blut entströmt war,
dass seine Seele entfloh.«
Ich bekreuzigte mich und
murmelte: »Hierusalem
Hierusalem quae occidis prophetas et lapidas eos qui mittuntur ad te.« Der Bader deutete
ungerührt auf die rechte Hand des Toten. Sie war so über und
über mit Blut bedeckt, dass sie schwarz aussah. Ich hatte dies zunächst
für ein Zeichen dafür gehalten, dass er seine Rechte auf die
Wunde gedrückt hatte, bis ihn die Kräfte verließen, doch
als Garmel uns darauf hinwies, erkannte auch ich, dass ein tiefer Schnitt
die Hand verletzt hatte.
»Noch ein Stich«,
murmelte der Bader. »Auch wenn die Klinge hier abgerutscht ist.«
Meister Philippe nickte bedächtig.
»Heinrich von Lübeck hat gekämpft«, sagte er, mehr
zu sich selbst als zu mir. »Mit der bloßen Hand hat er den
ersten Stoß pariert und erst der zweite hat ihn gefällt.«
Der Bader blickte mich an,
der ich erstaunt ausgesehen haben musste — so, als sei ich soeben
Zeuge schwarzer Magie geworden. »Das haben wir schon öfter
gesehen, als wir zu zählen vermögen«, erklärte er
mir. »Unbewaffnete, die mit Dolch oder Schwert überfallen
werden, schützen ihren Körper mit den Händen und empfangen
dort die erste Verletzung. Der Schmerz durchflutet ihren Körper, sie
reißen die Hände zurück, lassen die Arme sinken …«
»… und empfangen
dann schutzlos den zweiten Streich«, vollendete Meister Philippe
grimmig.
Dann beugte sich der
Inquisitor näher über den Toten und griff zu dem großen
Lederbeutel, der an der Kordel seiner Kutte hing. »Seht Ihr, Herr
Garmel, Ihr mögt ein guter Bader sein, doch Ihr taugt nicht zum
Inquisitor.«
»Wahrlich nicht,
Meister Philippe«, erwiderte Garmel und ich hörte Angst in
seiner Stimme aufflackern, wie man ein kurzes, rasch verklingendes
heiseres Knirschen hört, wenn ein Stein ins Getreide gefallen ist und
zwischen den Mühlrädern zermahlen wird. Meister Philippe hielt
den Lederbeutel in seiner offenen Hand. »Die Verschnürung oben
ist gelöst«, erklärte er mir, »so trägt man
einen Beutel nicht an der Kordel. Jemand hat ihn geöffnet.«
»Es ist kein Blut an
den Lederriemen zu sehen«, antwortete ich und verstand langsam.
»Jemand muss den Beutel geöffnet haben, nachdem Heinrich von Lübeck
niedergestreckt worden ist. Denn hätte der Sterbende es noch selbst
getan, müsste dort Blut zu finden sein.« Meister Philippe
entleerte den Inhalt des Beutels vorsichtig auf ein Tuch, das er aus einer
Tasche, die an seiner Kordel hing, herausgezogen und einige Schritte neben
dem Toten auf dem Boden
Weitere Kostenlose Bücher