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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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— ob von den Schlägen der Folterknechte oder von den Bissen der
     Ratten, die ihn bereits angefressen hatten, vermochte ich nicht zu sagen.
     Ohne jeden Zweifel jedoch war Nechenja ben Isaak schon seit einigen Tagen
     tot. Auch über ihm schlug ich das Kreuz, obwohl er doch ein Jude war.
     Doch ich wusste nun, dass nicht unser Glaube uns zu Sündern oder
     Heiligen macht, sondern dass es unsere Taten sind, nach denen ER SEIN
     Urteil über uns sprechen wird. Und Nechenja ben Isaak war kein Sünder
     gewesen, sondern ein Mann der Gelehrsamkeit und der Demut.   
    Und er war Leas Vater.
    Ein Schauder durchfuhr mich,
     als ich an das Schicksal der jungen Jüdin dachte. Mochte sie noch
     leben? Welches Schicksal drohte ihr? Ich durfte keine Zeit mehr verlieren.
     Also schlich ich eilig die Treppe hoch. Das unterirdische Verlies mochte
     nun als Gruft dienen für den Geldwechsler und seinen Folterknecht.
    Vorsichtig blickte ich mich
     um, da ich oben ins Freie trat. Es war später Nachmittag. Die Luft
     war drückend und heiß. Im Westen zog wie eine drohende Wand ein
     schwarzes Gewitter herauf. Kein Lufthauch regte sich. Nichts war zu hören,
     nicht einmal Vogelgesang oder das entfernte Bellen eines Hundes. Nie hatte
     ich die Welt so still erlebt wie in jenem Augenblick.
    Bedrohlich war dies, als
     lauere irgendwo ein schrecklicher Dämon und alle Lebewesen hielten
     aus Furcht den Atem an, um nur ja nicht das Monster anzulocken.                  
    Vorsichtig setzte ich meine
     Schritte durch den Klostergarten von Saint-Martin-des-Champs. Unkraut
     spross zwischen Thymian und Lavendel, Laub lag auf den Wegen. Seit Tagen
     mochte kein Mönch mehr diesen Garten gepflegt haben. Ich duckte mich
     und schritt voran. Das leise Knirschen der Kiesel auf dem Weg war das
     einzige Geräusch im Kloster. Es erschien mir laut zu sein, als würde
     ich meine Schritte mit Geläut und Fanfaren begleiten. Da hörte
     ich noch ein Geräusch.
    Ein Krachen und Scheppern,
     dass ich mich fast zu Tode erschreckte. Es war ein Krug oder Teller, der
     auf einen Steinboden gefallen und zersprungen war, irgendwo in einem der
     Klostergebäude. Ich war also doch nicht allein.
    Rasch legte ich die wenigen
     Schritte zurück, die mich noch vom Kreuzgang trennten. Hier zwischen
     den Säulen konnte ich mich besser verbergen als im Garten, der kaum
     ein Versteck bot. Was mochte mich nun erwarten?
    Vorsichtig öffnete ich
     eine Pforte, die in eine der Mauern des Kreuzganges eingelassen war. Nach
     wenigen Schritten stand ich in der Küche des Klosters. Niemand war zu
     sehen, das Feuer im offenen Kamin, der großen Kochstelle, war schon
     lange erloschen. Ein Laib Brot lag noch auf dem Tisch, doch der war grün
     und weiß vom Schimmel überzogen. Rasch trat ich zum Kamin und
     griff nach einem eisernen Schürhaken, den ich in der Hand wog.
    Was war nur mit mir
     geschehen? Ich, der Mönch, der gehorsam und keusch und friedlich zu
     leben gelobt hatte, war fest entschlossen, mich mit dem Schürhaken zu
     wehren, sollte mich jemand ergreifen wollen.
    Nie wieder würde ich in
     jenen Kerker gezerrt werden! Eher ließe ich mich im Kampf
     erschlagen, als dass ich noch einmal das Verlies der Inquisition erdulden
     wollte.
    So bewaffnet und grimmig
     entschlossen, wie es nur ein Ritter vor einer Schlacht sein kann, verließ
     ich die Küche wieder und schlich durch die düsteren Fluchten des
     verlassenen Klosters. Irgendwann glaubte ich, menschliche Stimmen zu hören.
     Es war ein leises Wehklagen.
    Weiter ging ich, Schritt für
     Schritt auf eine Pforte zu, die letzte am gegenüberliegenden Ende des
     Kreuzganges. Langsam drückte ich sie mit der Linken auf, Handbreit für
     Handbreit, derweil ich in der erhobenen Rechten den eisernen Haken hielt
     wie eine Streitkeule. Doch dann ließ ich meine Waffe wieder sinken.
     Es gab hier niemanden mehr, der mich hätte bedrohen können. Ich
     war ins Dormitorium getreten, den Schlafsaal des Klosters. In der Tat
     lagen hier einige Mönche, doch wusste ich nicht, wer noch lebte und
     wer schon gestorben war. Wohl zwei Dutzend Männer ruhten auf
     dreckigem Stroh, auf ihren Bettstätten oder irgendwo auf dem
     steinernen Boden, so, als wären sie dort zusammengebrochen. Blut und
     Kot besudelten die Gewänder der Mönche. Es stank nach Eiter und
     Exkrementen. Ein Bruder, der große, schwärzliche Flecken auf
     der Stirn trug, stöhnte auf, als er mich sah, und hob flehentlich die
     Hand.

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