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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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antwortete ich.
    »Und tut Ihr, was Ihr
     tun müsst«, gab er zurück. »Helft mir nicht hier in
     Saint-Martin-des-Champs. Hier gibt es keine Hoffnung mehr. Hier gibt es
     niemanden, dem Ihr noch beistehen müsst. Aber leben nicht in Paris
     Menschen, die Eurer Hilfe bedürfen? Wenn Ihr noch etwas Gutes tun
     wollt in dieser Welt, Bruder Ranulf, dann eilt nach Paris! Solange Euch
     der HERR noch ein paar Tage schenkt!«
    Ich dachte an Klara und Lea.
     Ich dachte an das, was Philippe de Touloubre gesagt hatte. Nicolas Garmel
     hatte Recht: Für mich gab es in Paris noch einiges zu tun und ich
     musste mich sputen. »Seid unbesorgt« rief ich. »Ich
     werde nach Paris eilen und Euch Hilfe schicken. Haltet aus, nur noch ein
     paar Stunden!« Da lachte der Bader, doch es war ein bitteres Lachen.
     »Niemand wird kommen, Bruder Ranulf. Ihr seid ein heiliger Narr,
     dass Ihr so etwas glauben könnt. Und ich bedarf auch keiner Hilfe
     mehr, nicht aus Paris und nicht von irgendjemandem auf dieser Welt. Jeder
     Tag kann nun der Jüngste Tag sein. Das Ende ist nah. Ich habe nicht
     mehr lange zu leiden.«
    »Lasst die Hoffnung
     nicht sterben!«, flehte ich ihn an. »Seid stark. GOTT wird die
     erlösen, die wahrhaft glauben. Noch ist nicht alles verloren!«
    Statt mir mit Worten zu
     antworten, hob der Bader nur seine Arme. Zunächst blickte ich ihn
     verwundert an, dann erkannte ich es: Beulen unter seinen Achseln, groß
     wie Hühnereier. »Ja«, sagte Nicolas Garmel schließlich,
     »auch ich bin schon gezeichnet. Ein Tag noch, vielleicht werden es
     auch zwei. Dann werden die Beulen aufbrechen und Blut und Eiter und
     schwarze Galle werden mir entströmen. Das Fieber wird mich packen,
     der Schmerz wird über mich kommen. Dann werde ich mich niederlegen.
     Und ich werde sterben — der letzte Tote dieser großen Abtei
     wird ein Ketzer sein.« Was gab es da noch zu sagen?
    Ich erteilte dem Bader meinen
     Segen, dann wandte ich mich um und verließ das Kloster. Ich wusste,
     dass ich Nicolas Garmel niemals wiedersehen würde.
    So machte ich mich denn auf
     gen Paris, dessen Dächer glänzten, während dahinter wie
     eine schwarze Wand das Gewitter am Himmel aufzog. Die Stadt glich mir nun
     nicht länger dem Himmlischen Jerusalem, vielmehr glaubte ich, an den
     Pforten der Hölle zu stehen. Den eisernen Schürhaken packte ich
     fester, dann ging ich los.   
    *
    Ich kam nur ein paar Schritte
     weit, da erblickte ich einen Toten am Wegesrand. Dann noch einen und noch
     einen. Um den dritten stritten sich einige Hunde. Sie knurrten und
     winselten, sie rissen am Körper des Unglücklichen. Von ihren
     Lefzen troff Blut, es stank nach Verwesung.
    Ich sah mich nach Hilfe um,
     doch erblickte ich keinen Menschen. So schrie ich denn zornig und
     schleuderte auch ein paar Steine. Doch dies half nicht. Erst als ich mit
     dem Schürhaken auf den ersten Hund eindrosch, dass er jaulend
     davonstob, wichen die anderen. Doch sie umkreisten mich in wenigen
     Schritten Abstand und knurrten böse. Das Gesicht des Toten war schon
     so zerrissen worden, dass ich seine Züge nicht mehr erkennen konnte.
     Ich hatte kaum Zeit, einen Lumpen, der seinen Leib bedeckte, über
     sein Gesicht zu werfen, da schnappte einer der Hunde nach mir. Nur weil
     ich mich mit einem Sprung in Sicherheit brachte, blieb ich unverletzt. Ich
     wollte wieder auf das Tier losgehen, entschlossen, den Toten nicht vor
     meinen Augen zerreißen zu lassen, da gewahrte ich, dass auch die
     Leiber der Hunde Beulen entstellten. Kein Zweifel: Auch die Tiere würden
     sterben.                  
    Da packte mich die Angst und
     ich floh vor den todkranken Hunden und ihrem grausigen Mahl. Ich rannte
     den ganzen Weg, bis ich zum großen Stadttor kam, das gen Norden
     wies.
    Doch seltsam: Keinen
     Wachsoldaten sah ich dort, niemand stand auf der Mauer und hielt Ausschau.
     Kein Bettler hockte am Wegesrand, kein Händler hatte seinen Karren
     abgestellt. Ich sah weder Maultiere noch Zugochsen, ja nicht einmal Raben,
     die doch sonst in Scharen das Gewölbe des Tores umschwirrten. Die
     massigen Torflügel standen jedoch weit geöffnet. Beklommenen
     Herzens trat ich hindurch.
    Und fürwahr: Die Hölle
     tat sich mir auf, da ich Paris betrat.
    Dixitque ei Iesus sine ut
     mortui sepeliant mortuos suos tu autem vade adnuntia regnum DEI.
    Das Erste, was mir auffiel,
     war die Stille, als ich die Stadt betrat. Keine Stimme vernahm ich, keinen
     Lärm: keine

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