In Nomine Mortis
Philippe de Touloubre gehörte?
Und war mir nicht ein Schattenmann gefolgt, als ich den Ort der Sünde
verließ, nachdem ich Klaras Umarmung genossen hatte? Jene Klara
Helmstede, deren Gatte wiederum von einem namenlosen Mönch das Werk
des Castorius erhalten hatte und auch den Befehl, bald zu einem
unbekannten Ziel aufzubrechen? Ob es nun Meister Philippe sein mochte oder
irgendein anderer, der hinter all diesen schrecklichen Dingen steckte
— sicher war, dass der Unbekannte wusste, dass ich ihm auf der Spur
war. Möglicherweise ahnte er nicht, wie wenig ich erst herausgefunden
hatte. Doch würde er tatsächlich ein Risiko eingehen und mich
unbehelligt lassen?
Nein: Mir blieb nichts
anderes übrig, als den Weg, den ich nun einmal eingeschlagen hatte,
auch bis zum Ende zu gehen. Ich würde suchen und suchen, bis ich das
Geheimnis gelöst hatte — oder bis es auch mich verschlungen
hatte.
Und wenn Bücher Schwert
und Gift waren — dann auch in meiner Hand.
Also gab ich nicht auf,
sondern ging wieder in das Kolleg de Sorbon und ließ mir von
Magister Froissart unverdrossen immer neue, immer unbekanntere Werke der
Alten kommen. Vielleicht, so hoffte ich, war jenem geheimnisvollen Bücherfälscher
eine Stelle entgangen, die mir auffallen würde - und vielleicht war
GOTT mir gnädig.
*
Ein Drittel des Monats August
war über meiner Suche schon dahingegangen. Meine Augen brannten, mein
Rücken schmerzte, meine Finger waren schwarz von Staub und Tinte unzähliger
Seiten, die ich gewendet hatte. Da, es war am Tage des heiligen
Laurentius, schon abends, kurz bevor die Glocke mich zur Komplet rufen würde,
ließ ich mir die »Anabasis« des Xenophon kommen. Es war der
Bericht eines griechischen Soldaten, der wohl vor bald zwei Jahrtausenden
mit einem Heer tief ins Reich des Perserkönigs gezogen war. Als
Novize hatte ich den Namen jenes Heiden einmal vernommen, doch sein Werk
hatte ich nie studiert. Von Schlachten las ich dort und von Städten
wie Babylon, dem großen Sündenort. Ich hatte mich nie sehr um
die Geschichte der Heiden bekümmert, denn warum sollten Menschen mein
Interesse finden, die SEIN Wort nicht gekannt hatten? So überflog ich
den Xenophon mit müdem Blick. Meine Augen eilten über die
Seiten, übersprangen wohl auch manchen Satz, ja ganze Abschnitte. Es
war das letzte Buch, das ich an jenem Tage studieren wollte, ich war erschöpft
und hungrig und wusste, dass mich bald die Glocke rufen würde.
Ich hatte Klara seit vielen
Tagen nicht gesehen und sehnte mich nach ihr. Ich hatte kein Wort von Lea
gehört und wusste nicht, welches Schicksal ihr drohen mochte.
Meister Philippe hatte ich
seit drei Tagen nicht zu Gesicht bekommen - was mich zunächst
erleichtert hatte, da ich den Inquisitor inzwischen fürchtete. Doch
nun war ich beunruhigt, denn ich wusste nicht, was diese Abwesenheit zu
bedeuten hatte. Tief in meinem Innern hegte ich trotz allem noch eine große
Verehrung für ihn — und langsam begann ich zu fürchten,
dass jener Unbekannte ihm aufgelauert hatte, nicht mir. Mochte also dem väterlichen
Mönch und Freund, vor dem ich mich verbarg, so gut ich konnte, etwas
zugestoßen sein? Brauchte er, vor dem ich auswich, vielleicht meine
Hilfe? Derart waren meine Gedanken, während ich durch die Seiten des
Xenophon blätterte. Da plötzlich hielt ich inne, denn ich las
ein Wort: Periöken.
Noch einmal studierte ich den
Absatz, dann noch einmal - ich wollte meinen Augen nicht trauen. Das
magische Wort stand auf jenen Seiten, auf denen Xenophon die Herkunft der
griechischen Soldaten beschrieb, die gen Persien gezogen waren:
»Da waren aber auch Männer
unter ihnen aus dem Land der Periöken, welche seit alter Zeit die
Bundesgenossen der Spartaner sind. Doch während sich die Spartaner
auf dem Schlachtfelde auszeichnen, sind die Periöken vor allem für
ihre Seefahrer berühmt. Ihr Hauptort ist Gytheion, ein
wohlbefestigter Hafen. Als sie vom Kriegszug vernahmen, kamen viele Periöken
auf schnellen Schiffen von dort übers Meer. Denn die Periöken
sind schon vor langer Zeit über den Ozean gefahren und haben an der
jenseitigen Küste eine Kolonie errichtet, die ›Land der Periöken‹
genannt wird. Und selbst von dort kamen sie für diesen Krieg, obwohl
sie mehrere Wochen fahren mussten, bis sie in Griechenland angelangt
waren.«
Lange
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