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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Worten vermag ich
     die Verzweiflung zu beschreiben, die nun meine Seele in eiserner Klammer
     hielt, .da ich Stunde um Stunde, Tag um Tag in der finsteren Zelle saß?
     Allein war ich mit mir und meinen quälenden Gedanken. Hinzu kam, dass
     Hunger und Durst mich mehr und mehr plagten. Wann mochte das letzte Mal
     jene Klappe in der Pforte geöffnet worden sein, durch die mir der
     Folterknecht hartes Brot und einen Krug Wasser gereicht hatte? War es
     einen Tag her? Oder zwei? Oder gar drei?
    Oh, ich Elender. Ich wollte
     sterben, ja, ich sehnte mich nach der Folter, in der Hoffnung, dass sie
     mich aus diesem Leben erlösen möge. Doch irgendwann raffte ich
     mich auf, kroch müde bis zur Zellentür — und schlug mit
     der Faust dagegen. Ich, der ich eben noch mit meinem irdischen Dasein
     abgeschlossen hatte, rief um Hilfe und bettelte um Wasser und Brot. Und
     irgendwann wurde ich erhört.
    Ich vernahm seltsam
     schlurfende, langsame Schritte, die sich meinem Verlies näherten. Mit
     letzten Kräften hob ich meine Stimme - und schloss dann wieder meinen
     Mund. Denn nicht die winzige Klappe wurde geöffnet, sondern unendlich
     langsam, ja mühselig wurde der Schlüssel der Kerkertür
     gedreht. Dann öffnete sich die Pforte. Ich sah zunächst nicht
     mehr als einen schwachen Lichtschein. Irgendwo brannte eine Fackel und
     warf ihr unruhiges Licht durch den unterirdischen Gang. Mochte es Tag oder
     mochte es Nacht sein? Ich wusste es nicht.
    Als sich meine Augen an das
     flackernde Licht gewöhnt hatten, gewahrte ich einen Schatten am Boden
     des Ganges: Es war einer der beiden Folterknechte. Nun lag er gekrümmt
     auf den schimmelüberzogenen Steinen und stöhnte vor Qual. Er war
     es, der mir mit seiner letzten Kraft die Tür geöffnet hatte.
    »Bruder«, flüsterte
     er mit erstickender Stimme, »habt Erbarmen mit einem armen Sünder!
     Nehmt mir die Beichte ab, bevor ich sterben muss!«
    Ich kniete mich zu ihm,
     obwohl ich selbst vor Schwäche schwankte. »Was ist geschehen?«,
     fragte ich.
    »Nehmt die Fackel und
     seht«, flüsterte der Folterknecht. Ich holte die Fackel, die in
     einem eisernen Ring am Ende des Ganges steckte. Und fürwahr: Als ihr
     Licht nun auf die bejammernswerte Gestalt fiel, da musste er mir nichts
     mehr erklären: Beulen und aufgeplatzte Schwären überzogen
     sein Gesicht und seinen Leib. Er blutete aus wohl drei Dutzend Wunden,
     selbst aus seinen Augen troff ihm Lebenssaft. Sein Atem, der nur noch stoßweise
     ging, stank schon nach Verwesung.
    »Die Seuche, Bruder«,
     flüsterte er, »die Seuche holt uns alle.« So blieb ich
     denn bei ihm, nahm ihm die Beichte ab und sprach ihm Mut und Trost zu, auf
     dass er mit leichterem Herzen in SEIN Reich gehen möge. GOTT ist mein
     Zeuge: Ich blieb bei dem sterbenden Folterknecht wohl mehr als eine Stunde
     lang, bis seine Seele mit einem letzten Seufzer entflohen war.
    Dann erhob ich mich, schlug
     das Kreuz über dem Toten — und blickte mich um. War ich frei?
    Vorsichtig schlich ich bis
     zum Ende des Ganges. Die Folterkammer war leer. Auch auf der Treppe, die
     ins Licht führte, zeigte sich niemand. Ich sah, dass am Fuße
     der Stufen ein Verschlag in den Felsen des Untergrundes gehauen war. Es
     war die Stube der Folterknechte. Einen Krug Wasser sah ich dort, auch
     etwas Bier, hartes Brot und eine Zwiebel. Gierig schlang ich alles in mich
     hinein.
    Dann, da mit meinen Kräften
     auch mein Geist zu mir zurückgekommen war, blickte ich mich genauer
     um. Schließlich entdeckte ich, halb unter Lumpen verborgen, einen
     eisernen Ring, an dem Schlüssel hingen. Es sah aus, als habe ihn
     jemand achtlos weggeworfen und dann vergessen.
    Ich nahm die Schlüssel
     und öffnete mit ihnen die nächstgelegene Zellentür.
    Das Verlies war leer.
    Ich ging zur daneben
     liegenden Pforte, doch auch diese Zelle war leer. So öffnete ich denn
     eine nach der anderen. Anfangs hoffte ich noch, dass ich andere Unglückliche
     befreien möge, doch je mehr leere Verliese ich aufschloss, desto
     tiefer sank mein Mut. Klara war, wie es Philippe de Touloubre angekündigt
     hatte, schon längst nicht mehr im Kerker eingesperrt. Erst in der
     letzten Zelle fand ich einen weiteren Gefangenen. Nechenja ben Isaak.
    Ich erkannte den jüdischen
     Geldwechsler kaum wieder. Zunächst sah ich nur eine gekrümmte
     Gestalt, die im schmutzigen Stroh lag. Als ich den Mann auf den Rücken
     drehte, erschrak ich gar sehr. Sein Gesicht war blutig und zerfetzt
    

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