In Nomine Mortis
antwortete ich.
»Und tut Ihr, was Ihr
tun müsst«, gab er zurück. »Helft mir nicht hier in
Saint-Martin-des-Champs. Hier gibt es keine Hoffnung mehr. Hier gibt es
niemanden, dem Ihr noch beistehen müsst. Aber leben nicht in Paris
Menschen, die Eurer Hilfe bedürfen? Wenn Ihr noch etwas Gutes tun
wollt in dieser Welt, Bruder Ranulf, dann eilt nach Paris! Solange Euch
der HERR noch ein paar Tage schenkt!«
Ich dachte an Klara und Lea.
Ich dachte an das, was Philippe de Touloubre gesagt hatte. Nicolas Garmel
hatte Recht: Für mich gab es in Paris noch einiges zu tun und ich
musste mich sputen. »Seid unbesorgt« rief ich. »Ich
werde nach Paris eilen und Euch Hilfe schicken. Haltet aus, nur noch ein
paar Stunden!« Da lachte der Bader, doch es war ein bitteres Lachen.
»Niemand wird kommen, Bruder Ranulf. Ihr seid ein heiliger Narr,
dass Ihr so etwas glauben könnt. Und ich bedarf auch keiner Hilfe
mehr, nicht aus Paris und nicht von irgendjemandem auf dieser Welt. Jeder
Tag kann nun der Jüngste Tag sein. Das Ende ist nah. Ich habe nicht
mehr lange zu leiden.«
»Lasst die Hoffnung
nicht sterben!«, flehte ich ihn an. »Seid stark. GOTT wird die
erlösen, die wahrhaft glauben. Noch ist nicht alles verloren!«
Statt mir mit Worten zu
antworten, hob der Bader nur seine Arme. Zunächst blickte ich ihn
verwundert an, dann erkannte ich es: Beulen unter seinen Achseln, groß
wie Hühnereier. »Ja«, sagte Nicolas Garmel schließlich,
»auch ich bin schon gezeichnet. Ein Tag noch, vielleicht werden es
auch zwei. Dann werden die Beulen aufbrechen und Blut und Eiter und
schwarze Galle werden mir entströmen. Das Fieber wird mich packen,
der Schmerz wird über mich kommen. Dann werde ich mich niederlegen.
Und ich werde sterben — der letzte Tote dieser großen Abtei
wird ein Ketzer sein.« Was gab es da noch zu sagen?
Ich erteilte dem Bader meinen
Segen, dann wandte ich mich um und verließ das Kloster. Ich wusste,
dass ich Nicolas Garmel niemals wiedersehen würde.
So machte ich mich denn auf
gen Paris, dessen Dächer glänzten, während dahinter wie
eine schwarze Wand das Gewitter am Himmel aufzog. Die Stadt glich mir nun
nicht länger dem Himmlischen Jerusalem, vielmehr glaubte ich, an den
Pforten der Hölle zu stehen. Den eisernen Schürhaken packte ich
fester, dann ging ich los.
*
Ich kam nur ein paar Schritte
weit, da erblickte ich einen Toten am Wegesrand. Dann noch einen und noch
einen. Um den dritten stritten sich einige Hunde. Sie knurrten und
winselten, sie rissen am Körper des Unglücklichen. Von ihren
Lefzen troff Blut, es stank nach Verwesung.
Ich sah mich nach Hilfe um,
doch erblickte ich keinen Menschen. So schrie ich denn zornig und
schleuderte auch ein paar Steine. Doch dies half nicht. Erst als ich mit
dem Schürhaken auf den ersten Hund eindrosch, dass er jaulend
davonstob, wichen die anderen. Doch sie umkreisten mich in wenigen
Schritten Abstand und knurrten böse. Das Gesicht des Toten war schon
so zerrissen worden, dass ich seine Züge nicht mehr erkennen konnte.
Ich hatte kaum Zeit, einen Lumpen, der seinen Leib bedeckte, über
sein Gesicht zu werfen, da schnappte einer der Hunde nach mir. Nur weil
ich mich mit einem Sprung in Sicherheit brachte, blieb ich unverletzt. Ich
wollte wieder auf das Tier losgehen, entschlossen, den Toten nicht vor
meinen Augen zerreißen zu lassen, da gewahrte ich, dass auch die
Leiber der Hunde Beulen entstellten. Kein Zweifel: Auch die Tiere würden
sterben.
Da packte mich die Angst und
ich floh vor den todkranken Hunden und ihrem grausigen Mahl. Ich rannte
den ganzen Weg, bis ich zum großen Stadttor kam, das gen Norden
wies.
Doch seltsam: Keinen
Wachsoldaten sah ich dort, niemand stand auf der Mauer und hielt Ausschau.
Kein Bettler hockte am Wegesrand, kein Händler hatte seinen Karren
abgestellt. Ich sah weder Maultiere noch Zugochsen, ja nicht einmal Raben,
die doch sonst in Scharen das Gewölbe des Tores umschwirrten. Die
massigen Torflügel standen jedoch weit geöffnet. Beklommenen
Herzens trat ich hindurch.
Und fürwahr: Die Hölle
tat sich mir auf, da ich Paris betrat.
Dixitque ei Iesus sine ut
mortui sepeliant mortuos suos tu autem vade adnuntia regnum DEI.
Das Erste, was mir auffiel,
war die Stille, als ich die Stadt betrat. Keine Stimme vernahm ich, keinen
Lärm: keine
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